Dem Scheinriesen begegnen
Mit einem vielfältigen Programm warten die Internationalen Wochen gegen Rassismus auch im Kreis Euskirchen auf – 17 Kooperationspartner haben 26 Veranstaltungen zum Thema „Menschenwürde schützen“ auf die Beine gestellt – Los geht es ab dem 17. März
Kreis Euskirchen – Er heißt „Herr Tur Tur“ und er wirkt riesengroß. Weil das so ist, fürchten sich alle vor ihm. Daher zieht er sich in die hinterste Ecke der Wüste zurück, um niemanden zu ängstigen. Doch Herr Tur Tur hat eine wundersame Eigenschaft. Er wirkt nur so riesig, wenn er ganz weit weg ist. Wenn man sich ihm nähert, dann wird der Scheinriese, dem Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer im Buch von Michael Ende begegnen, immer kleiner. Und wenn er dann vor einem steht, ist er auf einmal von ganz normaler Statur und es stellt sich heraus: Er ist wirklich nett, empathisch und eigentlich gesellig – wäre er nicht so einsam.
Doch was hat diese Geschichte mit den Internationalen Wochen gegen Rassismus zu tun, die am Montag, 17. März, mit einem vielfältigen Programm beginnen? Ganz viel. Denn Judith Raß von der DRK-Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit wird diese Geschichte am Freitag, 4. April, für Kinder jeden Alters (also auch für Erwachsene) vorlesen und damit die Aktionswochen abschließen, die sich vorher drei Wochen lang mit dem Thema „Menschenwürde schützen“ auseinandergesetzt haben.

Doch die Lesung ist nicht nur einfach der Schlusspunkt dieser Themenreihe, die nun bereits zum vierten Mal im Kreis Euskirchen stattfindet. Sie ist auch so etwas wie das Leitmotiv für die Internationalen Wochen gegen Rassismus. „Denn wir wollen Orte der Begegnung schaffen, wo die eigene Würde geachtet und geschützt ist und wo wir miteinander ins Gespräch, in den Austausch kommen“, erläutert Judith Raß. Die Veranstaltungen nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sozusagen an die Hand, lassen sie zu Jim Knopf und zu Lukas dem Lokomotivführer werden, um sich dem Scheinriesen zu nähern, Ängste und Vorbehalte abzubauen und so die Gemeinsamkeiten des Menschseins herauszuarbeiten.
Beeindruckende Entwicklung
Für Rolf Klöcker eine ganz wesentliche Botschaft. „Abgelehnt zu werden, nur weil man so ist, wie man geboren wurde, kennen wahrscheinlich die Wenigsten hier im Raum“, sagte der Geschäftsführer des DRK-Kreisverband bei der Vorstellung des Programms. Um so etwas wirklich zu vermeiden und Rassismus vorzubeugen, sei es wichtig, Menschen immer wieder dafür zu sensibilisieren, anderen gegenüber eben nicht voreingenommen zu sein.
„Ich glaube, das ist auch der Hauptzweck unserer Initiative, in der sich vor drei Jahren schon vier Mitglieder mit sieben Veranstaltungen beteiligt haben und in diesem Jahr 17 Mitglieder und Kooperationspartner mit 26 Veranstaltungen dabei sind“, so Rolf Klöcker, der sich nicht nur über diese beeindruckende Entwicklung freute, sondern auch darüber, dass Landrat Markus Ramers erneut die Schirmherrschaft über die Themenwochen übernommen hat.
Der schlug zunächst durchaus selbstkritische Töne an. „Wenn wir sehen, wie sich die Stimmung im Land verändert hat in den letzten Jahren, dann müssen wir uns schon die Frage stellen, ob die Maßnahmen zur politischen Bildung, gegen Rassismus und Rechtsextremismus erfolgreich waren“, so der Landrat des Kreises Euskirchen. Doch insbesondere vor diesem Hintergrund zeigte er sich dankbar, dass die Initiative 2022 gegründet worden ist – und dass so viele Partner mit dabei sind. „Das gibt Hoffnung und Mut, dass das eine positive Entwicklung ist, dass es mehr Organisationen gibt, die sagen, wir sind dabei, wir machen mit“, betonte Markus Ramers, dessen Kolleginnen und Kollegen eben auch mit machen.
Roland Kuhlen zum Beispiel. Der Mitarbeiter des Kommunalen Integrationszentrums des Kreises Euskirchen freut sich schon jetzt auf die Aktion „Kocht mit uns um die Welt“, die am Dienstag, 25. März, im Thomas-Eßer-Berufskolleg stattfindet. Dann wird eine Gastköchin aus Saudi-Arabien mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihr Lieblingsessen kochen – und so ganz nebenbei geschieht rund um den Herd Völkerverständigung und ein gemeinsamer Austausch.
