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Mehr Mobilität ist möglich

Mehr Mobilität ist möglich
Vertreter der zehn rheinland-pfälzischen und nordrhein-westfälischen Eifelkreise, der 53 Kommunen sowie der acht regionalen Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern haben in Heimbach über eine Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum nachgedacht
Kreis Düren/Heimbach – Dass die Eifel als überwiegend ländlicher Raum in Sachen Mobilität so ihre eigenen Besonderheiten hat, erfuhren einige der über 400 Teilnehmer der Eifelkonferenz 2010, die von der Zukunftsinitiative Eifel ausgetragen wurde, bereits bei der Anfahrt nach Heimbach. Sie kamen nämlich das erste Mal mit einer Uhu-Schutzzone in Berührung, wo sie lediglich 50 Stundenkilometer fahren durften.
Der Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn begrüßte die Teilnehmer im bildschönen Jugendstilkraftwerk der Stadt, das zwar noch immer in Funktion ist, aber für die Eifelkonferenz abgeschaltet worden war. “Wir wollen heute mal keinen Strom, sondern gute Ideen produzieren”, so Spelthahn. An guten Ideen fehlte es dann auch nicht. Gleich 30 Institutionen hatten sich im Vorfeld gemeldet, um zum diesjährigen Thema “Mobilität im ländlichen Raum” ihre sehens- und nachahmenswerten Projekten vorstellen zu dürfen, die alle eines versprachen, nämlich die Mobilität in der Eifel zu verbessern.
Doch zunächst wurden die Teilnehmer auf das komplexe Thema durch ein Impulsreferat von Prof. Dr.-Ing. Dirk Vallée vom Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen vorbereitet. Vallées Ausgangsfrage war, wie man in der Eifel auf Dauer die Grundversorgung aufrecht erhalten kann. In Zukunft werde es immer weniger Schulen und Kindergärten, dafür aber mehr Altenheime geben. “Wenn aber allein die Anzahl der Schüler um 20 bis 25 Prozent zurückgeht, dann haben wir im ÖPNV bereits ein Problem, da in vielen Teilen der Eifel der öffentliche Verkehr über den Schülerverkehr abgewickelt wird”, so der Professor.
Vallée empfahl, “Mobilitätsmuster” zu ändern und beispielsweise mehr auf Mitfahrzentralen zu setzen. Auch müssten Gewerbe und Industrie, soweit dies möglich sei, wieder in das Wohnfeld mit eingebunden werden, um Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammen zu bringen. Um die Eifel verkehrsmäßig besser zu erschließen, sei auch der Lückenschluss der A 1 notwendig. “Die Ausdünnung des Bahnnetzes muss darüber hinaus durch Straßen und Busverkehr kompensiert werden, um Erreichbarkeit und Anbindung zu sichern.” Ebenso sei eine Verbesserung des Breitbandnetzes dringend erforderlich, damit bestimmte Mobilitätsnotwendigkeiten gar nicht erst entstünden. “Besonders wichtig ist eine Reurbanisierung als Umkehr der derzeit stattfindenden Suburbanisierung”, so Vallée. Das Geld dafür müsse vorwiegend aus dem Tourismus kommen, denn dies sei das größte Pfund, mit dem man in der Eifel wuchern könne.
Paradigmenwechsel
Die Eifel, so empfahl der Experte, müsse einen Paradigmenwechsel vollziehen. “Die Infrastruktur soll in Zukunft nicht mehr an die Siedlung herangetragen werden, sondern die Siedlungen sollen dort entstehen, wo Infrastruktur vorhanden ist.” Der Aachener Professor hatte gleich elf viel beachtete und stark diskutierte Empfehlungen für die Eifel mitgebracht, darunter auch den Hinweis, mehr auf regionale Produkte zu setzen, um Verkehrsströme zu reduzieren und sich für die Schaffung alternativer Arbeitsplatzmodelle einzusetzen, für die ein funktionierendes Breitband allerdings Grundvoraussetzung sei.
Anschließend wurden unter Moderation der Journalistin Claudia Zimmermann den Konferenzteilnehmern gleich fünf so genannte “Best-Practice-Beispiele” aus der Eifel vorgestellt. Dr. Reinhard Steinkamp, Geschäftsführer von Heiko, den “rollenden Lebensmittelmärkten”, stellte das Konzept seiner “Ganz-Nahversorgung” vor, das sich mittelweile fast in der ganzen Eifel sowie in Teilen von Belgien und Luxemburg etabliert hat. 165 Mitarbeiter, darunter 85 Verkaufsfahrer, erwirtschafteten heute einen Jahresumsatz von 26 Millionen Euro und bedienten mit 68 Verkaufsfahrzeugen gut 30 500 Kunden. “Wir sind das größte mobile Handelsunternehmen in Deutschland”, so Steinkamp. Durchschnittlich seien seine Kunden über 70 Jahre alt, viele litten an Behinderungen.
Weiterhin wurde das Pilotprojekt “OpenRide” vorgestellt, bei dem es sich um eine Art spontane Mitfahrgelegenheit handelt, die über GPS-gestützte Kommunikation geregelt wird. Im städtischen Raum hat sich das System, bei dem man über das Mobiltelefon, aber auch vom PC aus Mitfahrgelegenheiten einstellen oder suchen kann, bereits bewährt. Im Kreis Düren wird der mobile Mitfahrdienst in Kürze als Pilotprojekt für den ländlichen Raum eingerichtet.
