Zum Tode von Günther Schulz (90) aus Kommern, der mit seiner Familie aus Ostpreußen nach Kommern floh und sich dort etablierte
Mechernich-Kommern – „Eigentlich ist Kommern meine Heimat“, pflegte Günther Schulz zu betonen, der Allerheiligen 1944 im zarten Alter von neun Jahren zusammen mit seinen Eltern die ostpreußische Heimat fluchtartig verlassen musste. „Damals war ich noch zu jung, um eine enge Bindung an meinen Geburtsort Lengwethen, 25 Kilometer südlich von Tilsit, zu entwickeln“. Am 23. November 1946 kamen die Flüchtlinge in Kommern an. Eine neue Zeit begann.

Jetzt ist sie abgelaufen: Der bekannte Kommerner Zweiradmechaniker und zusammen mit seiner aus Düsseldorf stammenden Frau Uschi Taxiunternehmer, Familienvater und ehrbarer Zeitgenosse, starb am Dienstag nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren im Mechernicher Kreiskrankenhaus. Seine sterblichen Überreste sollen am Donnerstag, 27. November, nach einer Trauerfeier im Bestattungshaus Ernst um 14 Uhr auf dem Kommerner Friedhof beigesetzt werden.
„Keine Tränen in Lengwethen“
„Als ich 1989 bei einer Reise mit meiner lieben Frau Uschi ins Kaliningrader Gebiet, also in den heute zu Russland gehörenden Teil der früheren deutschen Provinz Ostpreußen kam und meinen Heimatort das erste Mal wiedersah, habe ich im Gegensatz zu vielen älteren Reiseteilnehmern keine Träne vergossen“, berichtete Günter Schulz um Neujahr für eine Reportage über seine Lebenserinnerungen im Mechernicher „Bürgerbrief“.
Günther Schulz war ein fließend rheinisches Platt sprechender menschenfreundlicher Zeitgenosse, dessen Wurzeln keiner an der Grenze zu Litauen vermuten würde. Ebenso Ehefrau Uschi, die ursprünglich aus der Landeshauptstadt Düsseldorf stammt, und auf die Günther Schulz 1965 ein Auge warf.
Der Krieg hatte Familie Schmitz nach Kommern verschlagen. An dessen Ende stand ein besonders heftiger Schicksalsschlag, als Uschis Vater bei einer Minenexplosion ums Leben kam. Die Schwiegermutter musste fünf kleine Kinder als „Alleinerziehende“ durchbringen – „ein entbehrungsreiches Leben“, sagt die lebensfrohe Uschi Schulz heute.
Sie und Günther haben in Kommern ein Fahrrad- und Zweiradgeschäft sowie ein Taxiunternehmen etabliert und eine Familie gegründet. Schulzens, wenn man das so sagen darf, gehören zur Kommerner Gesellschaft, wie ihr Geschäft und ihre Werkstatt, die heute von Sohn Rainer betrieben werden, zum Stadtgebiet Mechernich und zur weiteren Region.
Junge Schrauber angelernt
Viele Fans der Marken Kreidler, Zündapp und Herkules haben bereits in den 60er und 70er Jahren unter Günther Schulz‘ kritischen Augen an ihren Mopeds, Mofas und Mokicks mitschrauben und reparieren dürfen. Der große Meister griff nur ein, wenn die Nachwuchs-Schrauber im Begriff standen, etwas falsch zu machen.
Die Familie hat eine bewegte Vergangenheit, denn die mütterliche Linie führt nach Litauen, die väterliche ins Salzburger Land nach Österreich. Sein bewegtes Leben einschließlich der Vertreibung 1944 und der Flucht über Pommern nach Gehn hat Günther Schulz in einer bewegenden Autobiographie niedergeschrieben.

„Als wir in Kommern mit einem umgebauten Möbelwagen ankamen, hatten wir nur das, was wir tragen konnten“, erinnerte er sich in dem Interview mit dem Mechernicher „Bürgerbrief“. „Wir“, das waren die Eltern Ernst und Frieda Schulz, geb. Schimkat, und Oma Auguste geborene Hofer.
Vater Ernst hatte schon in Ostpreußen Schmied gelernt und Fahrräder repariert. Das alles war die Grundlage, um in Kommern wirtschaftlich Fuß zu fassen. Das Zweiradgeschäft, das Vater Ernst Schulz 1951 in Kommern an der Stelle des damaligen Blumenhauses Mombauer und der heutigen Eisdiele eröffnete, existiert bald seit 75 Jahren. Es gab noch zwei andere Standorte, in der Mühlengasse und jetzt in der Gielsgasse.
2026 wäre „Diamantene“ gewesen
Über die Flucht schrieb Günter: „Ich konnte erkennen, dass da viele tote Menschen und tote Pferde lagen. Von mehreren Flüchtlingswagen waren nur noch die Spitzen der Deichseln zu erkennen, die aus dem Eis ragten. Wahrscheinlich sind sie von der markierten Strecke abgekommen, weil das Eis brüchig oder zerbombt war. Menschen und Pferde sind ertrunken.“
2026 wäre Diamantene Hochzeit gewesen. 1967 wurde Sohn Rainer geboren, 1968 Tochter Daniela, 1972 Sohn Achim. 1968 zogen Schulzes ins neugebaute Haus in der Gielsgasse mit dem neuen Fahrradgeschäft nebenan.
pp/Agentur ProfiPress
11/12/2025

