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Kaum noch einer bleibt sitzen

Kaum noch einer bleibt sitzen
Städtische Hauptschule Mechernich: Was gezielter Förderunterricht und pädagogische Übermittagsbetreuung bewirken – Nach dem Schuljahr 2010/2011 konnten alle mit einem qualifizierten Schulabschluss entlassen werden – Sitzenbleiberquote sank innerhalb weniger Schuljahre von 8,3 auf 0,5 Prozent – 155 von 404 Schülern werden in Deutsch, Mathe und Englisch gefördert – 35 weitere gehen regelmäßig zur Hausaufgabenbetreuung
Mechernich – Da soll noch einer sagen, pädagogische Übermittagsbetreuung, Förderunterricht und Hausaufgabenhilfe seien bildungspolitischer Schnickschnack. Werden diese Erfindungen für Kinder, die in der Schule hinter “Lernzielen” herhinken, ernsthaft und beherzt betrieben, dann zeigen sie auch Erfolg.
Und zwar einen Erfolg, der sich messen und statistisch belegen lässt, wie das der Mechernicher Hauptschul-Rektor Heinz Wolfgarten zunächst beiläufig in einem Pressegespräch tat. Eigentlich wollte er dem Reporter die an sich schon sensationell gute Nachricht verkünden, dass im Schuljahr 2010/2011 ausnahmslos alle Hauptschulabgänger die Hauptschule Mechernich mit einem qualifizierten Abschluss verlassen haben.
Dabei kam die Rede beiläufig auf die “Sitzenbleiber-Quote”, was den Reporter erst recht hellhörig machte. Denn der Prozentsatz derjenigen, die das Klassenziel nicht erreichen, liegt an der städtischen Mechernicher Hauptschule gerade mal bei einem halben Prozent. Schmeißt man den Pennälern etwa die Versetzungen und Schulabschlüsse ohne entsprechende Leistungen hinterher?
Weit gefehlt. Die Statistik weist noch für das Schuljahr 2007/2008 eine Quote von 8,3 Prozent Kinder pro Klasse aus, die die erforderlichen Leistungen für eine Versetzung in die nächst höhere Jahrgangsstufe nicht erbringen konnten und folglich “eine Ehrenrunde drehen”, also das Schuljahr wiederholen mussten.
Was ist der Grund für die drastische Verbesserung der so genannten “Sitzenbleiber-Quote”, die an der städtischen Hauptschule Mechernich bereits bis zum Schuljahr 2010/2011 auf ein knappes Prozent gesunken war und sich seither nochmals auf 0,5 Prozent halbiert hat? In der Antwort sind sich Schulleiter Heinz Wolfgarten und die sich in der pädagogischen Übermittagsbetreuung und Hausaufgabenhilfe sowie in der Schulmensa stark engagierende Hausfrau und Mutter Luise Kornell absolut einig: Es liegt an der gezielten Förderung der Kinder über den eigentlichen Schulunterricht hinaus.
Seit dem Jahr 2000 an der städtischen Mechernicher Hauptschule in Satzvey und seit dem Jahr 2007 an der Hauptschule Mechernich wurde bereits das Übermittagsmodell “13 plus” praktiziert. Im Februar 2009 wurde dann die pädagogische Übermittagsbetreuung als “Mechernicher Kompromiss” an allen weiterführenden Schulen im Schulzentrum eingeführt. Damit sollte ein vernünftiges, weit über ein bloßes “Verwahren” der Kinder hinausgehendes Nachmittags-Schulangebot geschaffen werden. Die Kinder zu fördern und gleichzeitig millionenschwere Bauinvestitionen für einen waschechten Ganztags-Schulbetrieb zu verhindern, war das damals angestrebte Ziel von Stadtrat und Verwaltung der Stadt Mechernich, eben der genannte Kompromiss zwischen Aufwand und Wirkung.
Legasthenie und Dyskalkulie
werden gezielt behandelt
Im Schuljahr 2009/2010, berichtet Luise Kornell im Interview, wurde der Förderunterricht in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik fester Bestandteil dieser pädagogischen Übermittagsbetreuung an der städtischen Hauptschule Mechernich. Kinder, die an Lese-Rechtschreib-Schwäche oder einem “angeborenen” mathematisch-praktischen Defizit (“Dyskalkulie”) leiden, werden gezielt von der vor Ort in Mechernich an der Hauptschule tätigen jugendpsychiatrischen Praxis Staab gefördert.
155 der 404 Mechernicher Hauptschüler erhalten von insgesamt 23 Lehrern Förderunterricht in 18 Fördergruppen – und zwar “mit messbarem Erfolg”, wie Luise Kornell und Lehrer Martin Bohle im Interview betonten. Die Kinder und Jugendlichen würden durch den Förderunterricht spürbar “fitter und selbstbewusster”.
