Sistiger wünschen sich Jugendtreff
Bei der zweiten Veranstaltung zum Thema altengerechte Quartiere wurden Projekte erarbeitet – Auch eine Koordinationsstelle Handwerk und ein Hobby- und Freizeit-Treffpunkt sind gefragt – Volle Punktzahl für Quartiersmanagerin
Kall-Sistig – Bürgerversammlungen laufen im Regelfall folgendermaßen ab: Vorne steht mindestens eine Person, die etwas erzählt, und die Besucher hören zu. Beim Projekt Altengerechte Quartiere NRW in Sistig, einem Förderprogramm des Landesgesundheitsministeriums, ist das anders. Das funktioniert nur, wenn sich die Bürger beteiligen. Das hat bei der ersten Dorfwerkstatt Ende August wunderbar funktioniert. Dabei hatten die Sistiger klar geäußert, was ihnen im Ort gefällt und was nicht. Friederike Büttner, Quartiersmanagerin beim Kreis Euskirchen, hatte diese Inhalte geordnet und thematisch sortiert. Bei der zweiten Dorfwerkstatt, die jetzt im Hubertushof bei Schopps über die Bühne ging, war erneut das Engagement der Bürger gefragt. In Kleingruppen sollten die 33 Besucher sich verschiedenen Themengebieten widmen und Projekte herausarbeiten.
Diese Art des Arbeitens, die in den meisten beruflichen Seminaren so üblich ist, irritierte die Sistiger zunächst aber – es gab sogar welche, die den Saal der Gaststätte verließen. Doch als die erste Scheu überwunden war, erarbeiteten die 30 verbliebenen Dorfbewohner konzentriert, teils heftig diskutierend, aber auch mit viel Spaß Projekte, die ihnen am Herzen lagen. In vier Gruppen, bestehend aus vier bis zehn Personen, widmeten sie sich den fünf Themengebieten Wohnen und Leben, Infrastruktur „Unsere Zukunft“, Mobilität und Verkehr sowie Zusammenleben/Vereine bzw. Örtliche Sozialstruktur/Zusammenleben.
Insgesamt 14 Projektideen entstanden so. Jede Gruppe stellte ihre Vorschläge vor, anschließend erhielten die 30 Teilnehmer je drei Punkte, die sie an die Projekte verteilten, die ihnen am besten gefielen. Dabei war es auch erlaubt, alle drei Punkte an ein Projekt zu vergeben.
Das Ergebnis nach der einstündigen Gruppenarbeit war eindeutig: Auch wenn es so explizit nicht genannt wurde, wollen die Sistiger, dass ihre alte Schule am Kirchplatz 1 wieder genutzt wird. Dazu ist aber eine Komplettsanierung fällig. Fördermittel für das Konzept „Multifunktionshaus Arnica“ wurden zwar in Aussicht gestellt. „Die Nutzungsmöglichkeiten sind aber mit der Bürgerschaft abzustimmen“, sagte Bürgermeister Herbert Radermacher. Nur in Zusammenarbeit mit den Bürgern sei eine erfolgreiche und nachhaltige Nutzung sicherzustellen. Außerdem müssten die Entwicklung in Sistig und das geplante Haus der Begegnung in Kall aufeinander abgestimmt werden, so Radermacher weiter. Auch Friederike Büttner machte deutlich. „Nur weil diese Projekte in der alten Schule stattfinden könnten, heißt das aber noch nicht, dass sie auch umgebaut wird.“ Voraussetzung für die Sanierung der alten Schule sei unter anderem das positive Interesse der Sistiger an der Sanierung. Eine offene Dorfwerkstatt hierzu soll am Montag, 7. November, im Hubertushof bei Schopp’s stattfinden.
Den meisten Sistigern fehlt vor allen Dingen eines: ein zentraler Treffpunkt für die Jugend. Dieses Thema hatten gleich zwei der Gruppen thematisiert. Der Jugendklub, der sich zuletzt im Sportlerheim am Rande des Dorfs traf, ist mittlerweile eher ein Klub für junge Erwachsene. Die fehlende Möglichkeit, sich zu treffen, erschwert die Kontaktaufnahme zu jüngeren Sistigern. Mit einem neuen Treff und Veranstaltungen, etwa Kickerturnieren, sollen Jugendliche und Neuzugezogene integriert werden. Als Treffpunkt, so hatten es beide Gruppen ausgearbeitet, würde sich die alte Schule anbieten.
Gewünscht ist auch ein Treffpunkt für Menschen mit den gleichen Hobbys, egal ob Sport, Kunst oder Handarbeit. Bei einem öffentlichen „Hobby-Findungs-Abend“ sollen Menschen mit gleichen Interessen zusammenkommen und sich anschließend regelmäßig treffen. Hoch im Kurs steht auch eine Koordinationsstelle für handwerkliche Hilfe. Egal ob Jugendliche oder Rentner, Arbeitslose, Flüchtlinge oder auch die Gemeinde: Wer handwerklich geschickt ist, bietet seine Arbeit an. Benötigen Bürger nun Hilfe, wenden sie sich an die Koordinationsstelle, die auch in der alten Schule untergebracht sein könnte. Das gleiche gilt für eine freiwillige Kinderbetreuung. Dazu müsste vorher ermittelt werden, ob überhaupt eine Bereitschaft besteht. Jugendliche und Senioren sollen dann an Eltern, die eine Betreuungsmöglichkeit suchen, weitervermittelt werden.
Zwei weitere Projekte, die von den Sistigern vorgeschlagen wurden, beziehen sich auf das Thema Verkehr. So könnten, nach Heimbacher Vorbild, bunte Mitfahrerbänke aufgestellt werden. Je nach Farbe wollen diejenigen, die auf einer solchen Bank warten, zu einem bestimmten Ziel mitgenommen werden. Darüber hinaus besteht die Idee, ehrenamtliche Fahrer zu gewinnen, die zu bestimmten Zeiten mit einem Dorfauto vorher festgelegte Ziele anfahren und gegen einen Kostenbeitrag andere Sistiger mitnehmen.
Wie schon bei der Erarbeitung werden die Sistiger auch bei der Konkretisierung der Projektideen gefragt sein. Die Teilnehmer stimmten darin überein, dass es Projektwerkstätten geben soll. Alle interessierten Sistiger sind dazu eingeladen, an der Ausarbeitung der Ideen mitzuarbeiten.
Die Abschlussworte sprach der Sistiger Schmied Stefan Pütz – seine drei Prioritätenpunkte lagen noch vor ihm auf dem Tisch. „Es ist schwierig, einen solchen Abend zu bewerkstelligen – und ich freue mich, dass so viele junge Leute gekommen sind“, sagte er. Als Friederike Büttner die Sistiger zur Gruppenarbeit aufforderte, habe er befürchtet: „Das endet im Chaos.“ Doch: „Die Resonanz ist groß. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Pütz. Ausschlaggebend dafür sei die Quartiersmanagerin – und für die gab es deshalb vom Schmied die volle Punktzahl.
pp/Agentur ProfiPress