Kommunen stehen am Abgrund …
… und die Kreisumlage schubst sie hinein – Bürgermeister und Kämmerer der kreisangehörigen Kommunen machen in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihrem Unmut über die ihrer Ansicht nach exorbitante Umlagesteigerung Luft und haben eine klare Forderung: Der Kreis muss umdenken
Kreis Euskirchen/Mechernich – Eine solche Ansammlung von Bürgermeistern und Kämmerern ist selten, wenn es sie überhaupt schon einmal gegeben hat. Doch die Lage ist ernst, das machen sie unmissverständlich klar. So ernst, dass alle kreisangehörigen Kommunen des Kreises Euskirchen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in das Mechernicher Rathaus eingeladen haben. Der Grund: Die exorbitante Erhöhung der Kreisumlage. „Ich bin jetzt 26 Jahre lang Bürgermeister dieser schönen Stadt, aber eine solche Steigerung der Kreisumlage habe ich noch nicht erlebt“, sagte Gastgeber und Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick zur Begrüßung.
„Die Kommunen stehen am Abgrund“, ergänzt Anna-Katharina Horst. Was die Weilerswister Bürgermeisterin zwar nicht explizit ausspricht, aber zwischen den Zeilen ganz deutlich durchklingen lässt: Die Kommunen stehen am Abgrund und die Kreisumlage schubst sie hinein. Für sie ist die Pressekonferenz daher ein ganz klares Zeichen, bei dem „rüberkommen soll, dass wir als Kommunen in unserer Handlungsfähigkeit extrem eingeschränkt werden. Es muss etwas passieren. Auf Kreisebene kann es einfach nicht bei einem Weiter so bleiben.“
Um diese Position zu untermauern, hat Mechernichs Kämmerer Ralf Claßen mit Stefan Mannz, seinem Teamleiter Finanzen, und unter Mithilfe aller anderer Kommunen über 30 Folien vorbereitet. „Wenn das so weitergeht, ist die kommunale Selbstverwaltung mehr als gefährdet“, sagt dann auch Ralf Claßen während seiner Präsentation.
Von 100 Euro gehen 38 an den Kreis
Die Eckdaten sind schnell erzählt: Die Kreisumlage soll ein 2025 um sage und schreibe 31,3 Millionen Euro ansteigen. Von da an ist eine kontinuierliche Steigerung vorgesehen so dass die Kommunen im Jahr 2028 bereits 55,61 Millionen Euro mehr an den Jülicher Ring überweisen müssten.
Die größten Einzahler in diesem Jahr sind Euskirchen mit 74,25 Millionen Euro, Mechernich mit 30,88 Millionen Euro und Zülpich mit 24,25 Millionen Euro. Interessanter sind allerdings die Quoten. „Von 100 Euro, die wir als Kommune einnehmen, gehen 38 Euro an den Kreis“, nimmt Ralf Claßen Mechernich als Beispiel. In den anderen Kommunen sieht es nicht besser aus. Auf 100 Euro gerechnet, gibt Blankenheim 39 Euro an den Kreis ab, bei Schleiden sind es 36 Euro, bei Euskirchen und Weilerswist sind es 35 Euro. „Als ich 1999 angefangen Verantwortung für den Mechernicher Haushalt zu übernehmen, waren es noch 25 Prozent, wenn das so weiter geht, nähern wir uns der 50-Prozent-Marke“, betont Ralf Claßen.
Für die Bürgermeister und Kämmerer steht daher fest: Der Kreis Euskirchen zwingt sie dazu, die Steuern zu erhöhen und in vielen Fällen auch die Leistungen zu reduzieren. Bei Ralf Claßen klingt das dann so: „Unser finanzieller Handelsspielraum wird so stark eingeschränkt, dass wir im Rahmen der Daseinsvorsorge für unsere Bürgerinnen und Bürger nichts mehr machen können.“
Damit werde die Erhöhung der Kreisumlage zu einem Problem für jeden einzelnen der rund 190.000 Einwohner. Während aktuell die Hebesätze der Grundsteuer B noch bei einem Mittelwert von 756 Prozent liegen, müsste dieser Mittelwert bis 2028 auf 1819 Prozent ansteigen. Für rund 80 Prozent der Kreisbürger würde das eine Mehrbelastung von 585 Euro pro Jahr bedeuten. 18 Prozent der Steuerzahler müssten 1169 Euro pro Jahr mehr bezahlen und ein kleiner Teil sogar rund 2285 Euro mehr.
Traurig: Schleiden bei der Steuer in den Top 10
Marcel Wolter kann schon jetzt von traurigen Zahlen berichten. „Bei uns liegt die Grundsteuer B bei 1008 Prozent. Damit sind wir nach der neuen Statistik des Bundes der Steuerzahler in den Top 10 gelandet“, berichtet der Schleidener Beigeordnete. Seine Prognose: „Wenn die anderen Kommunen ebenfalls ihre Hebesätze so anpassen würden, dass die Kreisumlage ausgeglichen werden kann, wären aus dem Kreis mindestens 80 Prozent in den Top 10 gesetzt.“
„Das alles tut richtig, richtig weh“, unterstreicht auch Ingo Pfennings. Der Scheidender Bürgermeister wartet mit einer besonders bitteren Auswirkung dieser harten Einschnitte auf: „Wir kriegen rund 250 Millionen Euro Wiederaufbauhilfe vom Land, können aber niemanden einstellen, der die Vergabe der Mittel koordiniert.“ Ralf Claßen setzt hier noch einen drauf: „Schleiden kann keine Ingenieure für den Wiederaufbau bezahlen, aber der Kreis stellt jemanden ein zur Beobachtung des Feldhamsters.“
Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian kann das nur allzu gut nachvollziehen. Die Stadt befindet sich erneut im Haushaltssicherungskonzept und muss den Wiederaufbau mit dem Personal stemmen, das aktuell im Rathaus beschäftigt ist. „Dann diskutiert man auf einmal mit den Bürgerinnen und Bürgern, ob eventuell das Eifelbad geschlossen werden muss oder ob Erweiterungen von Schulen eben nicht umgesetzt werden können“, so Sabine Preiser-Marian, die betont, dass beides aktuell nur theoretische Gedankenspiele sind.
