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Sicherer Hafen für Kinder in Not

Das Kinderhaus St. Josef in Breitenbenden ist seit acht Jahren die neue Heimat traumatisierter Kinder

Mechernich-Breitenbenden – Ein Haus mit großer, gemütlicher Wohnküche, viele Spielsachen, Musikinstrumente und Bücher, durch den Garten stromert Berner Sennenhündin „Flay“, es gibt Kaninchen und Meerschweinchen. Das Zuhause einer ganz normalen Familie mit neuen Eltern und mit neuen Geschwistern für die meisten Kinder.

Für Außenstehende kaum erkennbar, bietet das Kinderhaus St. Josef Kindern und Jugendlichen, die in ihren Ursprungsfamilien so Schlimmes erlebt haben, dass sie dort nicht bleiben konnten, seit acht Jahren in Breitenbenden eine neue Heimat. Seit über 30 Jahren setzt sich das Ehepaar Maria und Hans-Günther Giesen für Kinder in Not ein.

Mehr als verdreifacht hat sich laut einer Information des Institutes für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. seit 2005 die Anzahl der Kinder, die dauerhaft aus ihren Familien herausgenommen werden mussten. Im Kinderhaus St. Josef in Breitenbenden haben einige von ihnen eine neue Heimat gefunden. Foto: S. Hofschläger/Pixelio
Mehr als verdreifacht hat sich laut einer Information des Institutes für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. seit 2005 die Anzahl der Kinder, die dauerhaft aus ihren Familien herausgenommen werden mussten. Im Kinderhaus St. Josef in Breitenbenden haben einige von ihnen eine neue Heimat gefunden. Foto: S. Hofschläger/Pixelio

Über die Biographien der bei ihnen lebenden Kinder schweigen sie sich aus. Nichts ist den Kinderhauseltern wichtiger, als dass ihre Schützlinge so normal wie möglich leben. „Sie haben alle eine komplizierte Vergangenheit. Das hier ist ihr neues Zuhause, mit dem sie sich voll und ganz identifizieren“, sagt Hans-Günther Giesen, der sich als Unternehmensberater zum einen um die betriebswirtschaftliche und rechtliche Leitung des Kinderhauses kümmert. Daneben hat er sich über viele Jahre hinweg und in ständiger enger Zusammenarbeit mit Experten den fachlichen Hintergrund im Umgang mit traumatisierten Kindern erworben. Ehefrau Maria Giesen ist staatlich anerkannte Erzieherin mit Montessori-Diplom und hat in der freien Jugendarbeit unter anderem mit kriegstraumatisierten Kindern und Jugendlichen im eigenen Haus gearbeitet.

Beide sind          aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation in der Lage zu erkennen, wie sich Traumata auf Verhalten, Empfinden und Denken auswirken. „Traumata verändern das Gehirn, es befindet sich in ständiger Alarmbereitschaft“, erklärt Hans-Günther Giesen. Dies könne dazu führen, dass traumatisierte Kinder bereits bei Kleinigkeiten ihren inneren Halt verlieren. Den Erlebnissen, die diese Kinder in ihren Herkunftsfamilien gemacht haben, begegnet man im Kinderhaus St. Josef mit einer familienähnlichen Struktur, in der Verlässlichkeit groß geschrieben wird.

Hans-Günther Giesen, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Maria das Kinderhaus St. Josef in Breitenbenden führt und dort unter anderem musiktherapeutisch mit traumatisierten Kindern arbeitet, will auf den steigenden Bedarf an geschütztem Raum für traumatisierte Kinder reagieren und die Arbeit des Kinderhauses deutlich ausweiten. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress
Hans-Günther Giesen, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Maria das Kinderhaus St. Josef in Breitenbenden führt und dort unter anderem musiktherapeutisch mit traumatisierten Kindern arbeitet, will auf den steigenden Bedarf an geschütztem Raum für traumatisierte Kinder reagieren und die Arbeit des Kinderhauses deutlich ausweiten. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Jedes Kind hat sein eigenes Zimmer, in das es sich zurückziehen und das es nach seinem Geschmack gestalten kann. Hinzu kommen Gemeinschaftsräume, etwa für Schularbeiten oder fürs Fernsehgucken, und ein großes Wohnzimmer, in dem gemeinsam musiziert wird. Platz zum Spielen und Toben bieten auch der große Waldgarten und eine Blockhütte hinter dem Haus. Das Herz des Hauses aber ist die 60 Quadratmeter große Wohnküche, wo Erwachsene und Kinder nicht nur zum Kochen und Essen zusammenkommen, sondern wo sich ein Großteil des sozialen Miteinanders abspielt.

