Den „Faust“ hautnah kennengelernt
Literaturkurs des Hermann-Josef-Kollegs nahm sich des Goethe-Klassikers an – Szenen spielten auf dem gesamten Gelände – Schüler schufen Inszenierung mit drei Ebenen
Kall-Steinfeld – Ehrlicher hätte die Aufführung des „Faust in Steinfeld“ wohl kaum beginnen können. „Wann soll ich den denn gelesen haben?“, fragte Sebastian Fehringer auf die Frage seiner Mitschüler, ob er Goethes Faust denn nicht gelesen habe. „Im Unterricht?“, so die fragende Antwort von Sarah Jenniges. „Ganz bestimmt nicht“, kam es lapidar zurück.
Generationen von Schülern haben den Literaturklassiker im Unterricht bereits seziert. „Die Schüler müssen ihn laut Richtlinien für das Zentralabitur im Fach Deutsch gelesen haben“, erläutert Michael Schmitz, Lehrer am Steinfelder Hermann-Josef-Kolleg. Im Literaturkurs der Jahrgangsstufe Q1 knüpfte Schmitz an den Deutsch-Unterricht an und Faust mit den Schülern auch auf die Bühne.
Allerdings nicht nur auf die Bühne, sondern an neun verschiedene Orte in und um das Kolleg. „Der Kurs ist in jedem Jahr ausgerichtet auf eine Produktion“, schildert Schmitz. So zählten auch Schauspieltraining, Pressearbeit und Filmproduktion zum Unterrichtsinhalt. Das Ergebnis sollte in einer öffentlichen Aufführung münden. „Klar war, dass wir scheitern werden, wenn wir Faust in klassischer Weise aufführen“, so Schmitz. Also entwarf der Kurs seine eigene Inszenierung des Stoffes. Damit alle 30 Schüler ihren Platz fanden, wurden die Figuren in den verschiedenen Szenen immer wieder von anderen Jugendlichen dargestellt. „Am Anfang haben wir uns überlegt, was man an zentralen Ereignissen für den Faust wissen muss“, erklärt Schmitz. So wurden gemeinsam Szenen ausgewählt und bei Bedarf zusammengefasst und gekürzt. „Es kam früh zum Prozess, dass die Schüler in Gruppen einzelne Szenen überlegt haben“, führt er weiter aus.
Die Schüler hoben das Stück auf drei Ebenen. Da Sebastian Fehringer den Faust – natürlich nur in seiner Rolle – nicht gelesen hatte, erklärten Sarah Jenniges und Felix Plaga anhand der Spielszenen das Werk und wanderten mit ihm und dem Publikum von Spielort zu Spielort. Dort stellten ihre Mitschüler die zweite Ebene, nämlich die von Goethe geschriebenen Szenen, dar. Los ging es auf der Bühne der Aula, auf der Sarah und Felix die Schauspieler drapierten und Faust und Gretchen auf Sackkarren dazu schoben. Diese lustigen Einschübe entstammten der Kreativität der Schüler. Ebenso wie die Kommentare in heutiger Jugendsprache.
Im Studierzimmer, das in einem Klassenzimmer dargestellt wurde, offenbarte sich die dritte Ebene. Neben dem Original Goethes wurde die Szene parallel dazu in der heutigen Zeit verortet. Geschickt nutzte der Kurs die Gegebenheiten vor Ort als Kulisse – sei es die gepflasterter „Viehgasse“, das Marienbild im Freien oder gar die Basilika mit ihrer Orgel. Die zahlreichen Zuschauer belohnten die Arbeit der Schüler am Ende mit starkem Applaus.
pp/Agentur ProfiPress