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“Verwaltungsstrukturen ändern”

“Verwaltungsstrukturen ändern”
Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick im Dialog mit der liberalen Kreistagsfraktion: “Konsolidierung notwendig” – Tagung im neuen Mechernicher Rathaus
Mechernich – Ausgerechnet im Rathaus Mechernich, von wo aus Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick den Kreis Euskirchen mit mahnender Stimme schon seit Jahren zu Konsolidierungsbemühungen und signifikanten Einsparungen auffordert, hatte sich die erweiterte FDP-Kreistagsfraktion an zwei Tagen zu Haushaltsberatungen getroffen.
Nachdem Kreiskämmerer Ingo Hessenius den Liberalen den ursprünglich geplanten Doppelhaushalt für 2011/2012 mit den aus Sicht der Verwaltung dargelegten Vorzügen präsentiert hatte, bekam Dr. Schick die Gelegenheit, den liberalen Kreispolitikern in lockerer Gesprächsrunde zu erläutern, warum ein solcher Doppelhaushalt für Mechernich fatal wäre.
Mehr noch: Der Bürgermeister konnte detailliert begründen, warum er seitens der Stadt Mechernich das Finanzgebaren des Kreises kritisiert, wo sich nach seiner Überzeugung die Denkweise des Kreises ändern muss, und weshalb eine Neuorganisation von Verwaltungsstrukturen mit Weitblick unumgänglich sei.
Schicks größte Befürchtung, wegen des Doppelhaushalts könne Mechernich ins Haushaltssicherungskonzept (HSK) kommen, mithin finanziell nicht mehr frei entscheiden können, scheint ja zunächst vom Tisch, weil die Kreistags-Koalition von CDU und SPD dem Doppelhaushalt inzwischen eine Absage erteilt hat. An der grundsätzlichen Finanzmisere der öffentlichen Hände ändert das nach übereinstimmender Einschätzung aller politischen Farben generell nichts.
Bundesweit werden die Kommunen, so Kreiskämmerer Hessenius, bis 2014 ein Kassenminus von rund 75 Milliarden Euro “erwirtschaften” müssen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre stellt sich dramatisch dar: 1993 lag der Kreditbestand der Kommunen noch bei 1,7 Milliarden, 2002 waren es bereits 10,7 Milliarden, 2009 schon 34,8 Milliarden und 2014 werden es vermutlich 80,0 Milliarden sein.
So konzedierte Dr. Hans-Peter Schick denn auch über das Finanzgebaren des Kreises Euskirchen, dass man selbst mit einem einmalig abgespeckten Kreishaushalt 2011 die kommunalen Haushalte nicht werde “richtig sanieren” können. Und er bekam die Zustimmung der FDP-Vertreter, dass sich an der Gemeindefinanzierung grundsätzlich etwas ändern müsse.
Da die Lobby der Kommunen auf Bundes- und Landesebene eher schwinde und kaum ernsthafte Bemühungen des Gesetzgebers zu einem neuen Gemeindefinanzierungsgesetz erkennbar seien, müsse man die Finanzen beim Kreis soweit konsolidieren, dass auch die elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden handlungsfähig bleiben.
Mechernich selbst betreibe seit Jahren einen solchen Konsolidierungsprozess. In Phase eins habe man bei den Personalkosten gespart, d.h. freiwerdende Stellen nicht neu besetzt und die Verwaltung nach und nach personell “umgebaut” und effektiver strukturiert. Die Gemeindeprüfungsanstalt lobte die Stadt Mechernich 2005 und 2010 NRW-landesweit bei den Kommunen zwischen 25 000 und 50 000 Einwohnern in Sachen Personalkosten und Verwaltungseffizienz als beste Kommune.
Die Personalkosten, darüber war sich die Gesprächsrunde einig, müssten auch beim Kreis Euskirchen ein entscheidender Einsparfaktor sein. Hans-Peter Schick legte anhand von Beispielen (EDV, Rechnungsprüfungsamt) dar, wie man trotz personeller Einsparung noch eine hohe Effizienz erreichen kann.
In der eigenen EDV (man ist nicht dem KDVZ-Verbund angeschlossen) komme man mit zwei Bediensteten aus, statt eines aufwändigen Rechnungsprüfungsamtes bediene man sich – parallel zu den täglichen Kassenkontrollen – eines Wirtschaftsprüfers. Bei der Methodik in Sachen Einsparungen zeigte Schick auf, was Mechernich vom Kreis unterscheidet.
Beim Kreis gehen die Abgeordneten und eine spezielle Arbeitsgruppe mit dem Rotstift an den Haushalt und versuchen zu sparen. Für Schick und seine Mitarbeiter ist es inzwischen gängige Praxis, selbst den Rotstift anzusetzen: “Es ist Aufgabe der Verwaltung, den Haushalt zu durchforsten und der Politik dann Vorschläge zu unterbreiten.”
Das habe man auch in der jetzt erreichten Phase drei der Konsolidierungsbemühungen getan, so Schick, “und das ist für die Bürger durchaus spürbar schmerzhaft”, weil zum Beispiel frühere großzügige Zugeständnisse der Kommunalpolitik an Vereine und Dorfgemeinschaften korrigiert werden müssen.
