Mehr Tempo für Erneuerbare
Sieben Experten referierten über die Lage im Energiesektor, über technische Neuerungen und über Chancen der energetischen Transformation für Unternehmen – Wirtschaftsförderung aus dem benachbarten Weilerswist hatte zur Infoveranstaltung „Energiekrise. Status quo und Lösungsansätze“ eingeladen – Mechernicher Redakteur Ronald Larmann moderierte
Weilerswist/Mechernich – Steigende Preise für Gas, Strom und Benzin belasten die Unternehmen und Bürger zusehends. Ein Ende der steigenden Preise ist nicht absehbar. Die Gemeinde Weilerswist hatte nun unter der Federführung von Wirtschaftsförderer Henning Hand zu einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Energiekrise. Status quo und Lösungsansätze“ eingeladen.
„Unser Kompetenzteam auf der Bühne ist heute sehr breit aufgestellt, so dass wir das Thema aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchten können“, hatte Ronald Larmann, Moderator und Redakteur der Mechernicher Agentur ProfiPress, die sieben Experten des Abends angekündigt. Deren einhellige Meinung: Es braucht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren.
Über die Veranstaltung berichtete Redakteur Tom Steinicke für Kölnische Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger. Er ließ jeden der sieben Energie-Experten in seinem Bericht zu Wort kommen.
e-regio möchte Region klimapositiv machen
„Jede Wärmepumpe, jedes Windrad, jede Photovoltaikanlage sorgt für Unabhängigkeit“, sagte Christian Krebs von der Geschäftsleitung Energiebeschaffung bei der e-regio. 2020 habe man durchschnittlich für die Megawattstunde Strom 45 Euro bezahlt, zitiert Tom Steinicke den Beschaffungsexperten. Aktuell liege der Durchschnittspreis für das Jahr 2022 bei 284 Euro. Im August sei die Megawattstunde Strom sogar für 1000 Euro gehandelt worden. Auch der Gaspreis habe sich verzehnfacht.
Der Trend, dass der Gaspreis aktuell falle, habe mit den gut gefüllten Gasspeichern und der noch recht warmen Witterung zu tun. Die Gasspeicher seien zu 93 Prozent voll. Die von der Bundesregierung angestrebten 95 Prozent bis zum 1. November seien „sehr gut machbar“, wenn es nicht plötzlich sehr kalt werde. „Das viel ambitioniertere Ziel sind die angestrebten 40 Prozent zum 1. Februar“, wird Krebs im Artikel zitiert. Der e-regio-Manager forderte die Unternehmen nochmals auf, konkrete Notfallpläne zu erarbeiten, sollte die Gasmangellage eintreffen. Wenn die Versorgung eingestellt werden müsse, sollten beispielsweise Überstunden und Urlaubstage abgebaut werden, sagte Krebs.
Derweil wolle die e-regio die erneubaren Energien „massiv ausbauen“, heißt es weiterhin in dem Bericht von Redakteur Tom Steinicke. Bis 2035 will das Unternehmen, das gerade einen Windpark bei Reetz eröffnet hat, zu 100 Prozent auf Ökostrom setzen, um autark gegenüber Börsenschwankungen und Lieferengpässen zu sein. Bis 2040 wolle man klimaneutral sein. Fünf Jahre später soll die Region sogar klimapositiv sein – also mehr CO2 kompensieren, als zu verursachen. „Wenn nicht unsere Region das schafft, dann wird es für Ballungszentren schwer, überhaupt ihren Energiebedarf zu decken“, so Krebs.
IHK hat klare Forderungen
„50 Prozent der Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland“, berichtete anschließend Raphael Jonas, Geschäftsführer Innovation, Umwelt und Standort der IHK Aachen, der innerhalb seines Vortrags auch über das Ziel eines klimaneutralen Gewerbegebiets sprach. Die IHK Aachen spricht sich unter anderem dafür aus, alle verfügbaren Kohle- und Ölkraftwerke in den Markt zurückzuholen. Die Strom- und Energiesteuer solle zudem auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden, ist in dem Bericht zu lesen, der in den im Stadtgebiet Mechernicher erscheinenden Tageszeitungen zu lesen ist.
„Der Ausbauplan für erneuerbare Energien ist ambitioniert. Der Weg ist aber alternativlos. Wir müssen allerdings viel schneller werden beim Ausbau. Was heute noch nicht geplant ist, werden wir vor 2030 nicht sehen “, so Jonas.
