Kreis bekommt fürs Soziale eine „Zwei bis Drei“
Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände mit Kreistagsabgeordneten im Evangelischen Gemeindesaal – Politiker zeigten sich verständnis- und hilfsbereit – Nadine Günther und Pfarrer Edgar Hoffmann begrüßten als Gastgeber – Manfred Lang moderierte für Caritas, Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie und Paritätischen Wohlfahrtsverband
Euskirchen/Eifel – Die AfD hatte abgesagt, die Piraten nicht einmal auf die Einladung zur Podiumsdiskussion der Wohlfahrtsverbände in Euskirchen geantwortet. Und Thomas Bell (Linkspartei) hatte Diakonie-Geschäftsführererin Nadine Günther zwar zugesagt, kam aber nicht zur Podiumsdiskussion vor den Kommunal- und Kreistagswahlen ins Evangelische Gemeindezentrum an der Kölner Straße in Euskirchen.
Damit sind die Negativpunkte in der Bilanz dieser sozialpolitischen Traditionsveranstaltung aber auch schon aufgezählt. Denn die Kreistagsabgeordneten Ute Stolz (CDU), Markus Ramers (SPD), Hans Reiff (FDP), Angela Kalnins (Bündnis 90/Die Grünen) und Franz Troschke (UWV) lieferten sich einen ausgesprochen lebhaften wie kompetenten Schlagabtausch mit zahlreichen Vertretern von Rotem Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, Kinderschutzbund und Paritätischem Wohlfahrtsverband.
Diese gemeinnützigen und karitativen Organisationen sind im Kreis Euskirchen in der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (AGW) zusammengeschlossen. Der Vorsitz rotiert und liegt zurzeit in den Händen von Nadine Günther. Das Thema dieser dritten großen Podiumsdebatte um sozialpolitische Themen, die die AGW seit den NRW-Landtagswahlen 2012 hintereinander veranstaltet, lautete „Soziale Angebote als Standortfaktor“. Die Frage war: „Ist der Kreis Euskirchen auch in Zukunft lebenswert?“
Damit reihten sich die Wohlfahrtsverbände mit in die zur Zeit laufende Debatte um Familienfreundliche Unternehmen, Familiengenossenschaft und Netzwerk Familie ein, mit der der Kreis Euskirchen und besonders dessen Eifelteil Standortnachteile gegenüber den Ballungsrandzonen wettmachen will.
Besondere Familienfreundlichkeit, eine gute Infrastruktur mit Kindergärten, Schulen, Pflege- und Seniorenheimen, medizinische Versorgung und ambulante Pflege spielen bei der Wohnort- und Arbeitsplatzwahl heutzutage eine ebenso große Rolle wie Arbeitsplatz und Wohnqualität selbst.
In beiden Fällen muss auch die Bezahlung stimmen: Die Löhne dürfen nicht zu niedrig, Bauland- und Mietpreise nicht zu hoch sein. Dann besteht die Möglichkeit, dass die nordrhein-westfälische Eifel nicht so drastisch Einwohner verliert, wie das im Süden beispielsweise im Vulkaneifelkreis bereits der Fall ist.
Die Podiumsdiskussion diente nun unter anderem dazu, den Politikern mehr als nur Lippenbekenntnisse abzuringen für die soziale Versorgung des Kreises Euskirchen. Und dazu ließen sich Markus Ramers, Hans Reiff, Ute Stolz, Angela Kalnins und Franz Troschke gerne bitten: Hätte noch am Veranstaltungsort der Podiumsdiskussion, im Evangelischen Gemeindezentrum an der Kölner Straße, eine Probeabstimmung stattgefunden, es hätte eine klare Mehrheit für die Wiedereinführung der so genannten Globaldotierung gegeben, mit der der Kreis früher die Ehrenamtlichen bei den Wohlfahrtsverbänden pauschal honorierte.
