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„He komme de Kaller Knäechte“

Kaller Junggesellen pflegen einen alten Brauch – „Maigeloog“ ist seit Jahrzehnten bestechlich – Viele Maipaare landeten im Hafen der Ehe – Jugendliche sind zum Mitmachen eingeladen

Kall – Das Maigeloog in Kall ist bekannt für ein ganz ausgefallenes Brauchtum: Es verkuppelt seit vielen Jahrzehnten Pärchen, es ist bis auf den heutigen Tag offiziell bestechlich und es tagt traditionell nur hinter verschlossenen Türen. Der Maibrauch in Kall hat eine einzigartige Tradition, von der man leider nicht weiß, wann sie ihren Anfang genommen hat. „Daten und Einzelheiten sind nicht bekannt, fest steht nur, dass der alte Brauch nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt wurde“, weiß der stellvertretende „Hötjong“ des aktuellen Geloogs, Lukas Müller, zu berichten.

„Vize“ Lukas Müller führt mit dem neugewählten „Hötjong“ Mike Herr das aktuelle Maigeloog, dem rund 25 Junggesellen angehören, die in wochenlanger Arbeit die Maifeierlichkeiten in Kall organisieren. Viele der Junggesellen opfern dafür acht Tage Urlaub, um auf dem Maiplatz neben dem Hallenbad präsent zu sein und um letzte wichtige Vorbereitungen zu treffen. Diese sind vielseitig: Maipaare zusammenstellen, die Freikaufliste führen, Genehmigungen einholen, den Dorfmaibaum aus dem Wald schaffen, Holz fürs Feuer am Maiplatz hacken und den Königs-Maibaum schmücken sind nur einige Aufgaben.

Das Maikönigspaar wird, begleitet von den Maipaaren, in der Kutsche durch den Ort zum Saal Gier gefahren, wo anschließend der Maiball stattfindet. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Werden andernorts ledige Frauen vor den Maifeiertagen versteigert, so gehrt man in Kall den Weg der Verkuppelung von Männlein und Weiblein. In langen Sitzungen hinter verschlossenen Türen stellt das Maigeloog Paare zusammen, die am Vorabend des Maifeiertages öffentlich ausgerufen werden. Dabei steht das Geloog immer wieder vor der großen Herausforderung, ledige Mädchen ab 16 Jahren und Junggesellen ab 18 Jahren aufzuspüren. Konnten die Geloogsjungen in ganz frühen Jahren auf Meldelisten der Gemeindeverwaltung zurückgreifen, so hat der Datenschutz diese Hilfe längst zunichte gemacht.

Jedes Jahr werden nach wochenlangen Recherchen des Geloogs rund 200 Paare und das Maikönigspaar auf die Mailiste gebracht, wobei die Beratungen im Vereinslokal Gier hinter verschlossener Tür stattfinden. Die fertige Liste hüten Hötjong Mike Herr und sein Vize Lukas Müller im verschlossenen Geloogs-Koffer, der auch während der einwöchigen Präsenz des Geloogs auf dem Maiplatz neben dem Hallenbad stets griffbereit ist.

Geld oder Kiste Bier

Denn sobald das Geloog auf dem Maiplatz seine Zelte aufgeschlagen hat, hat jeder Kaller Junggeselle noch die Chance, seinen Wunsch nach einer begehrten Herzdame, mit der er gern auf der Mailiste stehen würde, erfüllt zu bekommen. Gegen eine Geldspende oder auch einen Kasten Bier ist das Geloog nämlich gerne bereit, Wünsche zu erfüllen und die Mailiste zu ändern. Die Bestechlichkeit des Geloogs hat eine ebenso lange Tradition wie der Maibrauch selbst.

