„So ein Abend in der Eifel macht Mut!“
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann begeistert beim Forum „Werte schaffen Werte“ der VR-Bank Nordeifel 1100 Genossenschaftsmitglieder und Gäste – „Geiz ist nicht geil, sondern eine ausgesprochen unangenehme Charaktereigenschaft“ – VR-Bank-Vorstandsvorsitzender Bernd Altgen versprach am Ende: „Wir entwickeln unsere Wertegemeinschaft der Mitglieder zu einem kraftvollen Netzwerk für eine gemeinsame gute Zukunft in der Nordeifel.“
Schleiden-Vogelsang/Eifel – „Ich habe noch nie erlebt, dass in einem Saal mit so vielen Menschen eine so dichte Atmosphäre herrscht“: Die frühere evangelische Landesbischöfin Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann war sichtlich angetan vom Forum „Werte schaffen Werte“ der VR-Bank Nordeifel vor rund 1100 Zuschauern im historischen Kinosaal Vogelsang.
Spürbar schlugen der resoluten geradlinigen Theologin die Herzen der Eifeler entgegen. Als VR-Bank-Vorstandsvorsitzender Bernd Altgen sie nach einstündigem energiegeladenem Referat fragte, ob sie denn nicht manchmal der Mut als „notorische Weltverbesserin“ verlassen habe, antworte Margot Käßmann unumwunden: „Doch, das kommt vor. Aber so ein Abend in der Eifel ermutigt mich dann wieder.“
Donnernder Applaus quittierte nicht nur diese Bemerkung der engagierten Christin, die den Abend nutzte, um für christliche Positionen und Überzeugungen zu werben, denen sie nach wie vor wichtigen Platz in einer werteorientierten europäischen Gesellschaft und Wirtschaft zuspricht.
Plädoyer für die Genossenschaftsidee
„Es gibt Systeme, die sind ethisch geeigneter als andere, weil sie sich am Menschen orientieren“, sagte Käßmann und lobte den Genossenschaftsgedanken: „Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch haben mit ihrer Idee »Hilfe zur Selbsthilfe« christliches Gedankengut umgesetzt.“
Ausgehend von den zehn Geboten legte die frühere evangelische Landesbischöfin ihren Eifeler Zuhörern dar, wie sehr unsere Gesellschaft von christlichem Gedankengut geprägt ist bis auf den heutigen Tag – wenn sie das auch nicht mehr bewusst wahrnehme und zum Teil sogar leugne.
Wie ihre bislang ausschließlich männlichen Vorgänger Heiner Geißler, Roman Herzog und Uli Wickert, die auch schon auf dem Forum „Werte schaffen Werte“ der VR-Bank Nordeifel zu Gast waren, plädierte Margot Käßmann in Vogelsang gegen pure Geldmacherei und Gewinnmaximierung als einzige Triebfedern des Wirtschaftssystems.
„Ökonomie kommt vom griechischen Wort für »Haus«, Oikos“, dozierte die Professorin: „Und in diesem Haus wirtschaften wir, um darin leben, beten und unsere Kinder erziehen zu können.“ Die wichtigen Dinge im Leben könne man nicht kaufen, so Käßmann: „Glück, Liebe, Freundschaft, Familie . . .“
Gier sei dem Gemeinsinn abträglich, so die Theologin. Geiz sei keine Tugend, wie ein plumper Werbespruch behaupte, den die Gesellschaft begeistert zu adaptieren scheine: „Können Sie sich vorstellen, dass einer sagt: »Schatz, ich liebe dich, weil du so herrlich geizig bist?«“ Was die Bundesrepublik und Europa brauche, sei eine „Kultur des Genug“. Käßmann: „Wir haben alles, aber wir jagen Schnäppchen und jammern über alles und jedes.“
„Manche Banken haben aus der Krise nichts gelernt“
Schenken sei eine von Gott gebotene Tugend. Reichtum werde in der Bibel nicht geächtet. Die Mahnung, dass eher ein dickes Schiffstau durch ein Nadelöhr passe als ein Reicher in den Himmel, beziehe sich auf die Vergötterung von Geld und Besitz. Man könne sehr wohl mit Geld Gutes bewirken, zitierte Käßmann die christliche Schriftstellerin Gertrud von Lefort, die im Alter bemerkte: „Alles, was mir bleibt, ist das, was ich verschenkt habe . . .“
Die Werte, die für den einzelnen Menschen und soziale Gemeinschaften gelten, seien im Prinzip auch auf die Wirtschaft übertragbar, so Margot Käßmann. „Manche Banken haben aus der Krise nichts gelernt“, erklärte die prominente Referentin: „Da ist es etwas ganz anderes, wenn hier genossenschaftlich und verantwortlich vor Ort gewirtschaftet wird.“
Käßmann plädierte mit Fingerzeig zur Banken- und Eurokrise dafür, dass „Menschen selbstverständlich Fehler machen dürfen und Fehler machen“, wehrte sich aber dagegen, dass der Staat diese Fehler dann beheben muss: „Wer Fehler macht, soll auch Verantwortung übernehmen und nicht nach dem Staat rufen!“
Immer wieder wurde die rund einstündige Rede, die auch mit vielen humorvollen Passagen gewürzt war, von Zwischenapplaus unterbrochen. Bernd Altgen hatte es geahnt, dass Margot Käßmann die Eifeler faszinieren würde. „Sie sind eine Frau, die das verkörpert, was uns Eifelern am meisten imponiert: Sie haben Rückgrat!“
Noch bevor Margot Käßmann das erste Wort gesagt hatte, spürte Altgen die energiegeladene Atmosphäre im Saal und die Erwartung der 1100 Gäste auf eine Rede, die ihr ethisches Fundament und ihr Leben bereichern könnte.
Diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Margot Käßmann forderte die Menschen auf, ein eigenes und auf christlichen Tugenden stehendes Wertegerüst zu errichten und dann auch konsequent danach zu leben. „Was weiß ich, wie lange ich noch habe: einen Tag, ein Jahr oder zehn? Ich muss lernen, verantwortlich zu leben und meinen Lebensinn zu finden.“ Und das tunlichst in Gemeinschaft mit anderen.
„Jeder muss im Leben mal nehmen und mal geben“
Es sei wichtig, seine „Haltung“ zu finden. Tradition und Rituale, wie sie die Kirchen anbieten, gäben Halt und Orientierung. „Jedes Kind sollte zwei Geschichten und zwei Gebete kennen, die es mit ins Leben nimmt“, sagte Margot Käßmann: „Denn manchmal verschlägt dieses Leben einem die Sprache und man kann dann auf Worte zurückgreifen, die nicht die eigenen sind . . .“
Ohne Werbebotschaften zu verbreiten, ergriff die prominente Theologin beim Forum „Werte schaffen Werte“ Partei für eine Solidargemeinschaft, wie sie die Genossenschaften darstellen: „Wir alle müssen nehmen, und wir müssen auch geben. Wir waren alle mal Säuglinge, da waren wir auf andere angewiesen, dann durchlebt – hoffentlich jeder – mal eine Phase, in der er stark ist und abgibt, und dann blüht uns wieder das Alter, in dem wir wieder zunehmend auf die anderen angewiesen sind.“
Bernd Altgen versprach: „Wir sind mit über 40 % der Bevölkerung eine starke Gemeinschaft – die stärkste Personengemeinschaft dieser Region. Und wir werden diese große Wertegemeinschaft der Mitglieder der VR-Bank Nordeifel zu einem kraftvollen Netzwerk für eine wertvolle Zukunft unserer Heimat und der Menschen weiterentwickeln, z.B. mit genossenschaftliche Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen der Region..“ Der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Nordeifel unterstrich das Ineinandergreifen von Wirtschaft und Werten in der sozialen Marktwirtschaft: „Sozial ist zunächst der, der dafür sorgt, dass was zum Verteilen da ist. Und dann erst der, der es verteilt.“ Zum Publikum gewandt, sagte Altgen am Schluss: „Sie sind Teil einer Gemeinschaft, die gemeinsam alles das bewegen kann, was der einzelne nicht schafft.“
Der Bankleiter moderierte eine Frage- und Diskussionsrunde mit dem Publikum, die auch zu ganz praktischen Fragen führte, wie der „Verführung“ Minderjähriger durch Internet und Handyverträge. Margot Käßmann riet dazu, „das Locken in die Schuldenfalle zu skandalisieren“.
Bernd Altgen nannte als Beispiel seiner Bank das von der WGZ-Bank-Stiftung ausgezeichnete Unterrichtsprojekt der VR-Bank-Ausbildungs-leiter für Nordeifeler Schulen. Damit klären sie die Jugendlichen der Region auf, wie Sie die Schuldenfalle durch schnelles Kaufen im Internet oder per Handy-Verträgen vermeiden können. Und damit zugleich eigenverantwortliches Wirtschaften lernen.
pp/Agentur ProfiPress