Es ist der 19. Kochabend dieser erfolgreichen Reihe, die Roland Kuhlen mit Thomas Weber vom DRK ins Leben gerufen. Der Mitarbeiter der Integrationsagentur steuert für die Internationalen Wochen gegen Rassismus noch weitere Programmpunkte bei. „So werden wir eine Exkursion ins Rautenstrauch-Joest-Museum anbieten, um uns dort mit der Frage zu beschäftigen, wann Menschenwürde endet“, berichtet Thomas Weber, der zudem auf die Vernissage „Menschenwürde schützen“ hinweist, die am Freitag, 21. März im Mehrgenerationenhaus in der Kommerner Straße in Euskirchen stattfinden wird.
Sprache ist mehr als nur reden
„Das Projekt dazu läuft bereits seit einigen Wochen“, so Thomas Weber. Zugewanderte Menschen haben sich mit dem Thema Würde auseinandergesetzt, um ihren Gedanken und Erfahrungen anschließend malerisch Ausdruck zu verleihen. „Wir können alle sehr gespannt sein auf die Ergebnisse“, sagt Thomas Weber, der sich auch darüber freut, dass die Gesamtschule Mechernich zwei Projekttage zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus veranstaltet.
Thomas Webers DRK-Kollegin Janine Frackmann weist derweil auf den Programmpunkt „Sprache – viel mehr als nur reden“ hin. Am Mittwoch, 19. März, soll der Gesprächskreis ebenfalls im Rotkreuzhaus auf der Kommerner Straße stattfinden. „Wir werden uns dann mit drei verschiedenen Positionen beschäftigen: Sprache als Kommunikationsmittel, Sprache als Spracherwerb und Sprache als Integration“, berichtet Janine Frackmann über das Projekt, das gemeinsam mit dem Jobcenter EU-aktiv angeboten wird. Denn dort werden kreisweit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte betreut. „Dementsprechend haben wir immer eine starke Verbindung mit dem Thema Sprache und Spracherwerb, und daher war es mir auch ein Anliegen, dieses Thema, gerade in Bezug auf Menschenwürde, so ein wenig in den Fokus zu rücken“, erläutert Jobcenter-Mitarbeiter Philip Prokosch, der nur einer der vielen Kooperationspartner ist.
Daneben beteiligen sich auch der KreisSportBund Euskirchen und Vogelsang IP an den Aktionswochen. „Gerade auch der Sport kann einen Teil dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft wieder bunter und offener und freundlicher wird“, findet Martin Sommer vom KreisSportBund.
Mit dabei sein wird auch Julius Caesar Sasah vom Jugendmigrationsdienst, der in einem Vortrag über die deutsche Flüchtlingspolitik der Frage nachgehen will, ob allen Personen mit Fluchthintergrund die gleiche Würde zuteilwird. Donum vitae wiederum wird in Kooperation mit dem DRK einen Workshop zum Thema „Menschenwürde und sexuelle Selbstbestimmung“ anbieten sowie einen Austausch über die Startbedingungen ins Leben: „Für ein Leben in Würde von Anfang an“.
Virtual Reality und Sprayen
Derweil lädt das Kommunale Integrationsmanagement (KIM) zum Workshop „Virtual Reality gegen Diskriminierung“ ein. Gemeinsam mit dem Caritasverband für die Region Eifel zeigt KIM zudem in Vogelsang den Dokumentarfilm „Wir sind jetzt hier“ über das Ankommen in Deutschland. Beim Starke-Frauen-Treff im Café Henry des DRK steht dann auch wieder die „Menschenwürde im Fokus“ und der Caritasverband für das Kreisdekanat Euskirchen lädt ein zum „Sprühen gegen Rassismus“ auf dem Klosterplatz in Euskirchen.
Diese Veranstaltungen und viele weitere sollen dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und Ängste zu überwinden. Genau hier setzen die Internationalen Wochen gegen Rassismus im Kreis Euskirchen an: Sie schaffen Räume der Begegnung, fördern den Austausch und laden dazu ein, sich mit eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen. Herr Tur Tur, der freundliche Scheinriese, würde sich freuen. Denn wie in der Geschichte von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer zeigt sich oft erst in der direkten Begegnung, dass das vermeintlich Fremde nicht bedrohlich ist – sondern eine Bereicherung.
Im gemeinsamen Veranstaltungsprogramm der Initiative „Haltung zeigen: Wir im Kreis Euskirchen gegen Rassismus“, koordiniert von der DRK-Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, wird der Einsatz gegen Rassismus sichtbar und erlebbar. Alle Veranstaltungen mit weitergehenden Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Interessierte unter: www.drk-eu.de/iwgr.html
pp/Agentur ProfiPress