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Spielsucht: In den Fängen der Automaten

Harald Mießeler klärt Mechernicher Schüler auf – Nun will er ein Buch über seine Lebensgeschichte schreiben

Zum dritten Mal sprach der Mechernicher Harald Mießeler (l.) vor Gymnasiasten und Hauptschülern in der Aula des städtischen Gymnasiums Am Turmhof in Mechernich über die Gefahren der Spielsucht. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Mechernich – Er stand Johannes B. Kerner und Sonja Zietlow Rede und Antwort, der frühere Nachrichten-Anchorman Ulrich Meyer berichtete über ihn. Selbst sprach der Mechernicher Harald Mießeler viele Male vor jungen Menschen aus dem Stadtgebiet Mechernich über sein Leben als ehemals Automatenspielsüchtiger, in Kürze hält er am Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen seinen dann 50. und zunächst einmal letzten Vortrag. „Danach mache ich Pause, in den beiden letzten Jahren war es etwas zu viel“, so Mießeler, der am Montagvormittag vor Schülern des Gymnasiums Am Turmhof und der städtischen Hauptschule Mechernich bereits zum dritten Mal in der Aula des Gymnasiums – gewohnt offen und ohne etwas zu beschönigen – seine Lebensgeschichte erzählte.

„Das hat eine ganz andere Dimension als etwa ein Zeitungsbericht“, sagte Mechernich Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick bei der Begrüßung und kündigte den Schülern an, dass Mießeler „sein Innerstes nach außen“ kehren werde. „Ihr werdet schnell merken, dass es ihm ein ganz wichtiges Anliegen ist, Euch davor zu warnen, was ihm widerfahren ist“, sagte Schick, bevor er sich bei Harald Mießeler mit einem Blumenstrauß für seine unermüdliche Aufklärungsarbeit bedankte.

Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (r.) dankte Harald Mießeler dafür, dass er die Aufklärung Jugendlicher zum Thema Spielsucht zu seinem Lebensinhalt gemacht hat. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Der heute 50-Jährige, der in den zwölf Jahren seiner Spielsucht eine Summe von insgesamt 125.000 Euro verzockt hat, war im Alter seiner jungen Zuhörer, als er in „der Kneipe an der Ecke“ ins Spieler-Milieu rutschte. Was mit „ein paar Mark“ begann, darüber verlor Mießeler nach eigenen Worten schnell völlig die Kontrolle. „Ich hatte jegliches Gefühl für den Wert des Geldes verloren.“ Keine Spielhalle zwischen Kall und Köln war ihm unbekannt, bald bestimmten die Sucht und die damit verbundene Beschaffungskriminalität sein ganzes Leben. Sechs Arbeitsstellen hat er wegen Diebstahls verloren, ein Jahr lang lebte er auf der Straße. „Das Schlimmste aber ist, dass ich andere Menschen mit hineingezogen habe“, sagte er vor den Schülern und Lehrern, die seinen schonungslosen Schilderungen mucksmäuschenstill lauschten.

Harald Mießeler ist gelungen, was viele nicht schaffen: Er hat nicht nur seine Spielsucht überwunden, sondern auch seine Schulden zurückgezahlt und in ein bürgerliches Leben zurückgefunden. „Respekt, Ehrlichkeit und Anstand habe ich mir zurück erkämpft“, sagte er. „Ein Höllentrip“ sei der Ausstieg gewesen, schlimmer als die Sucht davor. „Für das, was ich getan habe, habe ich bezahlt.“ Den Menschen, die ihm dabei geholfen haben und die ihn bis heute unterstützen, dafür zu danken, wird er nicht müde.

Nach wie vor holt ihn die Vergangenheit ein, etwa, wenn sich Menschen, die er gut kennt, wegen ihrer Spielsucht das Leben nehmen. Er selbst überlebte zwei Selbstmordversuche. Von allen Suchtkranken setzen Spielsüchtige am häufigsten ihrem Leben ein Ende, weil sie keinen anderen Ausweg aus ihren Schulden sehen.

Als ehemaliger Automatenspielsüchtiger berichtete Harald Mießeler eindringlich aus seinem Leben. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Die große positive Resonanz auf seine Vorträge gibt ihm die Kraft, Jugendliche vor dem großen Suchtpotential der Spielautomaten zu warnen, obwohl ihn seine Vorträge ebenso physisch wie psychisch aufs Höchste beanspruchen. „Es ist unglaublich, welche Macht drei Walzen und drei Knöpfe über mich hatten“, warnte er die Schüler eindringlich und sparte nicht mit Erinnerungen aus der Zeit, in der Lügen und Betrügen seinen Umgang mit Menschen bestimmten.

„Meine Reise ist noch nicht zu Ende“, sagte er. Als Kenner der Szene macht er Beobachtungen, die Angehörigen verborgen bleiben. „Die Spielsucht nimmt Überhand und geht durch alle gesellschaftlichen Schichten“, begründet er, warum er auch in Zukunft weiterhin Aufklärungsarbeit leisten will. Unter anderem mit einem Buch über seine Lebensgeschichte, seinem nächsten Projekt.

pp/Agentur ProfiPress