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EU verordnet Bauern Brachland

Landwirte aus dem Stadtgebiet Mechernich wählten Dr. Heinrich Weidenfeld (Kommern) und Frank Rang (Lückerath) zu ihren „Ortsstellen“-Vertretern – Landwirte kritisieren Landaufkäufe durch Unternehmen und Kommunen

Mechernich – Eis und Schnee dürften die Bauern eigentlich nicht davon abhalten, zu einer wichtigen Versammlung zu gehen, befand Kreislandwirt Hans Schorn am Montagabend im Gasthof „Zum Krebsbachtal“ im zur Stadt Mechernich gehörenden Dorf Breitenbenden. Dorthin hatten er und die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen die Landwirte aus den Städten Mechernich und Bad Münstereifel einbestellt, damit sie ihre jeweiligen „Ortsstellen“ wählen.

Jede „Ortsstelle“ besteht pro Kommune aus zwei Bauern, die die Interessen ihrer Zunft gegenüber Planern und Behörden vertreten und die das Bindeglied in jedweden Problemen und Angelegenheiten zwischen dem einzelnen Bauern und dem Kreislandwirt bilden. Nur knapp 20 Agrarier, aus jeder Kommune rund zehn, erschienen zu der Wahlversammlung, weit weniger als sonst.

In der Stadt Mechernich bekam Dr. Heinrich Weidenfeld aus Kommern die meisten Stimmen und wurde neuer Chef der Ortsstelle Mechernich, ihm zur Seite steht Frank Rang aus Lückerath, der nur eine Stimme weniger als Weidenfeld erhielt. Zu Stellvertretern der beiden Ortsstellenlandwirte wurden Hans-Josef Spilles (Eicks) und Ferdinand Inden (Floisdorf) gewählt. Die Ortsstelle Bad Münstereifel wurde in geheimer Wahl mit Erich Hoven und Erwin Assenmacher besetzt, Stellvertreter sind Hermann Schumacher und Peter Bützler.

Ewald Adams, der Leiter der Bezirksstelle für Agrarstruktur der Landwirtschaftskammer NRW in Düren, bereicherte den Wahlabend mit zwei Referaten. Und zwar einem zum Grundstücksverkehrsgesetz, das sicherstellen soll, dass keine Nicht-Landwirte im großen Stil Acker-, Weide- und Forstflächen an sich bringen, indem es Bauern ein Vorkaufsrecht einräumt.

Den Slogan „Bauernland in Bauernhand“, mit dem die Landwirtschaftszeitung „LZ“ unlängst getitelt hatte, fand Adams in der Praxis der 703 Verkäufe aber nicht bestätigt, die im vergangenen Jahr von ihm und seinen Mitarbeiter/innen in der Bezirksstelle Düren abgewickelt worden waren. Wenn Kapitalanleger Ackerland kaufen wollten und sich gleichzeitig durch langfristige Pachtverträge (mindestens neun Jahre) an bewirtschaftende Bauern binden, habe die Kammer kaum Möglichkeiten, einzuschreiten.

Ihr müsse es ja vordergründig nicht darum gehen, dass zu verkaufendes Ackerland wieder in den Besitz von Bauern kommt, sondern der Gesetzgeber habe die Kammern auf die „Verbesserung der Agrarstruktur“ eingeschworen. Nach Lange der Dinge setzten große und weiter expandierende Betriebe heutzutage aber vorrangig auf Pachtflächen, nicht unbedingt auf Eigentum. Deshalb sei es streng genommen tatsächlich eine „Verbesserung der Agrarstruktur“, wenn Ackerland durch den Ankauf Berufsfremder aus Eigentum in Pachtland überführt werde.

Die Landwirte kritisierten nicht nur das Grundstücksverkehrsgesetz (Hans-Josef Spilles: „Eine stumpfe Waffe!“), sondern auch den Ankauf großer Ländereien durch institutionalisierte Aufkäufer wie RWE Power (ehemals Rheinbraun) oder Kommunen. Letztere überböten die eventuell auch am Ankauf der Ländereien interessierten Landwirte („Preistreiberei“), um das Land für eigene Zwecke zu parzellieren und zum Beispiel für städtische Bau- und Gewerbegebiete zu nutzen.

Dr. Heinrich Weidenfeld: „Überbietet der Landwirt dann die Kommune, wird natürlich nichts aus dem vorher entwickelten Baugebiet – und der Landwirt ist im Prinzip gezwungen worden, Ackerland zu stark überhöhten Preisen zu kaufen.“

Kreislandwirt Hans Schorn hatte Verständnis für den Unmut seiner Berufskollegen, aber auch für die Städte und Gemeinden im Kreis: „Auch wenn wir uns darüber ärgern, die Kommunen müssen oft so agieren, indem sie ganze zum Verkauf stehende Betriebe erwerben, um ihre Stadtplanung voranzubringen.“

Im Jahr 2011 hatte die Kammer 703 Eigentumsübertragungen von über 1100 Hektar landwirtschaftlicher Ländereien begleitet, darunter 489 waschechte Verkäufe, 104 Übertragungen und 49 Erbschaften. Der größte Batzen entfiel mit 145 Verkäufen von insgesamt 698 Hektar Land auf den Kreis Euskirchen. Der Durchschnittspreis lag bei 2,62 Euro.

Die zweitmeisten Besitzerwechsel fanden im Kreis Düren mit 94 Fällen über 316 Hektar statt, der Durchschnittspreis belief sich dort auf 3,33 Euro. Im ebenfalls von der Bezirksstelle Düren betreuten Kreis Aachen wechselten 119 Hektar in 45 Teilverkäufen bei einem Durchschnittspreis von 2,82 Euro die Besitzer.

In einem zweiten Referat versuchte sich Ewald Adams als Prophet zukünftiger Agrarprämien. „Tendenz sinkend“ lautete seine niederschmetternde Voraussage in Hinblick auf die gemeinsame Agrarpolitik der EU (Agrarreform GAP 2014/2020) nach dem Jahr 2013. Es gebe eine allgemeine Umschichtung der Agrarprämien vom Westen in den Osten Europas. Deutschland liege mit durchschnittlich 344 Euro pro Hektar in etwa im Mittelfeld der Prämienhöhe zwischen Lettland (77 Euro) und Griechenland (576 Euro).

Ein Problem für die auf hervorragenden Böden wirtschaftenden Bördenbauern werde auch die neuerdings als „Greening“ wieder in der Diskussion befindliche Flächenstillegung. Sieben Prozent der Flächen eines Betriebes, so Stand der Vorschläge von EU-Kommissar Dacian Ciolos, müssten demnach bald wieder brachgelegt oder zumindest nur mit Gräsern oder anderen im weitesten Sinne als „ökologisch“ eingestuften Zwischenfrüchten bebaut werden. Hans Schorn: „Das ist auch ein ethisch-moralisches Problem: „Wie kann man mit gesundem Menschenverstand besonders wertvolle und produktive Flächen aus der Produktion nehmen? Am Rand der Sahara wachsen keine Kartoffeln!“

Ein Landwirt aus dem Höhengebiet der Stadt Mechernich prophezeite: „Die Bördenbauern werden die sieben Prozent in der Eifel zupachten – und das Problem zu uns verlagern.“ Nicht in der Börde werde es Brachland geben, sondern in der Eifel. Die dortigen Bergbauern würden von den Bördenbauern beim Pachtzins überboten, damit die Flachländer im Hölhengebiet auf wenig ertragreichen Böden ihre EU-gesetzeskonformen Brachländereien „anlegen“ könnten.

pp/Agentur ProfiPress