Marathonsieg mit Nagel im Bein
Nach OP in der Mechernicher Unfallchirurgie gewinnt Markus Mey seinen ersten Marathon – Erfolg als Motivation für zukünftige Patienten – Nach Entfernung von Nagel und Schrauben will sich der Läufer auf die nächsten großen Rennen im Frühjahr vorbereiten
Mechernich/Schleiden – Eine solche Erfolgsgeschichte war selbst Prof. Dr. Jonas Andermahr, Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie im Kreiskrankenhaus Mechernich noch nicht unter gekommen. Nach einem komplizierten Beinbruch schaffte Markus Mey aus Schleiden-Morsbach es nicht nur, sein tägliches Lauftraining wieder aufzunehmen. Ziemlich genau eineinhalb Jahre später gewann der 43-Jährige seinen ersten Marathon – inklusive Nagel und Schrauben im Bein.
Markus Mey erinnert sich noch genau an den 24. Februar 2013. Es lag hoher Schnee, als er an diesem Sonntagmorgen vor dem Frühstück zu seinem Lauftraining aufbrechen wollte. Auf der obersten Stufe am Hinterausgang seines Hauses rutschte er auf dem glatten Untergrund aus und knickte mit dem Fuß so unglücklich um, dass sowohl das Waden- als auch das Schienbein komplett durchbrachen. „Der Fuß hing im rechten Winkel von meinem Bein herunter“, erzählt er.
In der Mechernicher Unfallchirurgie wird er schnell behandelt, weniger als drei Stunden nach dem Sturz liegt der Patient schon auf dem OP-Tisch von Prof. Dr. Andermahr. Während das Wadenbein von alleine wieder zusammenwachsen soll, wird entlang des Schienbeins ein ebenso langer Nagel in das Bein geklopft und mit Schrauben fixiert.
„Da stimmte genau der Aufprallwinkel“, erzählt Markus Mey, denn für einen Sturz von drei Treppenstufen war das Ergebnis doch dramatisch. Bei einem weniger sportlichen Menschen wären bei einem solchen Unfall höchstwahrscheinlich die Bänder gerissen, doch die waren bei dem trainierten Läufer so stabil, dass sie der Belastung stand hielten – und stattdessen die Knochen brachen.
Von Anfang an habe Prof. Dr. Andermahr ihm eine Perspektive gegeben – das Ziel, in Zukunft auch wieder an einem Marathonlauf teilnehmen zu können. Dass er dieses Ziel so schnell erreichen und den Lauf sogar gewinnen würde, davon war der Arzt dann aber doch überrascht: „Das war wirklich einmalig. Geglaubt habe ich es erst, als er mir die Zeitungsausschnitte vorbei brachte“, so Prof. Dr. Jonas Andermahr. „Normalerweise dauert es mindestens zwei bis drei Jahre, bis die Patienten nach so einer Verletzung wieder so fit sind, dass sie den großen Trainingsverlust aufholen können.“
Auch Markus Mey selbst konnte es kaum glauben. „Mein erstes Ziel war natürlich nicht der Wettkampf, sondern überhaupt wieder laufen zu können. Ich wollte morgens wieder meine ganz normale Runde drehen können.“ Der Familienvater hatte bereits eine 20-jährige Radrennlaufbahn hinter sich, als er vor etwa fünf Jahren mit dem Laufen begann. Mit dem Radfahren hatte er damals aufgehört, um wieder mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. Schnell merkte er, dass er nicht einfach gar nichts tun konnte und begann stattdessen mit dem Laufen.
Mit seinem besten Freund und Sponsor Helmut Peters läuft er seitdem jeden Morgen eine bis eineinhalb Stunden vor dem Frühstück – egal ob bei Regen, Sonnenschein oder an Feiertagen. Zur Zeit des Unfalls war Markus Mey gerade in der Vorbereitung für den Bonn-Marathon gewesen. „Danach habe ich jeden Tag daran gedacht, wieder das gleiche Leistungsniveau wie vor dem Sturz zu erreichen.“
Zwei Monate lang musste sich der Morsbacher allerdings erst einmal mit Krücken begnügen. Dann begann er neben dem täglichen Muskeltraining auch die ersten Laufversuche auf seinem Heimtrainer – im Leerlauf. Im Winter schließlich machte er wieder die ersten Laufschritte – was durchaus mit Schmerzen in dem noch nicht ausgeheilten Knochen verbunden war.
