Sr. Anna Maria starb mit 101 Jahren
Gebürtige Mechernicher Ordensschwester widmete ihr Leben den Armen in Brasilien – Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick: „Bemerkenswerte Frau aus einer bemerkenswerten Familie“ – Jüngste Roggendorf-Schwester wird im Kloster Aspel beigesetzt – Vier Geschwister wurden Missionare, auch die verheirateten Geschwister engagierten sich jahrelang in Indien
Mechernich/Rees – Schwester Anna Maria Roggendorf ist tot. Die in Mechernich geborene Missionsschwester starb vergangenen Mittwoch im hohen Alter von 101 Jahren in der Kommunität Rees-Aspel der Töchter vom heiligen Kreuz. Schwester Anna Maria wird am Dienstag um 10.30 Uhr auf dem dortigen Klosterfriedhof beigesetzt.
Sie war 1933 in die Kommunität eingetreten und hatte 1941 ihre ewigen Gelübde abgelegt. Den größten Teil ihrer Missionszeit wirkte Anna Maria in Brasilien. 1953 wurde sie von ihrer Generaloberin mit zwei weiteren Heilig-Kreuz-Schwestern in einen Vorort von Sao Paulo entsendet, um dort eine Missionsstation aufzubauen.
Die in Mechernich geborene und aufgewachsene Ordensschwester hatte 2009 noch im brasilianischen Colombo ihren 95. Geburtstag, ihr 75jähriges Ordensjubiläum und den 56. Jahrestag ihrer Missionsgründung in Guaraituba feiern können. Kurz darauf zwang sie ein komplizierter Oberschenkelbruch zur Rückkehr nach Deutschland.
Im Mai vergangenen Jahres war der 100. Geburtstag von Maria Roggendorf, wie sie mit Mädchennamen hieß, im Aspeler Kloster der Töchter vom heiligen Kreuz ganz groß gefeiert worden. Auch der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Diakon Manfred Lang aus Schwester Anna Marias Heimatpfarre St. Johannes Baptist gratulierten der hochbetagten, aber geistig noch sehr beweglichen Ordensfrau, im Namen der Bürgerschaft und der Christengemeinden am Bleiberg.
„Ich hatte viele gute Jahre – mehr will ich gar nicht“
Keck und ein bisschen frech kommentierte Schwester Anna Maria damals die Gratulationswünsche ihrer Gäste. Den Wunsch, „noch ein paar gute Jahre zu haben“ wies sie beispielsweise mit einem Augenzwinkern zurück: „Ich hatte so viele gute Jahre – noch mehr will ich gar nicht.“
„Sie sind eine ganz außergewöhnliche Frau aus einer ganz außergewöhnlichen Mechernicher Familie“, sagte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick der damals Hundertjährigen. Schwester Anna Maria (Jahrgang 1914) war die letzte von drei Ordensschwestern aus der achtköpfigen Kinderschar des Mechernicher Ingenieurs und Heimatforschers Hubert Roggendorf und seiner Frau, der Modistin Anna Krischer.
Zwei Schwestern gingen nach Indien, eine, nämlich Anna-Maria, nach Brasilien. Auch Josef Roggendorf (1908-1982), das älteste der Kinder, war Jesuit, Wissenschaftler und Missionar. Er war unter anderem Professor für vergleichende Literaturwissenschaften und Dekan der Sophia-Universität in Tokio.
Gertrud Roggendorf (1909-1973), die als Schwester Anna-Huberta segensreich in Indien wirkte, war wie ihr Bruder erst 18 Jahre alt, als sie in Aspel Novizin im deutschen Provinzialhaus der Lütticher Kongregation „Filiae Crucis“ wurde. Zu den Töchtern vom Heiligen Kreuz gingen auch Agnes Roggendorf, Jahrgang 1910, die seit 1939 als Anna-Xaveria in Indien und später bis zu ihrem Tode in Lahore (Pakistan) wirkte, sowie Maria Roggendorf, Jahrgang 1914, die seit Ende der 40-er Jahre als Schwester Anna-Maria in Brasilien missionierte.
Das Elternhaus sei „katholisch-konservativ, aber keineswegs frömmlerisch” gewesen, berichtete seinerzeit im Zeitungsinterview Dr. Margarete Brown, eine inzwischen auch verstorbene weitere Roggendorf-Schwester aus Mechernich, die lange in Indien wirkte und mit Oscar Henry Brown, dem obersten Kolonialrichter in Indien, verheiratet war.
„Die einzige Möglichkeit, sich als Frau zu emanzipieren“
Gleichwohl sei es „traumatisch“ für die vier jüngeren Geschwister gewesen, als die vier älteren Geschwister, eins nach dem anderen, in Orden eintraten und Missionare wurden. „Man fühlte sich festgelegt durch das Beispiel der älteren Geschwister“, erzählte Margarete Brown im Interview: „Ich bin darüber rebellisch geworden.“
Der jüngste Bruder, Hubert (Jahrgang 1919), der später Arzt wurde und selbst neun Jahre in Indien wirkte, schloss seine Schwestern Agnes und Maria in ihren Zimmern ein, als er hörte, dass auch sie ins Kloster wollten. Orden und Mission, so Margarete Brown, waren für die drei älteren Schwestern zur damaligen Zeit die einzig greifbare Plattform, um sich zu emanzipieren und ihre religiöse Berufung zu verwirklichen.
Besonders Gertrud (Anna-Huberta) sei von dem Gedanken beseelt gewesen, etwas Großartiges in der Welt leisten zu können und zu müssen. Frau Brown: „Die Alternative wäre bürgerliche Enge gewesen; in Mechernich hätte sie die kleineren Geschwister verwahren müssen.“
Die jetzt verstorbene Maria Roggendorf erzählte einmal im Interview, warum sie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihren lateinischen Ordensnamen „Honorata“ abgelegt und ihren Mädchennamen Maria wieder angenommen hatte: „Die Kinder in Brasilien haben das sowieso nicht verstanden und immer »Irma Banana« (Schwester Banana) zu mir gesagt!“
3000 Familien in den Slums von Guaraituba betreut
In der von der Mechernicherin in Brasilien begründeten Missionsstation Bocaiuva do Sul in Guaraituba betreute Schwester Anna Maria Roggendorf mit ihren Mitschwestern 3000 Familien in den Slums und 40 Pfarrgemeinden im weiteren Umland. Ihr besonderes Augenmerk richtete sie auf die 18 Krankenstationen der Töchter vom Heiligen Kreuz, wo Verletzungen ambulant behandelt werden, vor allem aber dafür gesorgt wird, dass die Mütter ihre Kinder gesund zur Welt bringen.
Im Nachruf auf Schwester Anna Maria schreiben die Töchter vom heiligen Kreuz unter anderem: „Mit Sr. Anna Maria bekamen die Schwestern und Mitarbeiterinnen einen lieben, aufgeschlossenen und frohen Menschen. Sie erzählte oft von ihrer Arbeit in Brasilien, von den ersten, nicht einfachen Jahren, doch sie konnte jetzt darüber schmunzeln und darlegen, wie es ihr gelang, auch auf Umwegen ihren missionarischen Dienst den Menschen zu schenken und ihnen zu helfen, wo es erforderlich war.“
Ein intensives dreiwöchiges Krankenlager sei ihrem Tod voraufgegangen: „In vielen Stunden hat sie im Bewusstsein und Unterbewusstsein mit ihren verstorbenen Eltern und Geschwistern gesprochen und auch gesagt: »Bald komme ich auch«.“
pp/Agentur ProfiPress