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Hauptfiguren sind heute meist weiblich

Hauptfiguren sind heute meist weiblich
Autorin Viola Alvarez brachte Schülern des Gymnasiums Am Turmhof die Besonderheiten des Schriftstellerdaseins nahe – 150.000 belletristische Artikel im Jahr – Antike Schreiber bekamen ihr Werk angeblich vom Dämon eingehaucht
Mechernich – Die Autorin Viola Alvarez besuchte jetzt das Gymnasium Am Turmhof, um vor etwa 60 Schülerinnen und Schülern der Stufe 10 bis 12 einen Vortrag über die Arbeit einer Schriftstellerin zu halten.
“Finden Sie es nicht frustrierend, wenn der Verlag Ihnen vorschreibt, wie und was Sie zu schreiben haben, und Sie Änderungen durchführen müssen, von denen Sie eigentlich gar nichts halten?” fragte Stella Lakhal (Stufe 12) die Autorin. Diese konterte selbstbewusst und überzeugend: “Nein, denn in diesem Beruf kann ich mich frei entfalten und selbst verwirklichen. In keinem Job kann man nur das tun, was man mag. Änderungen machen nur einen kleinen Teil meiner Tätigkeit aus. Damit kann ich leben.”
Schulleiter Josef van de Gey hatte die 1971 in Lemgo/Westfalen geborene Schriftstellerin eingeladen, da sie ihn vor etwa zwei Monaten mit einem Vortrag beeindruckt hatte, den sie nun in vereinfachter Variante wiederholte. Im Schnelldurchgang skizzierte Alvarez von der griechischen Antike bis zur Gegenwart das (Selbst-)Bildnis von Schriftstellern – immer im Hinblick auf die Frage: “Woher kommt eigentlich die Idee?” Die Idee zum Schreiben, die Idee zum Thema, die Idee zum Gesamtwerk.
Dabei zeigte Alvarez auf, dass es eine Entwicklung vom Spirituellen zum Profanen gab. “Bei Griechen, Römern sowie Christen herrschte der Glaube an eine Geisterwelt voller Dämonen vor. Nur wenige Menschen waren fähig, die Worte Gottes zu vernehmen und somit die göttliche Schöpfung darzulegen. Der Schriftsteller selbst galt nicht als kreativ, sondern alles Kreative wurde ihm von den Geistern und Dämonen eingehaucht.” Diese Vorstellung sei auch eine Entlastung für die schreibende Zunft gewesen: Denn wenn das Werk misslang, so trug der Genius, der Geist, die Schuld. Später hauste der Genius immerhin im Haus des Schriftstellers. Zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert wandelte sich das Bild: Der Mensch selbst galt als Genie – manchmal dem Wahnsinn nah, manchmal als weltfremder Gelehrter und manchmal als sympathischer Geschichtenerzähler von immergleichen Leitthemen.
Es gehört eine Portion Glück mit dazu
Gegen Ende des Vortrags gab die Autorin den Jugendlichen einen Einblick in die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Buchveröffentlichung. Schließlich ist “die einsame Arbeit am Schreibtisch” nur der erste Teil, die Auseinandersetzungen mit Agentur und Verlagen können sehr lang, zäh und mühsam sein. “Man muss sich vor allem gut überlegen, was man veröffentlicht. Denn nur das Genre zählt, nicht die Geschichte. Also wird man dazu gebracht, in dem Genre, mit dem man heraus kommt, zu bleiben”, so Alvarez.
Allerdings gehört zuvor eine gehörige Portion Glück dazu, überhaupt einen veröffentlichungsbereiten Verlag zu finden. Und eine noch größere Portion Glück braucht es, um als Hoffnungsträger angesehen zu werden und somit Gelder für eine medienwirksame Werbekampagne zu erhalten. Und das will angesichts von 150.000 belletristischen Titeln im Jahr erst einmal geschafft sein!
Die Fragen der Schüler zielten auf persönlichere Erfahrungen ab. Ann-Kristin Keil (Stufe 12) wollte wissen, ob in jeder Figur ein Teil des Autors steckt. Alvarez bejahte und ergänzte, dass dies nicht bedeute, dass man sich in den Figuren verliere. Das dürfe nicht passieren, damit die Figuren sich entwickeln könnten.
Und natürlich folgte der Klassiker – eine Frage von Marina Krey (Stufe 12), die auch im Deutschunterricht immer wieder gestellt wird: “Hat man einen Geistesblitz und schreibt dann drauflos oder läuft eher ein langer Reifungsprozess ab?” Laut Alvarez gibt es oft in der Tat zunächst einen ersten Impuls, den zündenden Funken, die überraschende Idee. Doch dann setzt ein mühsamer Arbeitsprozess ein, wobei die Idee ausgebaut und zu einem fundierten Konzept weiter entwickelt wird.
Nach etwa einem Jahr sei dann in der Regel ein Buch geschrieben. Heutzutage übrigens mit vornehmlich weiblichen Hauptfiguren. Der Grund: Frauen stellen ungefähr 80 Prozent der Leserschaft. Und die Identifizierung mit Figuren desselben Geschlechts fällt leichter.
Viola Alvarez ging nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Skandinavistik als Regieassistentin nach Hamburg. Zusammen mit ihrem Mann Peter Alvarez schrieb sie nach einem längeren Aufenthalt in den USA ein Sachbuch über indianische Heilmethoden. Dann beschäftigte sie sich in ihren ersten Romanen mit mittelalterlichen Stoffen.
2003 erschien ihr Debüt, “Das Herz des Königs”, das die Geschichte von Tristan und Isolde völlig neu, aus der Sicht des gealterten König Marke, erzählt. Viola Alvarez lebt heute als freie Autorin mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern in der Nähe von Köln.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

25.05.2010