Wichtig ist den Giesens die Orientierung an einem normalen Familienleben. Dazu gehört auch, dass die engsten Bezugspersonen, zu denen neben dem Ehepaar Giesen selbst auch dessen beide erwachsene Töchter gehören, vierundzwanzig Stunden gemeinsam mit den Kindern im Haushalt leben.

„Bei unserer Arbeit mit den Kindern orientieren wir uns an den Erkenntnissen der neurobiologischen Hirnforschung“, sagt Hans-Günther Giesen. Zu den weiteren externen Stellen, mit denen das Kinderhaus St. Josef in ständigem Kontakt steht, zählen Jugendämter, Vormünder, das Landesjugendamt, Fachverbände, die Schulberatungsstelle des Kreises Euskirchen sowie die von den Kindern besuchten Schulen.

Beim Kinderhaus St. Josef handelt es sich um eine Kleinsteinrichtung in der gesetzlichen Kinder- und Jugendhilfe mit gewollt familiärem Charakter. In der Außenwirkung Institution, im Innenverhältnis Familie. Die meisten Kinder und Jugendlichen, die in Breitenbenden eine neue Heimat gefunden haben, werden auf ein selbständiges Leben nach Schule und Ausbildung vorbereitet. Sie bestimmen – wie auch alle anderen jungen Menschen – selbst, wann sie das Nest verlassen, um ihr eigenes Leben zu führen. „Auch ein Bleiben ist schon wegen der großen Wohnfläche möglich, um hier eigene vier Wände im Zuhause einzurichten“, lässt Kinderhausvater Hans-Günther Giesen seinen Schützlingen alle Optionen offen.

Das bedeutet, dass die Kapazitäten des Kinderhauses St. Josef trotz des steigenden Bedarfs dauerhaft ausgeschöpft sind.

Statistiken zufolge nehmen die Fälle, in denen Kinder zu ihrem eigenen Schutz zeitweise oder dauerhaft von ihren Familien getrennt werden müssen, beständig zu. Und ebenso steigt der Bedarf, für die traumatisierten Kinder einen sicheren Hafen zu finden. Nach Angaben des Familienministeriums auf eine Anfrage der Piraten-Partei stieg die Zahl der sogenannten vorübergehenden Inobhutnahmen allein in Nordrhein-Westfalen von 7.910 im Jahr 2002 auf 10.617 im Jahr 2011. Das ist eine Zunahme um 34 Prozent. Dauerhaft mussten im Jahr 2011 in NRW 200 Kinder aus ihren Familien herausgenommen werden. Und die Tendenz ist steigend: „Zahl der Inobhutnahmen im Jahr 2012 auf neuem Höchststand“ meldete das Statistische Bundesamt in einer Pressemeldung im August 2013. In einem Drittel der Fälle schloss sich an die Inobhutnahme eine Hilfe zur Erziehung an, in drei von vier Fällen bedeutete das eine Erziehung außerhalb des eigenen Elternhauses. In 5.300 Fällen (13 Prozent) war die Unterbringung in einem Krankenhaus oder in der Psychiatrie notwendig.

Wie das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. Ende des vergangenen Jahres berichtete, hat sich die Anzahl der „Herausnahmen“ aus Familien seit 2005 mehr als verdreifacht. „Wöchentlich erhalte ich aus ganz Nordrhein-Westfalen zwei Anfragen bezüglich Aufnahmen“, so Hans-Günther Giesen. „Sowohl diese Entwicklung als auch die Zunahme psychischer wie physischer Gewalt mit multiplen traumatischen Langzeitfolgen schon bei Kleinstkindern sowie Kindern und Jugendlichen bestärken uns darin, die Arbeit des Kinderhauses in einem deutlich erweiterten Umfang fortzusetzen“, kündigt er an.

Thomas Hambach, Erster Beigeordneter der Stadt Mechernich, sieht dafür im Stadtgebiet Mechernich beste Voraussetzungen gegeben: „Die Nähe zur Natur und die vielfältige Mechernicher Schullandschaft sowie das Kreiskrankenhaus Mechernich mit seiner Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin vor Ort bieten einer therapeutischen Einrichtung für traumatisierte Kinder die optimalen Standortbedingungen.“

pp/Agentur ProfiPress