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Mahnmal der Humanität

Alfred Bruske (86) veröffentlicht im Weilerswister Ralf-Liebe-Verlag seine beeindruckenden Lebenserinnerungen von Flucht und Vertreibung und der selbst mit zupackenden Findung einer neuen Heimat in Euskirchen

Euskirchen/Eifel – Eine russische Handgranate beendet das Leben der zwei jungen deutschen Soldaten, fast Kinder, die sich in einem Keller verkrochen hatten und sicher glaubten.

„Nicht einmal der verlogene Spruch »Gefallen für Führer, Volk und Vaterland« in einer Zeitungsanzeige wird an sie erinnern“, resigniert Alfred Bruske auf der Flucht, nicht ahnend, dass er selbst, ebenfalls noch ein Kind, wenig später auch Unterschlupf in einem solchen Kellerloch finden wird.

Seine beeindruckenden und lehrreichen Lebenserinnerungen hat Alfred Bruske (86) im Weilerswister Liebe-Verlag (ISBN 978-3-944566-74-3) vorgelegt. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Da pocht ihm das Herz bis zum Hals. Keiner wirft eine Handgranate nach ihm, aber im Dorf warten die neuen Herren mit Knüppeln an allen Straßenausgängen auf ihn, um ihn totzuschlagen. Im finstern Keller dämmert das Bewusstsein, dass er nie wieder in sein Heimatdörfchen zurückkann, dass „die Heimat unwiederbringlich verloren ist“.

Nicht nur das Kind Alfred Bruske, die ganze Familie und die Nachbarn, die Leute aus dem Dörfchen Hermsdorf und aus der Stadt Strehlen begeben sich auf den langen Treck nach Westen. Sie sind bedroht, aber nicht körperlich abgeschoben, und begeben sich doch im Prinzip höchst unfreiwillig aus ihrer angestammten Umgebung und von ihrem Eigentum. Die Bezeichnung „Flüchtlinge“, die man im Westen für sie fand, wenn man sie nicht gleich „Pimock“ nannte, werden sie nie gelten lassen. Sie werden darauf bestehen, genannt zu werden, was sie tatsächlich sind: Heimatvertriebene.

Geflohen oder vertrieben?

Und das sind Flüchtlinge in den allermeisten Fällen, auch heute noch, wo die Problematik aktueller denn je ist. Deshalb sollte man die ewige Skepsis der Nachkriegsgeneration („Ist dieses Kapitel denn nie vorbei?“) angesichts von Alfred Bruskes Buch „Mein langer Weg – 1931 bis 2017, Lebenssituationen von Schlesien, Flucht über Vertreibung zur Heimatfindung“ nicht gelten lassen.

Jüngere werden begehrlich nach dem über 200seitigen Buch greifen, das der Euenheimer Schreinermeister, Berufsschullehrer, Waidmann, Lyriker, Natur- und Menschenfreund Alfred Bruske (86) geschrieben und der Weilerswister Verleger Ralf Liebe (ISBN 978-3-944566-74-3) für 14 Euro in den Buchhandel gebracht hat.

Das Thema Flucht ist defintiv nicht vorbei, und wahrscheinlich war es hochnötig, daran zu erinnern, dass es nichts mit Wohlstandsklauberei zu tun hat, wenn Menschen vor Krieg, Unterjochung und systematischer Vertreibung abhauen, wo sie waren, um an anderem Ort ein besseres Leben zu finden. So, wie es der Autor selbst und seine Familie nach Krieg und Vertreibung im Rheinland, er in Euskirchen, seine Schwestern in Köln und im Sauerland, gefunden haben.

Der Euenheimer Schreinermeister, Berufsschullehrer, Waidmann, Lyriker, Natur- und Menschenfreund Alfred Bruske (86) hat viel Zuspruch erfahren, seit seine Lebenserinnerungen vor einigen Wochen in den Buchhandel gekommen sind. „Die Leute sind jetzt auch ihrerseits viel offener, nachdem ich so viel von mir preisgegeben habe“, verrät der Autor. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

An dem Buch hat Bruske, der sich bislang schriftstellerisch als Jagdlyriker betätigte, anderthalb Jahre geschrieben. Der eigentliche Entstehungsprozess dauerte Jahrzehnte, den Inhalt diverser Notizen aus über 80 Jahren schrieb das Leben selbst, die Schwierigkeit bestand im Weglassen, verriet der 86jährige beim Gespräch in der Redaktion der Agentur ProfiPress.

Schreiben gegen den Schmerz

Das Schreiben habe bei ihm tatsächlich seinen therapeutischen Zweck erfüllt, erzählt der engagierte Jugend- und Sozialarbeiter und Religionslehrer am Euskirchener Thomas-Eßer-Berufskolleg. Dem wie seine Eltern- und Großelterngeneration traumatisierten Autor ist es nach dem Schreiben jetzt „leichter ums Herz“.

Albträume wie der vom minenzerfetzten Polen, der noch sterbend „Madka! Madka!“ nach seiner Mutter schreit, sind weniger geworden. Und Bruske muss auch nicht wie noch sein beständig über seine Kriegserlebnisse schweigender Vater ab und zu zur Flasche greifen, um den Schmerz zu betäuben und die Bilder zu vertreiben.

Das Vorwort zu Alfred Bruskes beeindruckender auch sprachlich ausgereifter Autobiographie hat sein Lehrerkollege Hans-Helmut Wiskirchen geschrieben. Der redete ihm auch aus, seine Privatmemoiren nur für die eigenen Kinder und Enkel aufzuschreiben. Wiskirchen erblickt in Bruskes „langem Weg“ angesichts verlogener Naziideologie, verlorener Kindheit, aufgenötigter Flucht und dem zupackenden Finden einer neuen Heimat ein „Mahnmal der Humanität“.

pp/Agentur ProfiPress