Jungen Frauen gegenüber ist der alte Maibrauch allerdings weniger gerecht: Denn sie haben keine Möglichkeit, sich kurz vor Toresschluss noch ihren Wunschprinzen mit Hilfe eines Zehners oder einer Kiste Bier an Land zu ziehen. Hötjong Mike Herr: „Der Besuch von jungen Damen im Hauptquartier des Geloogs ist bis zum Beginn der offiziellen Maifeier absolut tabu.“

In den 70er und 80er Jahren fanden die Kaller Maifeiern noch in der Bahnhofstraße auf dem Platz zwischen dem damaligen Feuerwehrgerätehaus und dem alten Rathaus statt. Unser Bild vom 1. Mai 1968 zeigt das damalige Königspaar Roswitha Schreiber und Helmut Schmidt beim Maitanz. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Auch der Ort des Ausrufens der Maipaare auf dem Felsen oberhalb der Gemünder Straße ist für die Maimädchen tabu. Sie müssen mit dem Publikum unten auf der Straße gespannt darauf warten, mit welchem Jüngling sie ausgerufen werden. Freude und Enttäuschung liegen dabei oft nah beieinander. Dennoch versteht das Geloog das Zusammenstellen der Mailiste derart gut, dass schon aus manchem Maipaar später auch ein Ehepaar wurde.

Ein lebendes Beispiel dafür sind Roswitha und Helmut Schmidt, die letztes Jahr ihre Goldhochzeit feierten. 50 Jahre war es her gewesen, als der damalige Maigeloog-Hötjong Ernst Schneiders am 30. April 1968 die beiden mit dem Ausruf „Schmidte Helmut es jenau so jot wie Schreibers Roswitha; Schreibers Roswitha es jenau so jot wie Schmidte Helmut“ als Maikönigspaar bekannt gab. Und auch auf einem Gruppenbild ehemaliger Maipaare im Jahr 1989 sind mehrere spätere Ehepaare zu sehen.

Genau 30 Jahre ist es her, als sich am 1. Mai 1989 ehemalige Maiköniginnen und -könige am Neuen Markt mit dem damaligen Königspaar Angelika Hermanns und Ralf Esser (Vordergrund) zum Gruppenfoto stellten. So wie die beiden haben viele ehemalige Maipaare später geheiratet. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Das Ausrufen der Maipaare ist einer der Höhepunkte der Maifeierlichkeiten und beginnt mit dem lauten Ruf des Hötjongs: „Hüet, wat de Kaller Kühet befiehlt!“ (Höret, was der Kaller Kuhhirte befiehlt). Es folgt die Antwort der Zuschauer auf der Gemünder Straße: „Wat ess dat dann?“ (Was ist das denn?). Dann rufen die Geloogsjungen die Maipaare aus: „Meiersch Hermann es jenau so jot wie Schmitze Maria…“ mit dem Zusatz: „Des Johr zu Ihre, nächs Johr zu Liehre, wolle mer die zwei och ens e Johr be-enee-doon“ (Dieses Jahr zur Ehre, nächstes Jahr zur Lehre, wollen wir die beiden auch einmal ein Jahr zusammentun). Als letztes Paar wird das Königspaar ausgerufen, das dann zum Abschluss des Ausrufens den ersten Maiwalzer auf den Asphalt der Gemünder Straße legt.

Früher wurden Eier gesammelt

Für die Geloogsjungen beginnt danach eine lange Nacht. In Gruppen aufgeteilt ziehen sie zum Maisingen in Kall von Haus zu Haus, um Geld oder Flüssiges zu sammeln. Bis tief in die Nacht hinein hört man in Kall den Heische-Gesang der Junggesellen, bei dem es früher hauptsächlich um das Sammeln von Eiern ging.

Mit dem traditionellen Lied „He komme die Kaller Knäechte, viele Roseblümelein; Se hollen de Eier om Päedche, viele Roseblümelein, lieblich ist das Mägdelein (Hier kommen die Kaller Knechte, sie holen die Eier auf dem Pferde).

