Der Mann neben Gropius
Adolf Meyer war bedeutsamer Stellvertreter des bekannten Bauhaus-Architekten – In Mechernich geboren und verwurzelt – Meyers Grabstein für den Vater auf dem Mechernicher Friedhof konnte der Nachwelt erhalten bleiben – Fragment der Vorlage ist heute noch in Steinmetzwerkstätte Simons zu finden
Mechernich – Tausende Berliner und Besucher aus aller Welt drängten sich im Januar beim Eröffnungsfestival „100 Jahre Bauhaus“ in die Akademie der Künste am Hanseatenweg in Berlin. Ein Ansturm, der die Erwartungen der Veranstalter bei weitem übertraf. Das Bauhaus von Weimar wurde 1919 als Kunstschule von Walter Gropius gegründet. Der Begriff „Bauhaus“ wurde zu einem Synonym für eine neue Stil- und Kunstepoche.
In Deutschland ist das „Bauhaus“ vor allem mit dem Namen von Gropius verbunden. Neben Frank Lloyd Wright, Le Corbusier und Mies van der Rohe gilt Gropius als einer der größten „Evangelisten“ moderner Architektur. Weit weniger bekannt, aber nicht weniger begabt war Adolf Meyer, Stellvertreter von Gropius im Bauhaus und oft genug ausführendes, planendes und zeichnendes Organ seiner Entwürfe.
Was heute kaum einem bewusst ist am Mechernicher Bleiberg, darauf machte schon vor Jahren der Mechernicher Lokalhistoriker Erich Stoffels und jetzt der Diplom-Kaufmann Michael Simons die Medien aufmerksam: Adolf Meyer wurde am 17. Juni 1882 in der Turmhofstraße von Mechernich geboren. Seine Eltern lebten und starben am Bleiberg, der Vater 1928 und die Mutter 1938. Vater Wilhelm Meyer, aber auch schon Meyers Großvater und Urgroßvater kamen vom Bleiberg.
Erste Werk des neuen Bauens
Zu den berühmtesten Schöpfungen von Gropius und Meyer gehörte das 1911 entworfene Fagus-Werk in Alfeld. Es gilt unter Fachleuten als das erste und bedeutende Werk des neuen Bauens in Deutschland. Meyer war dafür bekannt, mit einem Minimum an Stoff und Raum das Maximum an Wirkung zu erzielen. Rationalität sowie Funktionalität wurden entscheidende Stichwörter dieser Epoche.
Später, nach der Zeit mit Gropius, wurde der Bauhaus-Meister Meyer als Leiter der Bauberatung nach Frankfurt berufen. Meyers Einfluss bei der Gestaltung der Großstadt ist bis heute an verschiedenen Wohnbauprojekten sichtbar. Architektonisch bedeutsam wurden seine Entwürfe für das Gaswerk am Osthafen als auch für den Neubau des Prüfwerks „6“ der Elektrizitätswerke.
Grabstein des Vaters gefertigt
Auch in Mechernich gibt es ein Werkstück, das an den Architekten erinnert – allerdings einer etwas anderen Art: Es ist der Grabstein für seinen Vater.
Den entwarf der damals bereits berühmte Architekt Adolf Meyer selbst und ließ es von dem Frankfurter Bildhauer Josef Hartwig ausführen, mit dem der in Frankfurt unter anderem als Dozent an der Kunsthochschule wirkende Adolf Meyer eng zusammenarbeitete. Hartwig kreierte auch das Grabkreuz aus Ulmenholz für Adolf Meyer selbst, der am 24. Juli 1929 bei einem Badeunfall in der Nordsee vor Baltrum zu Tode kam.
Das dazugehörige Fragment, Meyers Gips-Vorlage für die Jesus-Figur am Kreuz des Grabsteins, hängt heute noch in der Mechernicher Steinmetzwerkstätte Simons am Stiftsweg.
Kleine, mit Bleistift fein säuberlich gemachten Markierungen im „Gesicht“ des Fragments fallen sofort ins Auge. „Die hat Adolf Meyer selbst eingezeichnet. Mein Großvater, gelernter Steinmetz, hat zusammen mit ihm daran gearbeitet“, berichtet Michael Simons. Die Markierungen wurden dann Punkt für Punkt mit einer Punktiermaschine von der Gipsvorlage in den Stein übertragen. Heute noch sei diese Rekonstruktions-Technik weit verbreitet.
Der Grabstein von einst steht heute, rund 90 Jahre nach der Erstellung, auf dem nördlichen Teil des Friedhofs, am Ende eines langen gepflasterten und doch leicht moosbewachsenen Weges, der gesäumt ist von kleinen Hecken. Es ist ein ausdrucksstarker Ort. Losgelöst nimmt das Kreuz dort eine Symbolfigur für diesen Teil des Friedhofs ein.
