Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

AllgemeinCommunio in ChristoStadt Mechernich

„Was ist die Seele?“

Interaktiver Impulsabend bei der Mechernicher Communio in Christo mit Pfarrer Dr. Michael Stöhr – Seele, Glaube, Gottesvorstellung und Wissenschaft – Geschichtliche Betrachtungen und Symbolik – Selbstliebe wichtig, um wirklich geben zu können – Fortsetzung im nächsten Jahr geplant

Mechernich/Roggendorf – „Was bedeutet eigentlich dieser große und undurchsichtige Begriff »Seele« für Sie?“, leitete der evangelische Pfarrer Dr. Michael Stöhr aus Roggendorf den von ihm geleiteten Impulsabend bei der Ordensgemeinschaft Communio in Christo in Mechernich ein. Spürbar ratlos stand das Publikum dieser Frage gegenüber. Und doch mit einer gewissen Vorstellung. Sicher jedoch: Für jeden bedeutet Seele etwas anderes.

Der Vortrag hatte das Thema „Die Seele, die Krankheit und Gottes Güte; Gottes Odem in uns und die Psyche in den Wissenschaften“. Vorbereitet hatte er dazu auch eine Präsentation. Schwester Lidwina, die ihn eigenladen hatte, bediente dabei die Technik am Laptop. „Es soll ein interaktiver Abend werden“, so der Wunsch Stöhrs. Jeder war also dazu aufgerufen, sich zu beteiligen und die eigene Meinung und Ansichten zu äußern.

These und Ausgangspunkt

Der Referent dankte der Mechernicher Ordensgemeinschaft für die Einladung und dafür, in der nachfolgenden Eucharistiefeier die Einführung und die Lesung halten zu dürfen.

Ausgangspunkt des Impulses war dabei unter anderem: „Der leidende, kranke Mensch“. Als Ziel setzte er sich, Hilfe beim seelsorgerischen und praktischen Umgang mit seelischen Belastungen zu geben sowie die Fragestellung „Was verstehe ich eigentlich unter der Seele?“ zu klären.

Die These von Pfarrer Stöhr lautet: „Der Begriff »Seele« ist eine hilfreiche »Fiktion« (Vorstellung, Modell oder Konstrukt), um zahlreiche Phänomene wie zum Beispiel Liebe, Trauer, Zorn, Melancholie und Ähnliches erfassen zu können.“

Der evangelische Pfarrer Dr. Michael Stöhr aus Roggendorf hielt bei der Mechernicher Ordensgemeinschaft Communio in Christo einen Impulsabend zum Thema „Die Seele, die Krankheit und Gottes Güte; Gottes Odem in uns und die Psyche in den Wissenschaften“ ab. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Der evangelische Pfarrer Dr. Michael Stöhr aus Roggendorf hielt bei der Mechernicher Ordensgemeinschaft Communio in Christo einen Impulsabend zum Thema „Die Seele, die Krankheit und Gottes Güte; Gottes Odem in uns und die Psyche in den Wissenschaften“ ab. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Damit sei er quasi auch schon bei dem Verständnis des antiken Philosophen Aristoteles, bei dem die Seele eines Menschen den Wesenskern darstellt. Im biblischen Kontext haucht Gott dem Menschen (Adam) die Seele, den „Lebensodem“, ein (1 Mose 2,7).

Betrachtungen im Laufe der Geschichte

Die erste Vorstellung davon, dass die Seele den Körper nach dem Tod verlässt, gab es bereits zur Zeit der alten Ägypter. Dargestellt in Form eines Vogels mit Menschenkopf über einem Leichnam. Auch im Judentum ist das Vogel-Symbol eine bildliche Darstellung der Seele, die den Körper nach dem Tod verlässt. Seit Jahrtausenden zieht sich die Vorstellung der Seele bereits durch sämtliche Kulturen und Epochen.

Stöhr erinnerte an das biblische Gleichnis vom reichen Kornbauern, dem Gott seine Seele nahm. Der Begriff Seele (griechisch Psyche) war bereits in das allgemeine Verständnis der Antike eingebettet. Nämlich: „Nur die Guten kommen in den Himmel.“ Damals noch eng verworren mit dem Sitz im Herzen.

In neueren Zeiten, spätestens seit René Descartes´ („Cogito, ergo sum“; „Ich denke, also bin ich“) wird der Sitz der Seele im Kopf des Menschen angesiedelt. Das Problem sei dabei, so Stöhr, dass Rationalität und Denken nicht mit Gefühlen, Wärme und Emotionalität übereinkommen können. Das Ergebnis sei dann die Schnelllebigkeit, Oberflächlichkeit und Kälte, die uns heutzutage stets begleite und viele Menschen krank mache.

Das Seelenverständnis sei kurzum ein Konstrukt von Leben und seinen Zusammenhängen. Allein mit rationalen Mitteln ein Verständnis der Seele erzielen zu wollen, führt zu den gesellschaftlichen und individuellen Problemen, an denen unsere heutige Zeit leidet.

Tod und Symbole

Ein Aspekt zum Thema Seele war auch der Übergang von Leben zu Tod. Die „Reanimation“, in der der lateinische Begriff „anima“ (Seele) steckt. Also: Dem Menschen die Seele wieder zurückgeben. Dies sei auch bei psychologischer, bzw. seelsorgerischer Hilfe der Fall. So werde der Geist „wiederbelebt“.

