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„Vor 70 Jahren war ich auch ein Flüchtling“

Erstes Begegnungsfest zwischen Flüchtlingen und Bürgern aus Roggendorf – Mehr als 100 Menschen aller Generationen kamen zum gegenseitigen Kennenlernen – Flüchtlinge sorgten für orientalisches Buffet – Applaus für ehrenamtliche Helfer

Mechernich-Roggendorf – Beim ersten Begegnungsfest zwischen Flüchtlingen und Bürgern aus Roggendorf platzte das Dorfgemeinschaftshaus aus allen Nähten. Weit mehr als 100 Menschen aller Generationen waren gekommen, um sich gegenseitig kennenzulernen. „Die Stimmung war fantastisch“, freute sich Wolfgang Vanhöfen, Sozialarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf und einer der Organisatoren des Begegnungsabends.

Der Begegnungsabend startete mit einem großen orientalischen Buffet. Dafür hatten die Asylbewerber in ihrer Unterkunft gemeinsam gekocht. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Der Begegnungsabend startete mit einem großen orientalischen Buffet. Dafür hatten die Asylbewerber in ihrer Unterkunft gemeinsam gekocht. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Für das Fest hatten die Flüchtlinge viele Stunden in der Gemeinschaftsküche ihrer Unterkunft verbracht und zahllose Leckereien der orientalischen Küche gezaubert. Bepackt mit Platten, Tellern und Schüsseln zogen sie zum Dorfgemeinschaftshaus, wo sie herzlich von den Roggendorfer Bürgern empfangen wurden.

Auf der Weltkarte konnten die Anwesenden ihre Herkunftsländer markieren. Eine ganze Kette von Klebezetteln entwickelte sich von Syrien aus. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Auf der Weltkarte konnten die Anwesenden ihre Herkunftsländer markieren. Eine ganze Kette von Klebezetteln entwickelte sich von Syrien aus. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Das Begegnungsfest war eine gemeinsame Aktion des Ortskartells und der evangelischen Kirche in Roggendorf. Bei der Begrüßung wurden die Worte von Pfarrer Michael Stöhr jeweils ins Arabische und ins Englische übersetzt. Für das Team der ehrenamtlichen Helfer, die sich seit rund drei Wochen für die Flüchtlinge einsetzen und sie in täglichen Sprechstunden und in praktischen Dingen unterstützen, gab es spontan einen großen Applaus.

Pfarrer Michael Stöhr von der evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf begrüßte die Gäste des Begegnungsfestes. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Pfarrer Michael Stöhr von der evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf begrüßte die Gäste des Begegnungsfestes. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Spätestens mit dem riesigen Buffet war das Eis gebrochen. Um die Sprachbarriere zu umgehen, ließen sich die Anwesenden einiges einfallen. So wurde zum Beispiel mit der Handy-App vom Deutschen ins Arabische übersetzt. „Das Buffet ist eröffnet“, hatte eine Roggendorferin mit ihrem Handy geschrieben. Eine Zeile darunter erschien daraufhin der gleiche Satz in arabischer Schrift. Das Handy in der Tischmitte wurde bald fleißig getippt, um sich gegenseitig kennenzulernen.

An einer Wand hatten die Organisatoren zwei Landkarten von der Welt und von Deutschland aufgehängt, an denen jeder seinen Herkunftsort mit seinem Namen auf einem Klebezettel markieren konnte. Schnell hatte sich von Syrien aus eine wahre Kette aus Klebezetteln entwickelt und auch um Mechernich herum war ein bunter Zettelwald entstanden.

Die Grußworte von Pfarrer Michael Stöhr wurden für die Anwesenden jeweils ins Arabische und ins Englische übersetzt. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Die Grußworte von Pfarrer Michael Stöhr wurden für die Anwesenden jeweils ins Arabische und ins Englische übersetzt. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Das Ehepaar Günther und Ursula Schulz war aus Kommern nach Roggendorf gekommen, um ein paar der Flüchtlinge kennenzulernen. Ein kleines Mädchen hielt Ursula Schulz mit Begeisterung ein Handy ans Ohr, um ihr ein Lied aus ihrer Heimat vorzuspielen. „Vor 70 Jahren war ich auch ein Flüchtling. Damals bin ich aus Ostpreußen hierhergekommen“, erzählte Günther Schulz. „So ein Begegnungsabend kann für beide Seiten nur förderlich sein“, betonte er.

Obwohl sich die Situation der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg von der der heutigen Asylbewerber unterscheidet, gibt es doch auch Ähnlichkeiten. „Ich war damals elf Jahre alt und kam über das Fußballspielen schnell in Kontakt mit den Jugendlichen aus dem Dorf“, erinnerte sich Günther Schulz.

Günther und Ursula Schulz waren aus Kommern zum Begegnungsfest gekommen. Mit den Kindern konnten sie sich auf Deutsch unterhalten, aber auch mit Gesten knüpften sie erste Kontakte. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Günther und Ursula Schulz waren aus Kommern zum Begegnungsfest gekommen. Mit den Kindern konnten sie sich auf Deutsch unterhalten, aber auch mit Gesten knüpften sie erste Kontakte. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Auf ähnliche Weise versucht Roggendorfs Ortsvorsteher Thomas Tampier zusammen mit den Helfern, die Flüchtlinge über Vereine ins Dorfleben zu integrieren. Einige von ihnen spielen bereits Volleyball oder Fußball im Verein oder wollen beim Lauftraining im Turn- und Sportverein Bleifuß Mechernich mitmachen. „Der Abend hat sicherlich dazu beigetragen, ein paar der Hemmschwellen abzubauen“, sagte der Ortsvorsteher.

„Dass es am Anfang noch Berührungsängste gibt, ist ganz normal“, erklärte Wolfgang Vanhöfen. Mit dem Fest habe man aber schon das Ziel erreicht, erste Hürden bei der Begegnung zwischen Ortsbewohnern und Flüchtlingen zu nehmen. Die gute Stimmung animierte einige Syrer sogar dazu, den „Dabke“ vorzuführen, einen Folkloretanz aus ihrer Heimat. „Das zeigt, dass sie sich hier wirklich wohlfühlen“, freute sich Wolfgang Vanhöfen.

Um die Flüchtlinge und die Roggendorfer weiter zusammen zu bringen, möchte man auch beim Martinszug gemeinsam durch das Dorf ziehen. Trotz der Bemühungen rund um die Flüchtlinge, so betonte Wolfgang Vanhöfen, würde man aber auch alle anderen Bedürftigen nicht aus dem Blick verlieren. Ein Beispiel dafür sei die Mechernicher Tafel, die gemeinschaftlich von evangelischer Kirchengemeinde, katholischer Pfarrgemeinde, Communio in Christo, Arbeiterwohlfahrt und Stadt Mechernich ins Leben gerufen wurde. Alle bedürftigen Menschen werden dort mit Lebensmitteln versorgt. Vanhöfen: „Unsere Sorge für Bedürftige soll schließlich gerecht bleiben.“

pp/Agentur ProfiPress