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„Zwei faszinierende Männer“

Lit.Eifel erinnerte mit Lesung und Talks in der Münstereifeler Konviktkapelle an zwei bedeutende Rheinländer: Altkanzler Konrad Adenauer und seinen Biographen Werner Biermann

Bad Münstereifel – Zwei bedeutende Männer standen im Mittelpunkt der jüngsten Lit.Eifel-Lesung in der Bad Münstereifeler Konviktkapelle: Konrad Adenauer (1876 – 1967) und sein lange Jahre in Bad Münstereifel lebender Biograph Werner Biermann (1945 – 2016).

Zwischen Werner Biermanns Portrait und dem Konterfei Konrad Adenauers lasen, fragten und sprachen (v.l.) die Schauspieler Josef Tratnik und Marion Mainka (verdeckt), WDR-Moderatorin Gisela Steinhauer, die Historiker Claudia Waibel und Heiner Wember, Werner Biermanns Frau Bess Köhler und sein Freund Hannes Schöner. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Die Lit.Eifel stellte an dem Abend mit der über 600-seitigen Biographie „Konrad Adenauer – Ein Jahrhundertleben“ (Rowohlt, Berlin, ISBN 978 3 7371 0006 9) das letzte Buch des 2016 in Tunesien verstorbenen Filmemachers, Schriftstellers, Grimme-Preisträgers und Lit.Eifel-Mitbegründers Werner Biermann vor.

Es war ein großartiger literarischer Abend mit vielen persönlichen Reminiszenzen an „zwei faszinierende Männer“, so WDR-Moderatorin Gisela Steinhauer, die durch die mehr als zweistündige Veranstaltung führte. Passagen aus Biermanns Buch lasen die Schauspieler Marion Mainka und Josef Tratnik. Karl Brück versorgte das begeisterte Publikum wie beim Humboldt-Abend für Werner Biermann im Oktober mit einigen guten Tropfen Wein.

Winnetou statt Altkanzler

Im Eingangsinterview stellten sich die Lit.Eifel-Vorsitzende und Monschauer Bürgermeisterin Margareta Ritter und die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian den Fragen der Moderatorin, die (natürlich) allzu gerne gewusst hätte, wie die modernen Unions-Politikerinnen und kommunalen Chefinnen zum „Alten“ standen und stehen.

Freimütig verwies Margareta Ritter bei der Frage nach ihren Idolen auf Pierre Brice an der Wand ihres Mädchenzimmers. Adenauer, obwohl sie es offenließ, gehörte offensichtlich nicht dazu. Ähnlich war es bei der Münstereifeler Verwaltungschefin, die Werner Biermann im Alltag und im Straßenbild des Eifeler Kur- und Fremdenverkehrsstädtchens arg vermisse. Aus Dankbarkeit an den „großen Sohn“ habe man die Stadtbibliothek nach ihm benannt.

Die Witwe und der Freund gaben unbekannte Facetten aus Werner Biermanns Leben und Schaffen bekannt: So arbeitete der Schriftsteller ohne Unterlass und bis kurz vor seinem Tod. Und er wirkte unerkannt an Hannes Schöners privater Seite an dem einen oder anderen Liedtext der „Höhner“ mit. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Rede und Antwort in mehreren Talkrunden standen Gisela Steinhauer auch Werner Biermanns Witwe Bess Köhler, sein Freund Hannes Schöner von den „Höhnern“, die Historikerin Claudia Waibel (Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus) und der WDR-Journalist und Historiker Dr. Heiner Wember („Zeitzeichen“).

Dabei kamen auch berührende Details über den stillen, kritischen, intellektuellen und doch so menschenfreundlichen Werner Biermann ins Wort. „Ich glaube, er war in seiner Jugend sehr links“, bemerkte Hannes Schöner, „aber er konnte Filme und Biographien über Franz Josef Strauß und Konrad Adenauer drehen und schreiben, weil er sich ihnen als Mensch und Autor unabhängig ihres politischen völlig Andersseins vorurteilsfrei nähern konnte.“

Arbeit war sein Leben

Recherche ist das halbe Leben, die andere Hälfte bestand für Werner Biermann aus journalistischer und schriftstellerischer Umsetzung: Folgerichtig arbeitete er weder zu bestimmten Zeit noch an bevorzugten Orten, wonach Gisela Steinhauer fragte. Sondern er arbeitete immer und überall, wie Witwe Bess Köhler schnörkellos zu Protokoll gab: „Auch sonntags.“ Sicher habe er auch mal einen freien Tag gehabt, aber im Großen und Ganzen habe er selbst auf seiner letzten Reise nach Tunesien gearbeitet bis zu dem Tag, als er ins Krankenhaus kam.