Das Publikum lauschte gespannt den Ausführungen Pfarrer Stöhrs und war stets dazu eingeladen, die eigenen Gedanken zu teilen. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Das Publikum lauschte gespannt den Ausführungen Pfarrer Stöhrs und war stets dazu eingeladen, die eigenen Gedanken zu teilen. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Zuvor erwähnte Symbole wie das Herz oder der Vogel, aber auch die Kerze waren Thema. Dazu erläuterte er: „So wie ein geliebter Mensch in unserer Erinnerung weiterlebt, so ist die Seele nach dem Tod in Gott aufgehoben.“

Sich selbst und andere lieben

„Jeder kann also Einfluss auf den seelischen Zustand von sich und anderen nehmen“, so Stöhr. Ganz wichtig: „Übersensible Menschen brennen in Pflegeberufen schnell aus. Auch die eigene Seele bedarf Zuspruch. Selbstliebe schließt Liebe zu anderen mit ein. Man selbst darf nicht leer sein, wenn man anderen helfen will. Das gilt auch beim Teilen des Brotes: Jeder braucht auch ein Stück für sich selbst.“ Er zog noch einen Vergleich: „Eine Schale kann nur andere Schalen befüllen, wenn sie selbst voll ist.“

Wichtig sei der praktische Umgang und die Auseinandersetzung mit Belastungen. Stöhr verglich die Seele mit einem Schiff, dass über das Wasser gleitet. Mal ist das Wasser tiefer oder seichter und es bleibt hängen, fährt dennoch weiter. Wenn nun aber Belastungen das Schiff und somit die Seele erschweren, hat es mehr Tiefgang und bleibt öfter hängen. Selbst bei kleineren Problemen. Um mit solchen Problemen klarzukommen, muss der Mensch sich dieser Belastungen entledigen. Mit diesem Beispiel sei er auch schon bei den Abhandlungen der griechisch-antiken Philosophen Aristoteles und Platon angelangt.

„Vor Gott sind wir gleich“

Stöhr war sich sicher: „Ich glaube wirklich an die Seele. Nur weiß ich nicht, wie sie konstruiert ist. Unsterblich ist sie auf jeden Fall. Doch bleiben wir gleich? Entsteht nach dem Physischen etwas Neues? Wie stehen wir vor Gott? Mit all unseren Narben oder nicht?“ Schwester Lidwina betont daraufhin: „Selbstverständlich ist jeder vor Gott vollkommen. In seinem Kreuzestod hat Jesus uns befreit und erlöst. In der Stunde unseres Todes lassen wir alle weltlichen Belastungen hinter uns.“

Eine Frau aus dem Publikum bemerkte: „Mein Theologieprofessor sagte einst, jeder Mensch sei gottgleich. Ich muss mich selbst und jeden anderen lieben. Das hat mich ungemein beruhigt.“ Stöhr stimmte ihr zu: „In jedem Menschen sehe ich Jesus. Gerade in den Schwachen und Kranken.“

Pfarrer Dr. Stöhr legte besonderen Fokus auf die theologische Verknüpfung der Seele mit dem Glauben und der Gottesvorstellung. Wissenschaft stoße dabei schnell an ihre Grenzen. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Pfarrer Dr. Stöhr legte besonderen Fokus auf die theologische Verknüpfung der Seele mit dem Glauben und der Gottesvorstellung. Wissenschaft stoße dabei schnell an ihre Grenzen. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Schwester Lidwina ergänzte: „Unsere Pflegeeinrichtungen wurden von Mutter Marie Therese für genau diese Zwecke errichtet. Den Erhalt und Schutz des menschlichen Lebens. Diese Unberührtheit muss wertgeschätzt und geschützt werden. Denn: Vor Gott sind wir alle gleich.“

„Odem“ als Schwamm

Ein weiterer Zuhörer meldete sich zu Wort und erzählte von seiner Sicht auf das Leben und die Seele: „Ich glaube, dass jedes Kind bei der Geburt den »Odem des Herrn« erhält. Also seine Seele. Diese saugt dann alles im Leben wie ein Schwamm auf und nimmt sämtliche Gefühle und Eindrücke auf. In der Stunde des Todes steige die Seele dann in den Himmel auf und nimmt alles mit zurück.“ Für ihn sei es außerdem beim Tod seiner Ehefrau im Hospiz Stella Maris eine große Hilfe gewesen, zu wissen, dass sie mit der Welt und sich selbst, also mit ihrer Seele im Reinen, von ihm gegangen sei.

Pfarrer Stöhr zeigte sich beeindruckt und betonte, über diese durchaus passende Darstellung in Zukunft meditieren zu wollen.

„Seele 2.0“ im nächsten Jahr

In einer Stunde war es kaum möglich, mehr als nur die Oberfläche vieler Themen anzukratzen. So freue man sich schon darauf, das Ganze in einem zweiten Impulsabend im nächsten Jahr noch genauer zu beleuchten. Daraufhin folgte lebhafter Applaus der Zuhörerschaft.

Pfarrer Stöhr bedankte sich schlussendlich bei den anwesenden Gästen für ihre Aufmerksamkeit. Schwester Lidwina bedankte sich ebenfalls bei ihm, auch für die Lebendigkeit des Vortrags zu einem Thema, „was uns mit Sicherheit alle sehr beschäftigt“. Im Anschluss feierte man gemeinsam die Eucharistie.

pp/Agentur ProfiPress