Deutlich wird dadurch aber, dass die Kommunen eben wirklich am Abgrund stehen. Ralf Claßen findet daher deutliche Worte in Richtung Kreis Euskirchen: „Wenn wir eine kommunale Familie sind, dann kann der eine nicht leben, wie Gott in Frankreich, und die anderen müssen versuchen, das irgendwie zu finanzieren.“
15 Millionen Euro Kürzung pro Jahr
Damit leitete er zu den Forderungen über, die die elf Kommunen an den Kreis Euskirchen richten. „Wir fordern vom Kreis mindestens 15 Millionen Euro Budgetkürzungen pro Jahr“, so der Mechernicher Kämmerer. Die entsprechenden Vorschläge, wie dieser Betrag zu erreichen wäre, bleiben die Finanzexperten in den Rathäusern natürlich auch nicht schuldig. Rund 10,6 Millionen Euro könnten alleine die Anwendung des rechtlich vorgegebenen globalen Minderaufwands erreicht werden. Weil Haushalte meist sehr konservativ geplant werden und die Jahresabschlüsse meistens viel besser ausfallen, werden in diesem Fall die Aufwendungen im Budgetplan einfach um zwei Prozent gekürzt.
Punkt zwei: Der Kreis plant für seine Ausgleichsrücklage einen Puffer von zwei Millionen Euro ein. „Totaler Quatsch“, sagt Ralf Claßen und fordert den Wegfall dieser unnötigen Sicherheitsreserve. Also genauso unsinnig empfinden die Kommunen die Tatsache, dass der Kreis Eigenkapital aufbaut. Das hat 2022 den Stand von 62,8 Millionen Euro erreicht und ist seit 2009 um ganze 41,4 Millionen Euro angewachsen. „Das ist alles finanziert von zu viel gezahlter Kreisumlage von uns“, sagt Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt. Daher stellt auch Ralf Claßen die rhetorische Frage: Braucht ein umlagefinanzierter Gemeindeverband zwingend Eigenkapital?“ Für die Bürgermeister und Kämmerer im Mechernicher Ratssaal ist die Antwort eindeutig: Auf keinen Fall. Mit einer Reduzierung des Eigenkapitals könnten die Kommunen im Umkehrschluss deutlich entlastet werden.
Noch ein Sparvorschlag: Reduzierung von Stellen. Klar ist, dass der Kreis inzwischen zahlreiche Aufgaben von den Kommunen übernommen hat. Einen Stellenzuwachs von rund 300 in zehn Jahren ist für die Städte und Gemeinden aber wenig nachvollziehbar. „300 Stellen sind drei Mal das Zülpicher Rathaus“, rechnet Ulf Hürtgen, Bürgermeister der Römerstadt vor: „Wenn die Erledigungsquote hoch wäre, könnte ich damit leben. Aber das ist leider in vielen Fällen nicht so.“
Einen weiteren Treiber für den Zuwachs im Stellenplan haben die Kommunen auch ermittelt: die zahlreichen Förderprogrammen. „Vieles von dem ist zwar schön und gut, aber in Zeiten knapper Kassen nicht immer nötig“, stellt Ralf Claßen klar. Daher fordern die Städte und Gemeinden vom Kreis Förderprogramm auf den Prüfstand zu stellen, wenn möglich zu reduzieren und so auch ein Signal hin zu einer kommunenfreundlichen Planung zu senden.
Mit der Hoffnung sterben Kommunen gleich mit
In ihrem Schreiben an den Landrat haben die elf Kommunen dann ich festgehalten: „Unser Appell: Die kommunale Familie gemeinsam stärken. Denn die Städte und Gemeinden des Kreises Euskirchen sind das Fundament der regionalen Entwicklung. Ihre finanzielle Stabilität muss gesichert werden.“
Dass dieser Brief und die Kritik am Kreis jetzt erst geäußert wird, gibt unterdessen Anlass zur Kritik. Schließlich hätten Städte und Gemeinden bereits beim Blick in den letzten Kreishaushalt wissen können, dass die Steigerung in der mittelfristigen Finanzplanung eingepreist war. „Ja, das ist so“, weiß auch Mechernichs Kämmerer Ralf Claßen: „Aber wir hatten damals noch die Hoffnung, dass es zu einem Umdenken beim Kreis kommt.“ Dieses Umdenken sei leider ausgeblieben, wodurch sich die kreisangehörigen Kommunen jetzt zu diesem außerordentlichen Schritt einer gemeinsamen Pressekonferenz entschieden hatten.
„Mit dieser Aktion wollten wir noch einmal eindrücklich für unsere Anliegen sensibilisieren“, so Weilerswists Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst. Jetzt sei die Zeit zum Umdenken. Denn der Kreisausschuss berät am 26. März über den Haushalt. Die Verabschiedung im Kreistag ist für den 9. April geplant. „Bekanntlich stirbt die Hoffnung, dass sich etwas ändert, zuletzt“, sagte Kämmerer Ralf Claßen zum Abschluss seiner Präsentation. In der Mechernicher Ratssitzung hatte er noch hinzugefügt: „Wenn diese Hoffnung aber auch stirbt, dann sterben auch die Kommunen.“
pp/Agentur ProfiPress