Vom Ursprung des Hahneköppens
In Lückerath wurde Kirmesmontag dem uralten Brauch nachgegangen, wie es ihn nicht nur in der Eifel, sondern auch in vielen anderen Gegenden Europas gibt – Allerdings mit einem Gummigebilde, das nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Geflügel hatte
Mechernich-Lückerath – Kirmesmontag ist Lückerath ein Dorf wie jedes andere in der Eifel, wenn es Kirmes feiert. Kräftige Regengüsse ließen das traditionelle Hahneköppen allerdings erst am späten Nachmittag beginnen. Dazu spielte eine kleine Abordnung des Musikvereins Bleibuir nicht minder traditionelle Kirmesmusik.
Die Königswürde errang in diesem Jahr Christoph Hoss, der das rudimentär geflügelähnliche Plastikgebilde mit einem ungezielten Degenhieb in zwei Teile spaltete. Den kleineren kopfähnlichen Teil führt der Hahnenkönig beim anschließenden Umzug durch Dorf und abschließendem Hahnenkönigsball stets als Insignien seiner Würde auf der Säbelspitze mit sich.
Als Hahnenkönigin begleitete Nina Flaschentreher ihren Freund Christoph Hoss durch Lückerath. Rund 75 Dorfgenossen machten bei dem Umzug gutgelaunt mit, der an mehreren Häusern Halt machte, wo gegessen, getrunken, musiziert und getanzt wurde.
Um den Brauch des Hahnenköppens ist nach einem Unfall in Nettersheim eine öffentliche Diskussion entbrannt. Dabei wurde in Leserbriefen behauptet, Hahnenköppen sei ein Brauch ohne Wurzeln. Keiner könne sagen, wo das Ritual herkommt. Auch wird unterstellt, Hahneköppen sei eine Spezialität der Eifeler.
Drei Arten „Tierspiele“
Beides ist falsch. Ebenso die Mär, das Hahneköppen sei während der napoleonischen Rheinland-Besetzung aufgekommen und ein Ausdruck rheinischer Opposition gegen den „Gallus“ (Hahn), das Wappentier der Besatzer, und somit angesichts der deutsch-französischen Freundschaft heute überholt und kontraproduktiv.
„Bedauernswert, aber richtig ist, dass Menschen schon immer mit Tieren »gespielt« haben, allerdings auf eine aus heutiger Sicht ziemlich blutrünstige Art und Weise“, schreibt der Lückerather Eifelexperte Manfred Lang.
Im Wesentlichen gebe es seit grauer Vorzeit Wettspiele mit Tieren in drei Varianten: Tiere kämpfen gegeneinander (Hahnenkämpfe, Hundekampf), Menschen kämpfen gegen Tiere (Corrida, Stierkampf) und so genannte Quälspiele: „Menschen töten im Spiel und aus Spaß am Töten und auch aus Spaß an der Qual des Opfers . . .“
Manchmal seien solche Spiele auch Teil eines Ernterituals gewesen wie der Brauch des „Hahneköppens“, „Gänseköpfens“, „Hahneschlagens“ und „Gänsereißens“, wie er territorial unterschiedlich genannt und auch nach unterschiedlichen Regeln betrieben wurde. Er ist mindestens seit dem Mittealter, vermutlich aber schon viel früher verbreitet, und seit dem 16. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
Das Geflügel gelte als Symbol des bösen und schädigenden Erntegeistes, der sich in die letzte Garbe des geernteten Korns flüchtet. Dieser Geist werde durch Köpfen getötet. In der Lausitz gebe es den Brauch des „Hahnrupfens“, bei dem der Kopf des toten, hoch aufgehängten Hahns von geschickten Reitern gerupft werden muss.
Flandern, Solingen, Breslau
Lang: „In Nettersheim wird der Hahn erst angeklagt, vor ein Tribunal gebracht, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Raum Solingen gibt es Hahneköpp-Vereine mit Namen wie »Haut ihn 1929« . In Breslau wird der Hahn in eine Grube gesetzt, die mit einem Topf bedeckt wird. Der »Hahnenschläger« muss daraufhin versuchen, mit verbundenen Augen den Topf zu finden und ihn mit einem Dreschflegel zu zerschlagen.“
In Flandern läuft das Wettspiel, so zitiert Lang den LVR-Volkskundler Dr. Alois Döring, fast ab wie in den meisten Eifeldörfern, aber nicht an Kirmes, sondern fast ausschließlich zur Karnevalszeit: „Dabei wird der Hahn in einem bodenlosen Korb mit den Beinen an ein Tau gehängt, das zwischen zwei Bäumen oder Pfählen gespannt wurde. Den Spielern werden die Augen verbunden und sie werden einige Male im Kreis gedreht, damit sie die Orientierung verlieren…“
„Tierspiele“ zur Kirmes wie das vor allem am Niederrhein und im Bergischen Land verbreitete Gänsereißen erregten schon in früheren Zeiten die Aufmerksamkeit der Behörden. Am 15. Dezember 1820 erließ die Regierung zu Aachen ein Verbot des Gänsereißens.
Dr. Döring zitiert eine Beschreibung aus zum Jahre 1819 aus Geilenkirchen: „Bei Gelegenheit der sogenannten Kirchmeßen hat sich in mehreren Gemeinden der hiesigen Stadt der Gebrauch gezeigt, daß man in den öffentlichen Straßen Pfähle errichtet und daran lebendige Enten und Gänse durch Würfe mit Knitteln so lange martert, bis ein glücklicher Wurf das zerfetzte Tier der Qual entledigt. Eine solch grausame Sitte ist eines durch die Lehre der christlichen Moral, jener barbarischen Rohheit der barbarischen Vorzeit entrissenen Volkes… unwürdig.“
Es gibt kein Verbot
Im Gegensatz zum Gänsereißen fand das Hahneköppen im amtlichen Aktenmaterial des 19. Jahrhunderts nur selten seinen Niederschlag. Vermutlich weil der Hahn vor dem Köppen bereits auf veterinärmedizinisch verantwortbare Weise geschlachtet wird und sein Körper nachher als Braten auf dem Tisch landet.
In einer Verfügung des Kölner Regierungspräsidenten vom 24.1.1977 werden die Oberstadt – und Oberkreisdirektoren aufgefordert, die Veranstalter in geeigneter Weise aufzuklären und anzuhalten, das Hahneköppen zu unterlassen. Eine gesetzliche Grundlage zum Verbot des Hahneköppens gibt es nicht.
pp/Agentur ProfiPress