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Kriminelle Phantasien am Kartstein

Kriminelle Phantasien am Kartstein
Vier Autoren lasen aus Anlass der “Criminale 2010 Nordeifel” in der Kakushöhle – Jürgen Ehlers hatte eine Geschichte geschrieben, die unmittelbar vor Ort spielte
Mechernich – Die “Criminale 2010 Nordeifel” hinterließ am Donnerstagabend auch ihre Spuren in der Kakushöhle bei Eiserfey-Dreimühlen. Anders als die Menschen, die hier vor Zehntausenden von Jahren Schutz, Zuflucht und Geborgenheit suchten, kamen über 60 krimibegeisterte Zuhörer, um sich an mörderischen Geschichten rund um vergiftetem Kandiszucker, Serientäter und gewaltbereite Ehemänner zu erfreuen. Aber auch ihnen gewährte die Höhle Zuflucht, vor allem, als es draußen kräftig zu regnen begann.
Dass die Veranstaltung hier überhaupt stattfinden konnte, war vor allem zwei Menschen zu verdanken: Elvira Steimann und Holger Schmitz von der Stadt Mechernich hatten sich schon Monate im Voraus um den Lesestandort gekümmert. Doch damit nicht genug, hatten sie auch noch dafür gesorgt, dass eine Lesung in der Grube Günnersdorf und eine in der Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat auf die Beine gestellt wurde. Dabei waren sich die beiden für keine Arbeit zu schade. Da die Kakushöhle unter Naturschutz steht und die dort lebenden Fledermäuse nicht gestört werden durften, verzichtete man auf elektrisches Licht. Lediglich am Autorentisch gab es ein kleines Leselämpchen. Beim Ein- und Auszug der Gäste fungierte Elvira Steimann, die nebenher noch Karten abriss, Stühle schleppte und einen Büchertisch organisiert hatte, quasi auch noch als Beleuchter und sorgte mit einer großen Taschenlampe dafür, dass sich niemand auf die Nase legte. Gleichzeitig hielt sie die Autoren mit einem kleinen Plausch bei Laune, umsorgte sie mit Wasser und schaute nach, ob der Grill schon in Betrieb war.
Da alle offiziellen Vertreter der Stadt an diesem Abend verhindert waren, übernahm Holger Schmitz kurzerhand selbst die Moderation, begrüßte die Gäste und stellte dem Publikum die Autoren vor. Noch am Nachmittag hatte der Bauhof an der Kakushöhle ein paar Absperrungen repariert und die Wege freigeschnitten. Dutzende von Strohballen mussten zudem als Sitzmöglichkeit für das Publikum in die Höhle getragen werden.
Auch die Mitarbeiter des AWO-Cafés waren im vollen Einsatz, um die Gäste mit Getränken und Gegrilltem zu versorgen. Im kleinen Café an der Kakushöhle war zudem ein Büchertisch aufgebaut, wo man Bücher der lesenden Autoren erstehen und sie sich anschließend signieren lassen konnte. Viele Gäste waren schon lange nicht mehr in dem Café gewesen und freuten sich über das von Franziska Keunecke aus Eiserfey liebevoll eingerichtete Innere. Manche erinnerte sich noch an die Zeiten, da die Einrichtung mehr eine Art Bier- und Pommes-Bude gewesen war, um die man lieber einen großen Bogen machte. “Hier ist es ja richtig gemütlich geworden”, sagte ein Mann ganz erstaunt, der betonte, jetzt doch mal öfter mit der Familie vorbeikommen zu wollen.
Gleich vier Kriminalschriftsteller lasen den Besuchern aus ihren Werken vor. Ulla Lessmann, die langjährige Chefredakteurin des “Vorwärts”, machte den Anfang. Danach gab es eine Lesung mit leicht schweizerischem Zungenschlag. Barbara Saladin, Journalistin und Redakteurin in Basel, ist jedoch nicht nur Krimischriftstellerin, sondern zudem seit 2009 Botschafterin der Ostfriesischen Inseln in der Schweiz. Wahrscheinlich ging es in ihrer Geschichte auch deshalb um vergifteten Kandiszucker.
Seine Romane und Geschichten spielten vielfach im Rurgebiet, berichtete sodann Kurt Lehmkuhl und wies darauf hin, dass er Journalisten immer sagen müsse, sie sollten Rur ohne H schreiben, da der Fluss Rur und nicht der Fluss Ruhr gemeint sei. Lehmkuhl berichtete von zahlreichen Morden an Frauen im Raum Düren.
Schließlich aber nahm Jürgen Ehlers am Lesetisch Platz. Seine Erzählung wurde mit besonderer Spannung erwartet, denn sie spielte direkt in der Kakushöhle. Ehlers arbeitet beruflich im Geologischen Landesamt Hamburg. 2006 erhielt er den Friedrich-Glauser-Preis für den besten deutschen Kurzkrimi.
Um sich inspirieren zu lassen, war Ehlers eigens im Frühling nach Eiserfey gereist. Dort hatte sich die Freie Fachdozentin Dr. Anne Katharina Zschocke aus Tondorf die Zeit genommen, dem Hamburger auf höchst versierte Weise die geologischen, kulturgeschichtlichen und naturkundlichen Besonderheiten der Höhle nahezubringen. Dabei hatte sie unter anderem auch darauf hingewiesen, dass die Angst vor dem Tod in keltischer Zeit keine so große Rolle wie heute gespielt habe. In der regelmäßigen Wiederkehr natürlicher Vorgänge, im Zyklus von Leben, Tod und Wiedergeburt habe der Mensch vielmehr ein großes Gefühl der Geborgenheit empfunden. Aber all das hatte offenbar nichts gefruchtet, vielleicht weil Ehlers keine Liebeslyrik schreibt, sondern Kriminalgeschichten. Die sympathische Ärztin und beliebte Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Naturschutzzentrums Eifel in Nettersheim, die nicht nur aus zahlreichen Radiosendungen, sondern auch aus dem erfolgreichen ARD-Film “Wildes Wasser Eifel” bekannt ist, mutierte sogar in seiner Geschichte zur schnippischen Höhlenführerin. Vom Zauber, den sie an diesem Tag versprüht hatte, und von der Begeisterung für den außergewöhnlichen Ort war leider nichts mehr zu spüren. Denn Genre ist halt Genre. Oder wie Ehlers augenzwinkernd meinte: “Ich bin Beamter, und so sind auch meine Geschichten.”
Seine Story hatte er denn auch mit verwaltungstechnischer Raffiniertheit geplant. Der Ehemann, der seine Frau in die Höhle lockte, um sich ihrer dort durch einen Schlag mit dem eisernen Kuhfuß – den er zuvor im Kommerner Baumarkt erstanden hatte – zu entledigen, wurde plötzlich selbst das Opfer, weil er nicht ahnte, dass seine Frau in Wahrheit noch weitaus perfider war als er selbst.
Für die Akteure gab es großen Applaus und trotz der nasskalten Witterung waren die Zuhörer von der ungewöhnlichen Veranstaltung mehr als begeistert.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

14.09.2010