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Moderne Märtyrer vor dem Vergessen retten

Moderne Märtyrer vor dem Vergessen retten
Prälat Helmut Moll gibt die vierte Auflage von ” Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts” heraus – Zahl der Blutzeugen aus dem Bistum Aachen erhöht sich darin um sechs auf 26
Von Judith Rosen
und Manfred Lang
Aachen/Köln – “Du auch?!”, entsetzte sich Wilhelm Jansen, als er seine Frau Karoline im Zug nach Köln traf. Es war nicht irgendeine Reise. Beide waren verhaftet worden. Den Aachener Buchdrucker brachte die Gestapo ins Konzentrationslager Dachau, seine Frau ins KZ Ravensbrück. Sie überlebte, er starb 1942 an der Schinderei in den Steinbrüchen: Eines von 26 Märtyrer-Schicksalen aus dem Bistum Aachen.
Martyrien sind kein Phänomen der christlichen Anfänge, wie sie den heiligen Stephanus oder die Urchristen im antiken Rom ereilten: Blutzeugen, also Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens umgebracht wurden, gab es zu allen Zeiten. Papst Johannes-Paul II. gab dem aus Euskirchen stammenden Prälaten Dr. Helmut Moll 1994 den Auftrag, eine Sammlung der “modernen” Martyrer Deutschlands zusammenzustellen.
Moll förderte mit Hilfe seiner Gewährsleute, wie dem Aachener Pfarrer Dr. Herbert Arens, deutschlandweit 800 Schicksale von Christen zu Tage, die in Nazideutschland, unter dem Kommunismus oder beispielsweise in der Mission wegen ihres Glaubens an Jesus Christus den Tod fanden. Alle fanden Eingang in Molls Jahrhundert-Werk “Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts”. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner stellt die vierte überarbeitete Auflage der zweibändigen Sammlung am 5. Dezember im Kölner Maternushaus vor.
Das bemerkenswerte Kompendium Prälat Professor Dr. Helmut Molls führt in seiner neuesten Ausgabe sechs “neue” Märtyerer für das Bistum Aachen auf, darunter auch Wilhelm Jansen, in dessen Druckerei sich eine konspirative Gruppe gegen das Hitler-Regime traf. Die Gruppe wurde verraten, die Eheleute Jansen wie eingangs geschrieben, ins KZ verschleppt.
Drei Kriterien legt die katholische Kirche für anerkannte Martyrien an: Den gewaltsamen Tod oder Todesfolge nach Verfolgung und Misshandlung, die Verfolgung aus Glaubensgründen etwa dem Hass auf Kirche und Glauben und die Bereitschaft des Verfolgten, den Tod auf sich zu nehmen.
Peter Harsch aus Stolberg-Münsterbusch, Theodor Hespers aus Mönchengladbach, Wilhelm Jansen aus Monschau, Kuno Kamphausen aus Krefeld, Johann Klinkenberg aus Eschweiler und Laura Klinkenberg aus Kettenis erfüllten in ihrem Leben und Sterben die schicksalhaften Kriterien.
Außer Laura Klinkenberg sind die “neuen” Aachener Märtyrer Opfer der Nazis. Laura, die nicht mit ihrem Namensvetter aus Eschweiler verwandt ist, durchlitt 1908 das so genannte Reinheitsmartyrium. Ein Hagiograph verglich den erfolgreichen Widerstand der Sechszehnjährigen gegen ihren Vergewaltiger, den sie mit dem Tod bezahlte, mit dem Schicksal der 1950 heilig gesprochenen Maria Goretti.
Die fünf neuen männlichen Aachener Blutzeugen weisen Gemeinsamkeiten auf: Alle stammten aus katholischen Elternhäusern, waren verheiratet, sozial und politisch engagiert und gerieten durch ihre weltanschauliche und religiöse Einstellung in Konflikt mit den Machthabern.
Der Kaufmann Peter Harsch war ein bekannter christlicher Gewerkschafter und saß für die Zentrumspartei im Preußischen Landtag. Nachdem Hitler die Gewerkschaften 1933 gewaltsam aufgelöst hatte, geriet er immer mehr in den Strudel staatlicher Übergriffe. Nach Stauffenbergs fehlgeschlagenem Attentat auf Hitler kam auch Harsch in Haft, an deren Folgen er 1945 starb.
Den katholischen Redakteur Theodor Hespers ereilte ein ähnliches Schicksal. Zwar floh er 1933 in die Niederlande, wo er sich dem Widerstand anschloss, konnte aber nach Jahren der Flucht Hitlers Häschern nicht entkommen. 1943 schrieb er aus dem Gefängnis Berlin-Moabit: “Heute war für mich ein hoher Festtag. Nach langer Zeit habe ich wieder einmal die heilige Kommunion empfangen . . .” Am 9. September 1943 wurde er in Berlin-Plötzensee gehenkt.
Den in Krefeld geborenen Stadt-Baumeister Kuno Kamphausen ermordete 1934 ein Rollkommando der SS. Ein Angestellter hatte den überzeugten Katholiken aus Rache auf die Todesliste der schwarzen Horden setzen lassen.
Johann Klinkenberg, ein weiterer der sechs “neuen” Aachener Märtyerer, gleicht jenem “,unbekannten Soldaten’ der großen Sache Gottes”, von dem Johannes-Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben “Tertio millennio adveniente” schrieb. Auch Klinkenberg wurde vor allem wegen seiner katholischen Einstellung Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
In seinem Gerichtsurteil heißt es, Johann Klinkenberg sei in “einem streng religiösen römisch-katholischen Sinne erzogen worden”. Aus dieser Einstellung heraus habe er “mit der Begründung, der katholische Glaube sei durch die nationalsozialistische Weltanschauung bedroht, eine Reihe strafbarer Handlungen begangen”.
Der mutige Techniker hatte regimekritische Briefe an Parteidienststellen und Politiker geschrieben. Darin hieß es unter anderem: “Weil ich mein Vaterland über alles liebe, deshalb muss ich euch hassen, ihr Henker Deutschlands”. Der gebürtige Eschweiler starb 1942 im KZ Flossenbürg.

Manfred Lang

07.12.2006