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AllgemeinRotes Kreuz im Kreis Euskirchen

„Load & Go“ hieß die Devise

1968 war der Rettungsdienst noch weitaus weniger professionell als das heute der Fall ist – Katastrophenschutz stand im Zeichen des Kalten Krieges

Kreis Euskirchen/Vogelsang – Wer einen Unfall hat oder medizinische Hilfe benötigt, sollte froh sein, heute zu leben. Über Handys ist es, bis auf wenige Funklöcher in der Eifel, von überall möglich, Hilfe zu rufen. Und ein moderner Rettungswagen ist ausgestattet wie eine mobile Notaufnahme. Das war 1968 noch komplett anders.

„Man muss sich nur mal einen Verkehrsunfall zwischen Hellenthal und Losheim vorstellen. Da brauchte man als Melder ja schon allein zehn Minuten, bis man ein Haus mit Telefon gefunden hat, von dem aus man einen Krankenwagen rufen konnte“, berichtete Rolf Zimmermann, ehemaliger Kreisgeschäftsführer des Roten Kreuzes in Euskirchen und jetzt Leiter des Rotkreuz-Museums in Vogelsang. Eine zentrale Leitstelle wie es sie heute im Kreishaus gibt, war auch noch Zukunftsmusik. Die Anrufe liefen bei den örtlichen Feuerwehren auf.

Rolf Zimmermann, Leiter des Rotkreuz-Museums auf Vogelsang, in einem Rettungswagen des Roten Kreuzes wie er Anfang der 1970er-Jahre, also kurz nach 1968, ausgestattet war. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Und wenn man dann Glück hatte, verfügte die Besatzung des Krankenwagens über ausreichend medizinische Kenntnisse. Denn auch das war damals noch nicht unbedingt gegeben. Erfahrung mit Patienten hatte nicht jeder der Fahrer. Es gab in der Eifel sogar Krankenwagenfahrer, die alleine unterwegs waren und dann irgendwie zusehen mussten, wie sie Patienten in den Wagen hieven konnten.

Krankenwagen durfte man sich auch nicht so vorstellen wie heute. Es gab umgebaute Mercedes-Fahrzeuge, sogenannte „Hoch-Lang“-Varianten, in denen die Patienten liegend transportiert wurden und die so flach waren, dass man kaum an ihnen arbeiten konnte – was aber gerade auf dem Land wegen der langen Fahrzeiten zum Krankenhaus oft nötig war, im Gegensatz zur Stadt, wo vielmals nach dem Prinzip „Load & Go“ vorgegangen wurde. „Auf dem Land lag das Hauptaugenmerk beim Transport auf der Aufrechterhaltung des Lebens“, sagte Zimmermann, der selbst 1970 ins Rote Kreuz eintrat.

Umdenken durch Massenkarambolage

Das System der Notärzte, wie man es heute kennt – die also mit eigenen Fahrzeugen zu Einsatzstellen gebracht werden – entwickelte sich im Kreis Euskirchen erst Ende der 70er-Jahre. Einen homogenen Rettungsdienst gab es ebenfalls noch nicht: Die Sanitäter hatten unterschiedliche medizinische Kenntnisse.

Ein echtes Umdenken fand nach der Massenkarambolage auf der Autobahn 61 zwischen Weilerswist und Rheinbach am 11. Januar 1985 statt. Im Nebel waren mehr als 150 Autos verunglückt, 13 Menschen starben, 50 wurden verletzt. Mittlerweile gilt der Grundsatz eines homogenen Systems: Alle Sanitäter müssen die gleichen Grundlagen besitzen. Die Notärzte haben eigene Fahrzeuge, „stationiert“ in den drei Krankenhäusern im Kreis, hinzu kommen diverse, über den Kreis verteilte Rettungswachen, die vom Kreisrettungsdienst, vom Deutschen Roten Kreuz und vom Malteser Hilfsdienst besetzt sind.

Der Katastrophenschutz im Einsatz: Wie auf diesem Modell im Rotkreuz-Museum hätte es im Ernstfall Ende der 60er-Jahre ausgesehen. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Natürlich gab es 1968 auch einen Katastrophenschutz. „Mitten im Kalten Krieg galt das Motto, dass es jederzeit zu einem Krieg kommen könnte“, berichtete Zimmermann. Gegliedert war der Katastrophenschutz in drei Ebenen. Der Bund widmete sich dem Katastrophenschutz im Verteidigungsfall und hatte den Luftschutzhilfsdienst, der später in den Zivilschutz aufging. Die Länder kümmerten sich um den zivilen Katastrophenschutz. Und auf kommunaler Ebene stand der Rettungsdient mit Krankenwagen im Vordergrund, die ab Mitte der 60er-Jahre besser ausgestattet wurden.

Für den Rettungsdienst war der Umgang mit Patienten alltäglich. „Die Leute dort waren in den zivilen Rettungsdienst eingebunden oder waren zu Sanitätsbetreuungen abgestellt“, erinnert sich Zimmermann. Das gilt für die Kollegen auf Landes- und Bundesebene nicht unbedingt. Oft waren junge Leute eingebunden, die den Wehrdienst umgingen und sich stattdessen für mehrere Jahre beim Katastrophenschutz engagierten. Hinzu kam: Es wurde zwar intensiv geübt, wie Rolf Zimmermann sich aus eigener Erfahrung erinnert, aber echte Einsätze gab es kaum.

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende des Kalten Krieges wurde der Katastrophenschutz Mitte der 90er-Jahre umgestellt. Aus den ehemaligen Komponenten des Bundes- und Landeskatastrophenschutzes sind neue Einsatzeinheiten gebildet worden, von denen es fünf im Kreis Euskirchen gibt: vier vom Roten Kreuz, eine der Malteser. Und weil der Bundeswehr-Ersatzdienst weggefallen ist, ist das heute für Rolf Zimmermann „das ehrlichste Ehrenamt, denn es gibt keine externe Motivation mehr“.

pp/Agentur ProfiPress