“Es gibt ja Kollegen und Kommunen, die der Meinung sind, dass es sich auch mit einem Nothaushalt gut leben lässt”, berichtete Schick, “aber das ist unverantwortlich.” Wenn Mechernich beispielsweise in ein Haushaltssicherungskonzept käme, könne man nicht – wie geplant – den vierspurigen Aus- und Weiterbau der B 266 von der Firmenicher Lohmühle bis Kommern planen und quasi vorfinanzieren, so wie man es auch bei der Baumaßnahme am Gewerbegebiet Mozenbenden getan hatte.
Die Frage schwebte bei der FDP-Haushaltskonsolidierungs-Tagung im Mechernicher Rathaus förmlich in der Luft: Was wäre, wenn der Kreis sich selbst ein Haushaltssicherungskonzept verordnen würde? “Das würde zwangsweise zu einem Umdenken führen”, nahm der Mechernicher Verwaltungschef das Ergebnis vorweg: “Aber das wollen viele Politiker nicht.” Dabei sind nach Schicks Überzeugung “Schulden, die der Kreis macht, auch unsere Schulden bei den Kommunen”.
Gerade bei Kleinigkeiten sei man beim Kreis oft “großzügig”. So sollte Mechernich unlängst 3000 Euro für die Vereinheitlichung von Wanderorientierungstafeln zahlen. Er habe sich geweigert: “Dafür haben wir kein Geld.” Worauf vergangene Woche Post aus dem Kreishaus kam, die Kreisverwaltung überhole die Wanderertafeln mit Mitteln aus dem allgemeinen Etat, der ja bekanntlich über die Kreisumlage von den Kommunen zwangsfinanziert wird.
Dass der Kreis versuche, Aufgaben an sich heran zu ziehen und sie dann folglich über die Kreisumlage finanziere, wurde auch von den Liberalen sehr kritisch gesehen. “Wenn es neue Aufgaben gibt, dann muss ein Weg gefunden werden, diese mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen und nicht ständig neue Stellen zu schaffen”, lautet die Devise bei den Liberalen.
Sehr argwöhnisch betrachtet man bei der FDP auch, was sich auf schulischem Sektor im Südkreis abspielt. Dass ein Schulentwicklungsplan nötig sei, wurde von kaum jemandem angezweifelt, zu einer Trägerschaft des Kreises dürfe es aber nicht kommen.
Das Verhältnis zwischen Kreis und Kommunen, aber auch das der Kommunen untereinander müsse überdacht werden – da waren sich Gesprächsteilnehmer einig. Auch Möglichkeiten einer interkommunalen Zusammenarbeit müssten sondiert werden. Gerade Schick war es, der in den vergangenen Wochen die Diskussion über eine neue Kommunalreform angeregt hatte. Eine Reform, die vielleicht das Ende der Kreise im heutigen Sinne bedeutet, aber gleichzeitig eine erhebliche Vergrößerung der Kommunen.
Der Visionär Schick ist aber auch selbst sein größter Skeptiker: “Wir tun uns alle schwer, Besitzstände abzugeben.” Es sei also eine Frage der Zeit und auch des “Drucks von oben”, um Strukturen zu verändern und zu reformieren. Als positives Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit nannte der Bürgermeister den FDP-Kreispolitikern die gemeinsame Baugenehmigungsbehörde der Städte Mechernich und Zülpich mit Sitz in Mechernich: “Damit haben wir bislang nur beste Erfahrungen gemacht!” Überlegenswert sei auch ein eigenes Jugendamt, dies vielleicht dann auch in Kooperation mit Zülpich – aber das müsse noch geprüft werden.
“Die derzeitige Vielfalt von Verwaltungsstrukturen können wir uns auf Dauer nicht leisten”, gab Schick zu bedenken. Die Zeit für Änderungen sei günstig, denn in den nächsten sechs Jahren gingen 40 Prozent der Kollegen in den Ruhestand. Kommunalgebilde ab 30 000 Einwohner könnten ein Richtwert sein, wobei selbst ein solches Gebilde im Euskirchener Südkreis noch ein Sorgenkind bleiben würde.
FDP-Fraktionsvorsitzender Hans Reiff dachte in der Sitzung im Mechernicher Rathaus schon einmal laut darüber nach, “dass der Kreis Euskirchen perspektivisch überflüssig wird.” Dass seine Aufgaben dann von eventuell vier neuen Kommunalgebilden übernommen werden könnten.
In Anspielung darauf, dass sich der Kreis das Prognos-Gutachten (50 000 Euro) geleistet hatte, wertete Schick: “Da ist viel Geld kaputt gemacht worden, was nicht nötig war.” FDP-Mann Dirk van Meenen bestätigte: “Das Gutachten war das Papier nicht wert, das es gekostet hat.”
Alte Maßnahmen wie Jugendeinrichtungen müssten aktuell auf ihre Notwendigkeit überprüft werden, wenn es neue Prioritäten gebe wie “aufsuchende Jugendarbeit”. Da müsse dann über Umschichtungen oder gar Schließungen diskutiert werden.
Warum es ihm, der keine absolute Mehrheit im Rücken hat, gelingt, erfolgreich einen rigiden Sparkurs zu fahren, erklärte CDU-Mann Schick so: “Ich bin Moderator zwischen Verwaltung, Rat und Bürgern und kein parteipolitischer Bürgermeister. Ich habe regelmäßig Kontakt zu den Fraktionsspitzen, erläutere ihnen die Sachzwänge und wir diskutieren die Dinge aus.”
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

07.02.2011