Diese Verpflichtung gab der Kreis seinerzeit auf, als die Kreisparkasse die Ausschüttung von jährlich 50.000 Euro über ihre Bürgerstiftung einführte. Damit ging eine Kreisaufgabe klammheimlich an eine Stiftung über, kritisierten Podiumsteilnehmer jetzt. Und auch Markus Ramers, der Kreisparteichef der SPD und Vorsitzender dieser KSK-Bürgerstiftung ist, räumte bei der Sozialdebatte am Montag ein, es sei unabhängig der Honorierung durch „seine“ Stiftung originäre Kreisaufgabe, die Wohlfahrtsverbände auch im Ehrenamtsbereich zu unterstützen. Schließlich nähmen sie Aufgaben wahr, die sonst der Kreis und die Kommunen selbst erledigen müssten.
1,7 Millionen Euro, so rechnete FDP-Kreistagsfraktionschef Hans Reiff vor, gebe der Kreis für die soziale Aufgaben aus. Gleichwohl erklärte der Liberale, man müsse genau hinschauen und die einzelnen Arbeitsfelder und Aufgabengebiete unter die Lupe nehmen. Es könne durchaus der Fall sein, dass die sozialen Organisationen mehr Geld brauchen, als sie tatsächlich heute bekommen.
Dass das sehr leicht der Fall sein kann erläuterten unter anderem DRK-Kindertagesstätten-Leiterin Trudi Baum und Bernhard Becker von der Suchtkrankenbetreuung der Euskirchener Caritas. So „steigen“ die Zuschüsse nach dem Kinderbildungsgesetz (KIBiz) zwar um 1,5 Prozent pro Jahr. Aber allein die Tariferhöhungen fürs Personal fressen diese Mehrzahlungen komplett wieder auf. Netto wird das Geld immer weniger, mit dem zum Beispiel die Kindergärten auskommen müssen.
Umso tragischer ist es laut Rotkreuz-Kreisgeschäftsführer Rolf Klöcker, wenn ehedem kommunale Träger, wie zur Stunde die Stadt Bad Münstereifel, versuchen, sich beim Ausbau der Räumlichkeiten für die U-3-Betreuung aus der finanziellen Verantwortung zu stehlen.
Nachdem Pfarrer Edgar Hoffmann und Nadine Günther knapp 80 Teilnehmer aus den Reihen der Wohlfahrtsverbände begrüßt hatten, eröffnete der unter anderem als PR-Begleiter des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen tätige Redakteur, Diakon und Moderator Manfred Lang den Nachmittag mit der Aufforderung an die Politiker, die soziale Situation im Kreis Euskirchen mit Schulnoten zu beurteilen.
Mit den Worten, der Kreis sei nicht der „Kölnberg“, Vingst, Chorweiler, „nicht einmal Düren . . .“, aber eben auch nicht die „heile Welt“ hatte Lang das Ergebnis tendenziell schon vorwegnommen. Während die beiden Frauen auf dem Podium, Ute Stolz (CDU) und Angela Kalnins (Bündnis 90/Die Grünen), dem Kreis eine soziale „Zwei minus“ gaben, kamen die drei Männer übereinstimmend nur auf eine „3“, aber damit immerhin auf ein „Befriedigend“..
Zunehmende Armut, versteckte Kinderarmut, Obdachlosigkeit, Migration und Unterversorgung mit sozialen Einrichtungen spielen hierzulande eine Rolle. Soziale Probleme, Armut trotz Arbeit, die negative Bevölkerungsentwicklung müssen politisch bewältigt werden. Und da kann der Kreis ohne die Kommunen kaum etwas Sinnvolles erreichen. Wiederholt erklärten sich die Kreispolitiker für nicht zuständig oder nicht autorisiert, falsche Entwicklungen zu beeinflussen.
Die Kommunen arbeiteten vielfach jede für sich, so der Tenor, manchmal auch zusammen, partiell auch gegeneinander. Die Bürgermeisterkonferenz, die eigentlich Druck gegen den Landrat und beim Kreistag aufbauen könnte, bezeichnete UWV-Kreistagsabgeordneter Franz Troschke als „zahnlosen Tiger“. Nadine Günther bedankte sich am Ende für ein äußerst lebhaftes Podiumsgespräch, an dem sich auch die Vertreter der Wohlfahrtsverbände gut und qualifiziert beteiligten. Den Politikern dankte sie für ihre Fairness und ihr konstruktives Bemühen. Man wolle in Verbindung bleiben und sich kurzfristig gegenseitig Bedarf und Erwartungshaltung mitteilen.
pp/Agentur ProfiPress