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Gemeinsam zum Wunschgewicht

Seit einem Jahr trifft sich im Mechernicher Caritas-Haus die 1. Adipositas-Selbsthilfegruppe im Kreis Euskirchen

Die Teilnehmer der Adipositas-Selbsthilfegruppe Mechernich moti-vieren sich gegenseitig beim Abnehmen und tauschen Erfahrungen aus. Sie müssen sich nicht gegenseitig erklären, warum der letzte Schwimmbadbesuch schon zehn Jahre her ist oder warum man in der Gastronomie nicht auf jedem Stuhl sitzen kann. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

MechernichDie Adipositas-Selbsthilfegruppe Mechernich feiert am kommenden Samstag, 11. Januar, um 16 Uhr, im Mechernicher Caritashaus, Weierstr. 25 ihr einjähriges Bestehen. In der November/Dezember-Ausgabe 2013 von „vigo“, der Apothekenzeitung der AOK Rheinland/Hamburg, berichtete die Agentur ProfiPress über die weit und breit einzige Selbsthilfegruppe für Übergewichtige und an Adipositas Erkrankte. Hier der Bericht:

Für viele krankhaft übergewichtige Menschen wird der eigene Körper zur lebensbedrohlichen Last. Und wen das Übergewicht noch nicht krank gemacht hat, der verzichtet zumindest auf viel Lebensqualität. Viele der Betroffenen schaffen es nicht einmal mehr, sich die Schuhe selbst zubinden. Sie verlassen kaum noch die Wohnung, ihr starkes Übergewicht treibt sie in die Isolation.

„Vier Jahre lang bin ich fast nicht mehr vor die Tür gegangen“, sagt Rolf Müller. Schon bevor der Zeiger auf der Waage die 190-Kilogramm-Marke fast erreicht hatte, warnte ihn sein Arzt, der Mechernicher Dr. Frank Gummelt: „Wenn Du so weitermachst, gebe ich Dir kein Jahr mehr.“

Zwei Bandscheibenvorfälle hatte er hinter sich, litt an Bluthochdruck, sein Herz-Kreislauf-System war lebensgefährlich beeinträchtigt. Die deutlichen Worte des Arztes waren für den heute 39-jährigen Vater von sechs Kindern ausschlaggebend, seinem extremen Übergewicht den Kampf anzusagen. Das wollte er nicht im Alleingang, stellte aber fest, dass es im Umkreis von 50 Kilometern keine Anlaufstelle für übergewichtige Menschen gab. Kurzerhand gründete er selbst eine Selbsthilfegruppe und holte mit dem Internisten Frank Gummelt gleich einen der ersten Unterstützer mit ins Boot.

Am 1. Dezember vor gut einem Jahr wurde der Schulungsraum, den die Caritas kostenlos zur Verfügung stellt, zu klein: Bereits zum ersten Treffen erschienen mehr als 50 Gleichgesinnte. Kam man anfangs monatlich zusammen, so wurde bald der Ruf nach kürzeren Intervallen laut. „Das zeigt, wie groß der Bedarf ist“, so Rolf Müller. Seitdem finden die Gruppentreffen jeden zweiten und vierten Samstagnachmittag statt.

Übergewichtige leiden oft unter Beleidigungen

Hier können sich die Betroffenen austauschen, ohne dass ihre Fettleibigkeit Anlass gibt zu demütigenden Kommentaren. Denn von Diskriminierungen im Alltag können die meisten ein Lied singen. Schiefe Blicke von der Seite sind noch das Harmloseste. Selbst Ärzte setzen ihren Patienten zu. „Versuchen Sie es doch mal in der Tierklinik“, habe ihm ein Arzt nach einer misslungenen Röntgenuntersuchung mit auf den Weg gegeben, berichtet Rolf Müller. „Wie oft habe ich mir schon ein Loch zum Versinken herbeigewünscht, wenn wildfremde Leute abfällige Bemerkungen machen“, erzählt eine Frau, die anonym bleiben möchte. „Wer auch immer sich erdreistet, etwas zu sagen, weiß doch gar nicht, warum die Person so dick ist.“

Bei manchen Gruppenteilnehmern ist das zwanghafte Essverhalten schlicht anerzogen. „Ich kenne mich gar nicht schlank. Meine Eltern waren stolz auf meine Fettwulste. Vom Tisch aufstehen durfte man erst, wenn der Teller leer war“, erzählt eine Frau. Übereinstimmend geben die meisten an, vor allem falsch – zu fett, zu süß – gegessen zu haben, oft wider besseres Wissen.

„Theoretisch könnten wir Bücher schreiben“, schmunzelt die 53-jährige Josy Sauer. „25 Kilo runter – 30 Kilo rauf“, beschreibt sie ihre persönliche Diätkarriere. Obwohl sie eine attraktive und gepflegte Erscheinung und (noch) nicht krank ist, will sie mit Unterstützung der Gruppe abnehmen. „Ich mache mir schon Gedanken über gesundheitliche Probleme im Alter. Dabei denke ich auch an die, die mich vielleicht einmal pflegen müssen“, erklärt sie. Und einen weiteren Grund gibt es: „So gehe ich nicht mit meinen Enkeln ins Schwimmbad.“

Mit langsamer Abnahme und gesundem Essen zum Ziel

Doch was macht die Gewichtsabnahme so schwer? „Es ist wie eine Sucht“, sagen unisono Josy Sauer und Rolf Müller. „Die Psyche spielt eine große Rolle“, bestätigt die Diplom-Ökotrophologin Stephanie Robers aus Bad Münstereifel. Sie und die Mechernicher Apothekerin und Ernährungsberaterin Annemarie Auer gehören seit der ersten Stunde  zum begleitenden Expertenteam der Selbsthilfegruppe. Beide raten von Diäten ab und empfehlen stattdessen eine langsame Abnahme durch konsequente Umstellung auf vollwertige Mischkost. „Lieber über einen langen Zeitraum mit vernünftiger Ernährung abnehmen. Das hilft auch, das Zielgewicht langfristig zu halten“, rät Robers. Annemarie Auer ermuntert ihre Kursteilnehmer, Ziele und Wünsche aufzuschreiben. „Das hilft vielen, auf ihrem Weg voranzukommen.“

Nach ihrem persönlichen Wunschziel befragt, muss eine der Gruppenteilnehmerinnen nicht lange überlegen: „Mit den Kindern shoppen gehen und kaufen, was mir gefällt und nicht, was mir passt!“

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pp/Agentur ProfiPress