Prof. Dr. Andermahr konnte ihm aber schnell die Angst nehmen, an seinem Bein etwas kaputt zu machen. „Das Ziel der modernen Unfallchirurgie ist es, die Patienten so zu versorgen, dass sie am nächsten Tag wieder rumlaufen können. Dadurch, dass zügig wieder normale Bewegungsabläufe durchgeführt werden, verlernt der Bewegungsapparat nicht so schnell seine gelernten Muster“, so Prof. Dr. Andermahr. Von Markus Mey war an dieser Stelle Geduld gefragt, denn Belastung und eine falsche Schonhaltung lösten immer wieder Schmerzen aus, so dass er ungeplante Pausen einlegen musste, die sich natürlich kontraproduktiv auf sein Lauftraining auswirkten.
Vor seinem Unfall hatte der 43-Jährige zwar schon an mehreren Marathonläufen teilgenommen, es aber nie als Erster durchs Ziel geschafft. Vor seiner Zwangspause ging er allerdings als Gewinner des VR-Bank Nordeifel-Cups hervor, einer Laufserie über zehn Mal zehn Kilometern.
Das erste Rennen nach seiner Auszeit lief Markus Mey im März dieses Jahres beim 21. „Peters Scherpenberglauf“ in Gemünd. Im August startete er dann beim Ultra-Marathon über 56 Kilometer – „die längste Strecke, die ich je gelaufen bin“. Mit einer Laufzeit von 3:54:55 kehrte er als Marathonsieger nach Hause zurück – und ging zwei Monate später für den Lübeck-Marathon an den Start. Nach 42,2 Kilometer und einer Laufzeit von 2:50:04 konnte er auch dort das Siegertreppchen besteigen.
Von diesem Erfolg ist auch sein Arzt begeistert. Markus Mey überließ ihm einen der Zeitungsartikel von seinem siegreichen Marathon, den er fortan verwenden will, um seine Patienten zu motivieren. „Natürlich war ich deprimiert, als ich von 100 auf null zurückgeworfen wurde, aber schon nach zwei Tagen habe ich nur noch nach vorne geschaut. Denn die Energie in den Aufbau zu stecken bringt mehr als zu jammern und zu hadern.“
Der Direktor der Unfallchirurgie glaubt, dass die Geschichte von Markus Mey auch für seine zukünftigen Patienten hilfreich sein kann. „Leuten, die ähnliche Verletzungen haben, kann so ein Verlauf Mut machen daran zu glauben, dass ihr Unfall kein Schicksalsschlag in Hinblick auf den Ausfall im Hochleistungssport sein muss. Gerade hochmotivierte Sportler lassen sich von so einem Beispiel sicher ermutigen.“
Markus Mey betrachtet seine Leistung vor allem als Willens- und Kopfsache: „Ich bin da sehr eisern, wenn ich mir etwas vorgenommen habe“, so der Morsbacher. „Jetzt erst recht“, lautete sein Motto in der Vorbereitung auf den Marathon. Der passionierte Läufer glaubt, dass sein Körper die Auszeit genutzt hat, um sich von den Strapazen seiner sportlichen Lebensweise zu erholen. In seiner Zwangspause habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, in der er Kraft und Energie sammeln konnte. „Das sind Momente, in denen der Körper richtig zur Ruhe kommt“, so Mey.
Von Ruhe kann man inzwischen nicht mehr sprechen: Während professionelle Läufer normalerweise eine Regenerationsphase von zwei bis drei Monaten zwischen den kräftezehrenden Marathonläufen vorsehen, ging Markus Mey schon im November wieder an den Start für den Rursee-Marathon in Einruhr, nur wenige Kilometer von seinem Heimatort entfernt. „Das ist sozusagen mein Hausrennen, bei dem auch Familie, Freunde und Bekannte an der Strecke stehen, um mich anzufeuern.“ Tatsächlich konnte er 40 Kilometer lang die Führung halten, bevor er auf den letzten beiden Kilometern überholt wurde, um schließlich als Zweiter durchs Ziel zu laufen. „Nur drei Wochen nach dem Lübeck-Marathon fehlten mir einfach die Reserven“, gesteht der 43-Jährige.
Einen Tag nach dem Rursee-Marathon landete Markus Mey dann planmäßig wieder unter dem Messer von Prof. Dr. Andermahr. In der abschließenden Operation wurden der große Nagel und die Schrauben wieder aus seinem Bein entfernt. Der Patient ist optimistisch im Hinblick auf seine zukünftige Laufleistung: „Die großen Rennen fangen ja erst im Frühjahr an.“
pp/Agentur ProfiPress