Führen das Kaller Maigeloog im Jahr 2019: Hötjong Mike Herr (rechts) und dessen Stellvertreter Lukas Müller mit dem Koffer, in dem sich unter anderem die geheime Liste der Maipaare befindet. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Bekommen die Sänger eine Spende, bedanken sie sich mit den Zeilen „Habt Dank, habt Dank, habt‘s gut gemacht, viele Roseblümelein; Sie haben uns ein Geschenk gemacht, viele Roseblümelein…“ Öffnet jemand nicht direkt die Tür, singen die Jungen „Wollt Ihr Üch net jet zaue, doon mir de Tür ophaue“, oder „Wollt Ihr Üch net je iele, doon mir de Dür opfiele“.

Öffnet gar keiner die Tür, dann singen die Junggesellen den Schmähgesang „Die Frau die hät e paar schwazze Been, viele Roseblümelein, die senn esu schwazz wie ne Schoresteen, Jabeck, Jabeck, Jizzhals“. (Die Frau die hat ein Paar schwarze Beine, die sind so schwarz wie ein Schornstein – Geizhals). Offenbar waren früher die Frauen für das Geben der Spende verantwortlich, denn nur gegen sie richtet sich der Unmut in dem uralten Heische-Gesang.

Das Ausrufen der Maipaare am Nachmittag des 30. April erfolgt vom hochgelegenen Felsen an der Gemünder Straße aus. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Während die Junggesellen auf Heischegang sind, treffen sich die Kaller Bürger, die Vereine und Maipaare am Feuer auf dem Maiplatz. Am Maifeiertag zieht ein Festzug mit dem Maikönig in der Kutsche zum Haus der Maikönigin, um diese zum Maiball im Saal Gier anzuholen.

Das Programm der Maiwoche

„Es wird wieder ein stattlicher Baum sein, der auf dem Maiplatz aufgestellt wird“, verspricht Hötjong Mike Herr. Deshalb sind alle Kaller Jungmänner ab 16 Jahren aufgerufen, das Geloog beim Abholen des Baumes aus dem Wald und beim Aufstellen auf dem Maiplatz zu unterstützen.

Die letzten Vorbereitungen zum 1. Mai beginnen am Donnerstag, 25. April, mit dem Aufbau des Maiplatzes am Hallenbad. Am Samstagnachmittag, 27. April, steht dann das Abholen des Dorfmaibaums auf dem Programm. Dabei hofft das Geloog auf die tatkräftige Hilfe aller Jungen ab 16 Jahren. Am Sonntag, 28. April, um 18 Uhr findet in der vom Geloog geschmückten Pfarrkirche die traditionelle Maimesse statt. Dazu sind alle Kaller herzlich eingeladen.

Das aktuelle Kaller Maigeloog im Jahr 2019 mit dem Hötjong Mike Herr und dem Stellvertreter Lukas Müller. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Das Ausrufen der rund 200 Maipaare beginnt am Dienstag, 30. April, um 16 Uhr vom Felsen an der Gemünder Straße. Höhepunkt des Ausrufens ist die Verkündigung des Maipaares, dessen Identität bis dahin streng geheim gehalten wird. Anschließend ist gemütliches Beisammensein am Feuer auf dem Maiplatz.

Nächtliches Maibaumstecken 1968 an einem Haus in Kall. Foto: Reiner Züll/pp/Agentur ProfiPress

Der große Umzug am Mittwoch, 1. Mai, startet um 13 Uhr ab dem Feuerwehrgerätehaus. Von dort aus wird der Maikönig in einer Kutsche und unter Begleitung aller Maipaare und der Musikkapelle Kall zum Haus der Maikönigin gefahren, wo auch Bürgermeister Hermann-Josef Esser und Ortsvorsteher Stefan Kupp dem Königspaar ihre Aufwartung machen. Nach einem Umtrunk und einem Walzertanz des Königspaares startet der Festzug zum Maiball im Saal Gier. Das Geloog, der Bürgermeister und der Ortsvorsteher hoffen, dass sich die Kaller Bevölkerung rege an den Maifeierlichkeiten beteiligt.

pp/Agentur ProfiPress