Gleich im Eingangsinterview würdigten (von links) die Lit.Eifel-Vorsitzende und Monschauer Bürgermeisterin Margareta Ritter, WDR-Moderatorin Gisela Steinhauer und Münstereifels erste Bürgerin Sabine Preiser-Marian Konrad Adenauers und Charles de Gaulles Fundamentierung eines friedlichen und befreundeten Europas, für das man heute wieder einstehen und kämpfen müsse. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Dass Biermann ein Ausnahmejournalist, Filmemacher und Autor war, ist unumstritten und wurde durch die aussagekräftigen Textpassagen aus seiner Adenauer-Biographie noch einmal bestätigt. Das deutlich über hundertköpfige Publikum honorierte das mehrfach mit Applaus. Persönlich berührte die überraschende Auskunft im Talk, dass dieser begnadete Rechercheur und Schreiber kein Gymnasium von innen sah, weil man im Elternhaus dagegen war.

Werner Biermann lernte Chemielaborant, ehe er sich als freier Mitarbeiter und Volontär bis zum Redaktionsleiter in seiner Heimatstadt Moers hochdiente. Er wurde Reporter bei Magazinen und schließlich für den Westdeutschen Rundfunk tätig. Er drehte fünfzig lange Dokumentarfilme, darunter „Am Abgrund. Anatomie der Kubakrise“ (2002) und „Der Erste Weltkrieg – Alptraum Verdun“ (2004).

Immer wieder gab es Applaus für die wunderbaren Rezitationen aus Werner Biermanns Buch. Es gab sehr ernste und nachdenklich stimmende Passagen, unter anderem über Adenauers verkorkste Kindheit, in der sein Zwang zum sozialen Aufstieg praktisch grundgelegt wurde, aber es gab auch eher heitere Auszüge. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Für seine Arbeiten wurde er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, unter anderem „Strauß – Aufstieg und Fall einer Familie“ (2006, Neuausgabe 2015), „Der Traum meines ganzen Lebens. Humboldts amerikanische Reise“ (2008) und die jetzt post mortem veröffentlichte Adenauer-Biographie erschienen bei Rowohlt in Berlin.

Das großartige Buch, das Adenauer auch als Opfer seiner eigenen Kindheit und seines dort eingepflanzten Ehrgeizes, verdammt zum sozialen Aufstieg, darstellt, hat Werner Biermann nicht vollendet. „So haben wir, sein Lektor Christian Feyerabend und ich, das Fazit gezogen, den Schluss gestaltet, den Werner, sicher kunstvoller gestaltet, mit einem Schlussakkord versehen hätte.“

Biermann textete auch Lieder mit

Sein Freund Hannes Schöner, mit dem Werner Biermann nicht nur „quatschen“ konnte, so Schöner, gab ebenfalls unbekannte Details bekannt. Zum Beispiel das, dass er mit Biermann zusammen Lieder textete, die größtenteils bislang unveröffentlicht blieben, zum Teil aber auch „eingekölscht“ ins Repertoire der „Höhner“ übergingen.

Jede Menge Überraschungen gab es bei diesem Lit.Eifel-Abend aber nicht nur über den Autor, sondern auch über seinen Buchhelden. So gelangte Adenauer im überstrengen Vaterhaus zu einer „seltsamen Mischung aus Katholizismus und Preußentum“, die keineswegs dem landläufigen Bild der „rheinisch-katholischen Kirche“ entsprach.

Die Vier fürs Buch waren beim Lit.Eifel-Abend in der Bad Münstereifeler Konviktkapelle außer den lesenden Akteuren in der Mitte auch die beiden „faszinierenden Männer“ links und rechts, die im Geiste anwesend waren: Der Autor Werner Biermann und Konrad Adenauer, Gegenstand Biermanns letzten Buches. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Adenauer war Asket, keineswegs rheinischer Lebenskünstler, obwohl seine Mundart etwas anderes suggerierte. Und geistige Getränke setzte er, wenn schon nicht zum Selbstkonsum, so doch gezielt zur Redseligmachung und Kompromissbereitschaft seiner Verhandlungspartner ein.

Warum „der Alte“ dennoch ein großer deutscher und europäischer Politiker war und blieb, schilderte die Lit.Eifel-Vorsitzende Margareta Ritter gleich im Eingangsinterview aus eigenem Erleben: „Er ist und bleibt für mich zusammen mit Charles de Gaulle der Architekt Europas, für das wir heute mehr denn je wieder einstehen und kämpfen müssen. Wir in Monschau haben seit 40 Jahre eine lebendige deutsch-französische Städtepartnerschaft, Mechernich und Nyons haben gerade Goldene Hochzeit gefeiert.“ Das sei Adenauers Erbe.

pp/Agentur ProfiPress