Bei den Fünftklässlern kann Luise Kornell nach einer Testmethode, der “Hamburger Schreib-Probe”, für die in Deutsch geförderten Fünftklässler sogar mathematische Messergebnisse liefern. In diesem standardisierten Verfahren müssen die Kinder diktierte Wörter und Buchstabenkombinationen, so genannte Grapheme, zu Beginn und am Ende des Schuljahres aufschreiben. Die Fehler werden analysiert und die Fehlerquote verglichen.
Demnach steigerte sich die Rechtschreibsicherheit je nach Klasse zwischen 8,1 und 13,4 Prozent, was noch nicht viel sagt. Aber die Rechtschreibsicherheit der nicht geförderten Schüler steigerte sich im Lauf des Schuljahres durchschnittlich um “nur” 4,9 Prozent, während die der geförderten Kinder um sagenhafte 17 Prozent in die Höhe schnellte. Allerdings beherrschen die nicht geförderten, weil begabteren und nicht für den Förderunterricht vorgesehenen Kinder am Ende des Schuljahres die Rechtschreibung noch immer einen Tick besser als die geförderten.
“Aber das Ergebnis zeigt, was durch gezielte Förderung möglich ist”, sagt Schulleiter Heinz Wolfgarten, der seine diesbezüglichen Erfahrungen von der Euskirchener Nordschule mit an den Bleiberg brachte. Von dort holte er auch den Kollegen Kremer an die Mechernicher Hauptschule, der dort wiederum die Lehrerinnen Cornelia Carls und Doris Wielspütz in gezieltem Förderunterricht ausbildete. Zurzeit ist mit Anja Schmitz bereits im zweiten Jahr des Förderunterrichts an der Hauptschule Mechernich die dritte Ausbildergeneration mit von der Partie.
Für Eltern und Kinder entstehen
bis aufs Essen keine Kosten
Verwaltungstechnisch abgewickelt wird der pädagogische Übermittagsbetrieb der städtischen Hauptschule Mechernich über die Volkshochschule. Bezahlt wird sie von der Schule selbst und von deren Förderverein. Den Elternhäusern oder gar den Kindern selbst entstehen keine Kosten – bis auf das Mittagessen in der Aula, das für alle drei weiterführenden Schulen im städtischen Mechernicher Schulzentrum von einem Catering-Service geliefert wird. Organisation, Speiseplan und finanzielle Abwicklung liegen ebenfalls in den Händen von Luise Kornell und ihrem 26köpfigen Übermittags-Betreuungsteam der städtischen Hauptschule Mechernich.
Die Floisdorferin sorgt sich gemeinsam mit der Bescheiderin Astrid Hoß auch in der Hausaufgabenbetreuung der städtischen Hauptschule um das Wohl der Kinder. Zu den 155 Förderschülern kommen nämlich noch 35 “Pänz”, die regelmäßig von 13.15 bis 14.55 Uhr bei den Hausaufgaben betreut werden.
“Betreuung und Förderung sind individuell und flexibel”, betont Rektor Heinz Wolfgarten. Es wird nach Lösungen gesucht, die dem jeweiligen Kind und Elternhaus ebenso gerecht werden wie den schulischen Anforderungen. Das Mechernicher Hauptschul-Modell hat aber nicht nur die Sitzenbleiber-Quote auf 0,5 Prozent gesenkt und die Rate der qualifizierten Schulabschlüsse auf hundert Prozent gesteigert.
“Es herrscht auch eine Art offener Austausch zwischen der städtischen Mechernicher Realschule im Feytal, ihrem Leiter Willy Krause, und der städtischen Hauptschule Mechernich und mir”, betont Heinz Wolfgarten. Will sagen: Wenn die Lehrer oder Kinder/Eltern selbst das Gefühl haben, dass die betreffende Schülerin oder der betreffende Schüler besser an der jeweils anderen Schulform zurecht käme, “dann probieren wir das sofort aus”, so Wolfgarten: “Wir warten nicht bis zum nächsten Schuljahr und machen riesige Verwaltungsakte, sondern wir testen es, dann wissen wir mehr.”
Austausch zwischen Real-
und Hauptschule Mechernich
“Zurzeit sind einige meiner Schüler bei Willy Krause an der Realschule und eine Schülerin von ihm bei mir”, berichtet Heinz Wolfgarten. Dauerhafte und endgültige Wechsel zwischen Hauptschule und Realschule sind heutzutage ebenfalls an der Tagesordnung, das ganze Bildungssystem ist offener und flexibler geworden.
Und dank dualer Ausbildung sei es ja heute keine Utopie mehr, sondern bildungspolitische Realität, dass ein ehemaliger Hauptschüler sich ohne weiteres nach Handwerkslehre und Meisterprüfung an Universität oder Fachhochschule zum Ingenieur oder zu sonstigen akademischen Abschlüssen fortbewege.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

10.11.2011