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Von “Krockwösch” und “Dier jaache”

Von “Krockwösch” und “Dier jaache”
“Bletzkrock” (Johanniskraut), “Dondekrock” (Weidenröschen) und “Wurmkrock” (Rainfarn) gehören ebenso in einen Eifeler “Krockwösch” (Krautwisch) wie “Böndeknöpp” (Großer Wiesenknopf) und “Maria Bettstrüh” (Oregano). Je nach Ort und Ecke variiert die Anzahl der Kräuter, die an Mariä Himmelfahrt (15. August) zum Krautwisch gebündelt und in katholischen Kirchen gesegnet werden, zwischen sieben und 99. Hauptsache, es handelt sich um eine so genannte “heilige Zahl”.
Der Brauch, Heil- und Nutzpflanzen zu sammeln und mit ihnen die Vitalität des Sommers für den Winter zu konservieren, stammt möglicherweise noch aus vorchristlicher Zeit. Seit Jahrhunderten wird der Krautwischtag im katholischen Rheinland, aber beispielsweise auch in den Alpenländern und Westeuropa am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August) begangen.
Was es mit dem alten Brauch auf sich hat, konnten Interessierte am Samstag im LVR-Freilichtmuseum in Kommern erfahren. Denn dort hatten die Museums-Wirtschafterinnen landesübliche Kräuter, Blumen und Nutzpflanzen gesammelt. Auch die vier Hauptgetreidearten aus Börde und Voreifel, nämlich Roggen (“Koen”), Gerste (“Jäersch”), Hafer (“Have”) und Weizen (“Weeß”), gehören in einen rheinischen “Krockwösch”.
In der professionellen Landwirtschaft des Landstrichs ausgestorben ist der in der Eifel früher häufig vertretene Buchweizen (“Booxwees”) In der ripuarischen Mundart heißt Getreide als Sammelbegriff übrigens “Fruet” (Frucht), Saatgetreide “Soohmfruet” oder einfach “Soohm”. Der Getreidehalm heißt “Hallem”, die Ähre “Ähr” und die Körner “Kidde”. Spelzen und Getreideabfall ist “Kaaf”. Da “Kaaf” oft nicht einmal mehr als Einstreu taugte, die Menschen außerdem juckte und kratzte und in alle Ecken und Spalten der Scheunen drang, war “Kaaf” nicht sehr beliebt.
Was wiederum erklärt, warum dieser Ernteabfall bei den früher üblichen Dorfgerichten zum Einsatz kam. So wurde bis in die Nachkriegszeit jenen Brautpaaren auf dem Weg zur Kirche statt Blumen “Kaaf” gestreut, die keine “Hiellich” gegeben hatten. Bei diesem Vorläufer des Polterabends musste der meist ortsfremde Bräutigam die Junggesellen aus dem Dorf der Braut gut mit Essen und Trinken bewirten – und seine Gemahlin so aus ihrem sozialen Umfeld auslösen.
Eine andere Form des Eifeler Dorfgerichts war das “Dier jaache” (wörtlich “Tier jagen”), eine rheinische Abart des bajuwarischen Haberfeldtreibens. Dabei zogen meistens die jungen Leute des Dorfes zur nächtlichen Stunde vor das Haus jener Dorfgenossen, die gerade in Ungnade geraten waren. Dort wurde lautstark die “Anklage” verlesen – und dann mit Sensen, Blecheimern und eisernen Karrenrädern ein ohrenbetäubender Lärm veranstaltet. Und natürlich die verhasste “Kaaf” verstreut.
Manfred Lang

Manfred Lang

27.08.2009