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Zehn Jahre lang dem Gewissen gefolgt

Zehn Jahre lang dem Gewissen gefolgt
“donum vitae” feierte Festakt im Mechernicher Rathaus – Prof. Dr. Hans Ferdinand Fuhs nannte Barmherzigkeit als Triebfeder der Beratungsarbeit – Dr. Marianne Bauerschmitz zur Ehrenvorsitzenden ernannt – Podiumsdiskussion mit Dr. Ursula Weidenfeld und Manfred Lang
Mechernich – Das Verhältnis zwischen der katholischen Amtskirche und dem Verein “donum vitae” (lat. Geschenk des Lebens) ist auch nach zehn Jahren immer noch angespannt. Für die Kirche befindet sich der Verein mit seiner Schwangerschaftskonfliktberatung nach wie vor im Widerspruch zu den Anweisungen aus Rom, sieht der Vatikan doch im Ausstellen von Beratungsscheinen eine Voraussetzung für den straffreien Schwangerschaftsabbruch. Die Vereinsmitglieder selbst hingegen sehen ihre Arbeit als praktizierte christliche Nächstenliebe.
Während einer Festveranstaltung im Ratssaal der Stadt Mechernich am Freitagnachmittag brachte Theologie-Professor Dr. Hans Ferdinand Fuhs, emeritierter Ordinarius für die Exegese des Alten Testaments an der Universität Paderborn, das Selbstverständnis von “donum vitae” anhand des bekannten Gleichnisses vom barmherzigen Samariter recht anschaulich auf den Punkt. Der Priester und der Levit, die an dem in Not geratenen Menschen vorübergingen, hätten durchaus richtig im Sinne ihrer Glaubensvorschriften gehandelt. “Doch Jesus hat uns aufgetragen, so zu handeln wie es der barmherzige Samariter getan hat”, sagte Fuhs, der auch als pastoraler Beistand des Fachteams von “donum vitae” fungiert. Und das heiße, nicht Vorschriften und Anweisungen solle ein Christ Folge leisten, sondern einzig seinem Gewissen. Er halte es mit dem Apostel Paulus, der erklärt habe, die Schrift sei nicht dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach zu interpretieren. “Der Mensch und seine konkrete Not gehen immer vor”, so Fuhs.
Vor zehn Jahren wurde der Verein “donum vitae” quasi aus dem Nichts aufgebaut. Sie sei im “heiligen Zorn” gewesen, berichtete Dr. Marianne Bauerschmitz, als sie die Schwangerschaftskonfliktberatungs- und Familienplanungsstelle in Mechernich gründete. Im Gespräch mit den beiden Journalisten Dr. Ursula Weidenfeld und Manfred Lang erinnerte sich Dr. Bauerschmitz daran, dass der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, selbst Katholik, den Gründungsentschluss sehr gelassen hingenommen habe. “Er hat uns sofort seine praktische Hilfe angeboten und uns beispielsweise bei der Personalbuchführung Unterstützung zukommen lassen”, freute sich Bauerschmitz. Dies seien die ersten “Lichtblicke” gewesen, die sie ermutigt hätten, weiter zu machen. “Wir wurden nicht ignoriert”, so Bauerschmitz, die in diesem Zusammenhang auch den Geschäftsführer des Caritasverbandes für das Kreisdekanat Euskirchen, Franz Josef Funken, begrüßte, der sich unter den Gästen befand. Sie sei dankbar dafür, dass alle zusammen “dieses Ding” hingekriegt hätten.
Ausbildung in den 60er Jahren
Ursula Weidenfeld wollte sodann wissen, warum man den Verein in Mechernich und nicht in Kommern gegründet habe. Die Kommernerin Bauerschmitz erklärte, dass einerseits die Stadt am Bleiberg für viele Menschen besser erreichbar gewesen sei und auch größere Anonymität geboten habe, dass andererseits aber das Bistum Aachen “donum vitae” offener gegenüber gestanden habe als das Bistum Köln, zu dem Kommern ja gehöre.