Beinahe wäre es jedoch unwiederbringlich verloren gegangen. „Das ist nicht sein Ursprungsplatz auf dem Mechernicher Friedhof, vorher stand es unweit der alten Kirche“, verrät Michael Simons. Dort sollte es seinerzeit abgebrochen werden. Der damalige Friedhofsamtsleiter Franz Josef Hahn und mein Vater Georg haben das Kreuz gerettet und an den jetzigen Ort umgesetzt, damit es der Nachwelt erhalten bleibt.“
Straßenzug gewidmet
Der frühere Amts- und Gemeindedirektor Norbert Leduc schrieb 1994 eine Artikelserie im Mechernicher „Bürgerbrief“, in der er unter anderem beklagte, dass die hiesigen Lokalzeitungen nie über den großen Sohn der Stadt schrieben.
Erst Everhard Maintz publizierte 1963 im Magazin des Eifelvereins über „den Eifeler und das Bauhaus Weimar“. Maintz, der in den zwanziger Jahren ein Bauhaus-Schlafzimmer von Meyer entwerfen ließ, propagierte schon damals, dass Mechernich „dem großen Sohn“ einen Straßenzug widmen werde. Ein Unterfangen, das Anfang der 2000er-Jahren an der Zuwegung zu den Pflegeeinrichtungen und dem Mutterhaus der Communio in Christo vom Kiefernweg aus Realität wurde.
Der von Adolf Meyer und Walter Gropius geprägte Baustil ist auch in die 2015 auf dem Communio-in-Christo errichtete Andachtskapelle eingeflossen, wie Kaspar Kraemer erklärt. Der Architekt des spirituellen und beeindruckenden Bauwerks macht deutlich, dass die Bauhaus-Vertreter Weichen stellten für nachfolgende Architekten-Generationen: “Ohne diese Architektur-Entwicklung, würde man heute nicht so selbstverständlich mit dem Baustil umgehen, der geprägt ist von klaren Linien und Reduktion auf das Wesentliche”, so Kaspar Kraemer, Architekt der Communio-in-Christo Kapelle, die in der Adolf-Meyer-Straße auf dem seit ihren Platz gefunden hat. Letztendlich seien einige Architekturmomente in das Bauwerk zusammengeschmolzen – von der Zahlen-Allegorie des Mittelalters eben bis hin zu Bauhaus.
Das Bauhaus selbst entstand in Weimar durch die Vereinigung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar mit der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar.
Sie wurde zum direkten Vorläufer des Bauhauses, das dann in van de Veldes Schulgebäuden seine Arbeit aufnahm. 1925 erfolgte der Umzug nach Dessau – ab 1926 im Gebäude des Bauhauses Dessau. 1932 musste das Bauhaus nach Berlin umziehen und wurde 1933 geschlossen.
Einfluss des Bauhauses
Der Einfluss des Bauhauses war so bedeutend, dass umgangssprachlich der Begriff Bauhaus oft auch mit der Moderne in Architektur und Design gleichgesetzt wird. Kunstgeschichtlich ist es jedoch problematisch, den sogenannten Bauhausstil und die Entwicklungen in Deutschland isoliert zu betrachten und Bauhaus als Stilbegriff, als Architekturstil oder Möbelstil, zu verwenden.
Die Entwürfe und Arbeiten von Lehrern und Schülern am Bauhaus werden daher als Teil von länderübergreifenden, längerfristigen Strömungen gesehen und unter Begriffen wie Funktionalismus, Klassische Moderne, Neue Sachlichkeit, Internationaler Stil, Neues Bauen eingeordnet.
Im Bauhaus wurden die traditionell getrennten Bereiche der bildenden Kunst, der angewandten Kunst und der darstellenden Kunst auf der Grundlage des Konzeptes miteinander verbunden, was wiederum starke Ausstrahlung auf Malerei, darstellende Kunst und Musik hatte.
1934 emigrierte Walter Gropius nach Angriffen der Nationalsozialisten auf das Bauhaus als der „Kirche des Marxismus“ nach England und 1937 weiter in die USA nach Cambridge, wo er als Professor für Architektur an der „Graduate School of Design“ der Harvard University tätig war. 1938 zog er in sein neu errichtetes Wohnhaus in Lincoln, Massachusetts, das heute unter der Bezeichnung Gropius House als National Historic Landmark im National Register of Historic Places eingetragen und der Öffentlichkeit als Museum zugänglich ist. Zu diesem Zeitpunkt war sein einstiger Mitstreiter aus Mechernich bereits neun Jahre tot.
pp/Agentur ProfiPress