Maik Scharnweber vom Büro für Mobilitätsberatung in Trier stellte sodann das betriebliche Mobilitätsmanagement der öffentlichen Verwaltungen in Wittlich vor. Bei diesem Aktionsprogramm geht es darum, Betrieben und Kommunen die Verlagerung von motorisiertem Individualverkehr auf öffentlichen Verkehr, Fahrrad und Fahrgemeinschaften mithilfe eines individuellen und mit relevanten Akteuren vor Ort abgestimmten Maßnahmemixes zu ermöglichen.
Jugendrückfahrdienst
Um die Belange und Bedürfnisse von mobilen Senioren im Kreis Euskirchen kümmerte sich sodann Peter Gwiasda. Obwohl der Kreis Euskirchen über ein vergleichsweise sehr gutes ÖPNV-Angebot verfüge, bestünden doch Zugangshemmnisse beispielsweise hinsichtlich der Barrierefreiheit oder der seniorengerechten Ausgestaltung des Verkehrsraums. Mit einem offen angelegten Prozess unter Beteiligung von Senioren und Kommunen sei hier Abhilfe geschaffen worden.
Große Begeisterung erntete auch das Center Young Service Team, das 2001 in Lontzen (Belgien) gegründet wurde. Dabei handelt es sich um einen Jugendrückfahrdienst, der aus einer Gruppe von Freiwilligen besteht, die Jugendliche nach Partys wieder sicher nach Hause bringen. Bürgermeister Alfred Lecerf von der Gemeinde Lontzen betonte, dass dies eines der schönsten Projekte in seiner Amtszeit gewesen sei. Der Rückfahrdienst sei mittlerweile so erfolgreich, dass man ihn auch auf Raeren, Eupen und Kelmis ausgedehnt habe.
Gegen Mittag eröffnete Landrat Spelthahn gemeinsam mit Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz, Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, den “Markt der Möglichkeiten”, der auch für die Öffentlichkeit zugänglich war. Gesponsert worden war diese Veranstaltung vom Kompetenzzentrum ACC-EC (Aachener Competence Center – Electronic Commerce), in dem die AGIT (Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer mbH) der Hauptpartner ist. ACC-EC ist eines von bundesweit über 30 Kompetenzzentren und informiert kleine und mittlere Unternehmen in der Region Aachen über die Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs und dessen wirtschaftliche Nutzung.
Neben ACC-EC stellten sich unter anderem auch Einrichtungen wie die Bürgerbahn Düren, ein Eifel-Rad-Verleih, Elektromobilität ene, das Jugendtaxi im Landkreis Vulkaneifel und der Bürgerbus Heimbach vor.
Pressegespräch
In einem vom Journalisten Manfred Lang moderierten Pressegespräch wurden zahlreiche Themen rund um die ländliche Mobilität noch weiter vertieft. Landrat Spelthahn lobte vor allem das hohe bürgerschaftliche Engagement und nannte die Eifelkonferenz bereits gegen Mittag “sehr erfolgreich”. Jetzt heiße es, nicht zu resignieren, sondern auf den Wegen, die an diesem Tag aufgezeigt wurden, mutig voranzuschreiten.
Dr. Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, sprach sich vor allem für den weiteren Ausbau der Breitbandversorgung aus. Es müsse nicht nur möglich werden, Lebensmittel über das Internet zu bestellen, sondern auch die Telemedizin müsse vorangetrieben werden. “In jedes Eifeldorf gehört daher ein leistungsfähiger Breitbandanschluss”, so Streit.
Ministerpräsident Lambertz betonte, dass man gemeinsam viel mehr erreiche. “Haben Länder und Staatsgrenzen früher die Kommunikation untereinander eher verhindert, so dokumentieren sie heute Vielfalt.” Neben dem Ausbau des Breitbandnetzes empfahl Lambertz auch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, damit die Gemeinsamkeit auch besser gelebt werden könne. Jürgen Drewes, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, sprach sich ebenfalls dafür aus, die Verkehrsbeziehungen zu verbessern und sicherzustellen, dass eine große Anzahl von Menschen auch weiterhin täglich aus der Eifel aus- und einpendeln könne.
Der allgemeine Vertreter des Euskirchener Landrats, Manfred Poth, konnte passgenau zur Eifelkonferenz neue Broschüren mit dem Titel “Mobil in….” vorstellen, die für die Städte und Gemeinden des Kreises Euskirchen alles Wissenswerte rund um den ÖPNV enthielten.
Am späten Nachmittag wurden schließlich von zahlreichen Landräten, Bürgermeistern und Vertretern der Kammern elf Leitlinien der Zukunftsinitiative Eifel für eine nachhaltige und zielgruppenorientierte Mobilität im ländlichen Raum unterschrieben. Darin verspricht man, sich stark machen zu wollen für die Sicherung und Gewährleistung der Mobilität der Bevölkerung und Wirtschaft, für den Lückenschluss der A1, eine flächendeckende Breitbandversorgung, eine Kohlendioxid-neutrale Mobilität, eine neue Mobilitätskultur, mobile Dienstleistungen, den Eifeltourismus und für den Ausbau und Vertrieb regionaler Produkte.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

02.11.2010