Manfred Lang wollte von Bauerschmitz genauer wissen, wo die Gründe für ihr ungewöhnliches Engagement lagen und warum sie schließlich den Verein gründete, der allein in den letzten Jahren knapp 2000 Frauen bzw. Paare beriet. Die Frauenärztin erinnerte an ihre Ausbildung in den 60er Jahren, an viele Frauen, die an den Folgen einer Abtreibung gestorben waren, an die Heimlichtuerei und das Versteckspiel. “Das alles war unmenschlich und unbarmherzig, und es war zwingend nötig, etwas dagegen zu unternehmen”, sagte sie. Erst mit der Reform des Paragraphen 218 seien die Zeiten liberaler geworden, aber es habe keine kompetente Beratung gegeben.
Dass die Schwangerschaftskonfliktberatung dennoch bis heute von vielen Zeitgenossen mit einer Abtreibungsberatung verwechselt wird, musste die engagierte Dame noch am Morgen am Infostand in der Mechernicher Innenstadt erleben, als sie von einem älteren Herrn beschimpft wurde, “der sich besonders gut auszukennen glaubte”. Und: “Es hat erst vor drei bis vier Jahren aufgehört, dass wir keine bösen Briefe mehr bekommen.”
Dabei hat der Verein “donum vitae” noch weitaus mehr zu bieten als eine Konfliktberatung. So gehören auch Schwangerschaftsberatung, Beratung und Begleitung bei vorgeburtlicher Diagnostik sowie Hilfe nach der Geburt zum Aufgabenfeld des Vereins.
Finanziell getragen wird die Arbeit von “donum vitae” zum größten Teil durch staatliche Mittel. Dennoch muss der Verein einen 20-prozentigen Eigenanteil aufbringen. “Hier haben wir es überwiegend mit viel Kleinvieh und sehr wenig Großvieh zu tun”, lachte Bauerschmitz. Man müsse also versuchen, das Geld über Mitgliederbeiträge, Spenden und Verkaufsstände einzunehmen. Bei der Präventionsarbeit – es wurden bereits 400 sexualpädagogische Präventionsveranstaltungen an den Schulen des Kreises Euskirchen abgehalten – ist der Verein hingegen ganz auf Spenden angewiesen. Die “Geldbeschaffungsaktionen” werden übrigens stets recht kreativ gestaltet. Man organisiert beispielsweise Kunstveranstaltung, Benefizessen, Lesungen mit Autoren wie Ralf Kramp, Werner Rosen oder Manfred Lang oder auch einen Trödelverkauf.
Christliche Verantwortung
Beraterin Claudia Kaupel-Schleert nannte die Finanzierung der Beratungsstellen schlichtweg “skandalös”, da der Verein immer wieder um Gelder kämpfen müsse. Dass die Zuschüsse beim Kreis unter “freiwillige Ausgaben” liefen, sei ebenfalls nicht hinnehmbar. Der stellvertretende Landrat des Kreises Euskirchen, Hans Schmitz, hatte in seiner Begrüßungsansprache darauf hingewiesen, dass es sogar Bestrebungen gebe, diese Ausgaben einzudämmen. Er jedoch vertrete die Auffassung: “Bei den Zuschüssen für die Schwangerenkonfliktberatung handelt es sich um eine gesellschaftspolitisch notwendige Pflichtaufgabe.”
Nach einer eindrucksvollen Bilanz der Vorsitzenden Jutta Collenberg zu Beginn der Veranstaltung, verwies Staatssekretärin Dr. Marion Gierden-Jülich vom NRW-Familienministerium darauf, dass seit Einführung der Beratungen in NRW die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche kontinuierlich zurückgegangen sei. Sie sprach von “rund 1000 Fällen pro Jahr”.
Die stellvertretende Bundesvorsitzende, Ursula Monheim, strich noch einmal deutlich hervor, dass es einzig und allein die christliche Verantwortung gewesen sei, die sie und ihre Mitstreiter gezwungen habe, einen anderen Weg einzuschlagen, als den, den die katholische Kirche ihnen aufgezeigt hatte.
Weitere Festredner an diesem Nachmittag waren der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und der stellvertretende “donum vitae”-Landesvorsitzende Reinhold Uhlenbrock.
Am Ende der Festveranstaltung wurde Dr. Marianne Bauerschmitz zur Ehrenvorsitzenden von “donum vitae” im Kreis Euskirchen ernannt.
www.donum-vitae-eu.de

www.donumvitae-onlineberatung.de

pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

12.05.2010