Plädoyer eines Notstromexperten
Wenn die Katastrophe eingetreten ist, ist alles schon zu spät. Daher lautet die Devise: Vorbereitet sein. Dabei unterstützt die Firma Pinguin Rettungstechnik. Jedenfalls wenn es um das Thema Strom geht. Geschäftsführer Michael Meierhof wird in der Zeitung wie folgt zitiert: „Der Lösungsansatz für einen Blackout könnte sein, dass man jeden Betrieb von außen einspeisbar macht.“ Einspeisbar? Mithilfe eines Netztrennschalters sei es denkbar, dass mit einfachen Mittel jeder Betrieb über ein Notstromaggregat versorgt werden könne, so Meierhof. Der Metternicher war im Landtag zu Gast und unterbreitete eine mögliche Erweiterung der NRW-Baugesetzgebung: „Jedes neue Gebäude, das mit Strom betrieben wird, muss künftig einspeisbar sein. Ein entsprechender Schalter kostet 150 Euro.“
Wie kommt Wasserstoff in die Region?
Wissenschaftlich ging es weiter. Denn zu Gast war auch Prof. Tanja Clees vom Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff soll eine entscheidende Rolle bei der Energiewende und dem Erreichen der Klimaziele spielen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Transport-Infrastruktur. Oder anders: Wie kommt der Wasserstoff in die Region und zu den Firmen?“, moderierte der Mechernicher Redakteur Ronald Larmann die Professorin an. Dieser Frage geht die Netzspezialistin intensiv nach. Allerdings stellte sie fest: „Es ist traurig, wie langsam Deutschland beim Ausbau von erneuerbaren Energien oder dem Wasserstoff ist.“
Denn Clees ist auch Expertin für Wasserstoff und macht sich dafür stark, vorhandene Gasleitungen als Speicher für Wasserstoff zu nutzen. Bis ein Anschluss des Kreises an ein großes Wasserstoffnetz erfolgen könnte, vergehen laut Clees aber noch mindestens acht Jahre.
Kreis will nachhaltiger Standort werden
„Der Kreis Euskirchen will durch gezielte Maßnahmen bis 2030 zu einer Modellregion für einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort werden“, wird Maximilian Metzemacher, Mitarbeiter der Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen, im Artikel von Redakteur Tom Steinicke zitiert. Dabei sollen die ersten gesteckten Ziele bereits in vier Jahren erreicht werden. So sollen bis 2026 insgesamt 100 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlicher Größe klimaneutral sein.
Die Skihalle klimaneutral machen
Sebastian Pönsgen hatte die Vorträge seiner Kollegen sehr intensiv verfolgt und immer wieder zustimmend gestikuliert. Denn der Geschäftsführer des Zülpicher Unternehmens Priogo stellte in seinem Vortrag fest: „Wir schaffen das.“ Gemeint war damit allerdings nicht eine Analogie zum Kanzlerinnen-Zitat, sondern die Skihalle in Neuss, die sein Unternehmen so ausrüstet, dass die Halle im kommenden Jahr klimaneutral ist. Dafür wird etwa die Abwärme der Kälteanlage genutzt – in Kombination mit dem Löschwasserbunker, der als Energiespeicher genutzt wird.
Mithilfe solcher Mittel oder auch Photovoltaikanlagen hätten kleine und mittelständische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, wird Pönsgen weiter zitiert. Der Preis für Strom werde nicht wieder auf das Niveau von vor der Krise fallen, sagte Pönsgen. Deshalb sei es sinnvoll, nun in diesen Bereich zu investieren. „Die meisten Unternehmen beschäftigen sich immer noch nicht mit der Energiewende“, so der Experte: „Wir brauchen einen Ausbildungsmarkt für erneuerbaren Energien in der Region.“
AGIT: Zusammenarbeit ist das Zauberwort
„Jede Krise ist auch eine Chance. In dem Fall für erneuerbare Energien“, sagte Peter Gier, Abteilungsleiter „Energie“ bei der Aachener Gesellschaft für Innovation- und Technologietransfer (AGIT). Er hatte Positivbeispiele im Gepäck – etwa die „Grüne Talachse Stolberg“ oder die MultiTess-Anlage der FH Aachen in Jülich. Während es im ersten Projekt darum geht, die energetische Transformation auch mit energieintensiven Industrieunternehmen in der Kupferstadt Stolberg voranzutreiben, handelt es sich bei dem zweiten Projekt um eine innovative Speicherlösung. Für Peter Gier von der AGIT gibt es für all diese Projekte ein Erfolgsrezept: „Die Akteure müssen zusammenspielen. Politik und Unternehmen.“
pp/Agentur ProfiPress