Großübung für Schulsanitäter
Probe für den Ernstfall: Schulsanitäter im Einsatz – „Unfall“ im Chemieunterricht mit Brandwunden, Verätzungen und Herzinfarkt – Rotes Kreuz lobt reibungslosen Ablauf am Mechernicher Gymnasium „Am Turmhof“
Mechernich – Schreie und „Hilferufe“ hallen durch den Schulflur. Als die Schulsanitäter eintreffen, kommen ihnen bereits Schüler mit scheinbar blutenden Wunden, rußgeschwärzten Gesichtern und zerrissenen Kleidern entgegen gelaufen. Ein solches Horrorszenario wird sich hoffentlich niemals im Mechernicher Gymnasium „Am Turmhof“ (GAT) abspielen – trotzdem wurde der Ernstfall geprobt. Und zwar realistisch, denn von der Großübung, geleitet durch das Jugendrotkreuz im Kreis Euskirchen, wussten die Schulsanitäter bis zu ihrem Einsatz nichts.
Sichtlich schockiert kommen die jugendlichen Sanitäter in den Chemieraum gelaufen, ohne dabei jedoch die Nerven zu verlieren. Erster Handgriff: Not-Aus-Schalter neben der Tür, um den Strom im Klassenraum abzuschalten. „Vorbildlich“ loben die Rotkreuzler, und auch ansonsten sind sie von dem reibungslosen Ablauf in der Schule beeindruckt. „Die würden wir direkt übernehmen“, freut sich Laura Zimmermann, ehrenamtliche Kreisleiterin im Jugendrotkreuz.
Für einen ersten Überblick informieren sich die Schulsanitäter: „Sind alle da? Sind alle ansprechbar?“ Eine Schülerin mit Brandwunde am Arm und zittriger Stimme erklärt, wie es zu dem „Unfall“ im Chemieunterricht kam: Die Lehrerin hatte scheinbar einen Herzinfarkt erlitten, war umgefallen und hatte dabei die auf dem Tisch liegenden Behälter mit verschiedenen Flüssigkeiten umgestoßen.
Natürlich war den Sanitätern nach kurzer Zeit klar, dass es sich um eine Übung handelte: Kein Rauch, keine Flüssigkeiten, die Chemielehrerin unterrichtet in Wirklichkeit Musik. Schließlich will man die Jugendlichen auf den Ernstfall vorbereiten und nicht erschrecken. Trotzdem sollten die Schüler ihre Verletzten-Rolle bis zum Ende durchhalten: „Eure Sanitäter sollen schließlich üben, wie sie im Ernstfall helfen können“, so die Jugendrotkreuz-Leiterin.
Die Schauspieler der Klasse 7c gaben sich alle Mühe bei der Simulation. Schon am frühen Morgen waren sie von den Rotkreuzlern „zurechtgemacht“ und in ihre Rollen eingewiesen worden. Tatsächlich waren sie selbst vorher nicht komplett eingeweiht gewesen und waren deshalb eigentlich zum Probeschminken für Karneval erschienen.
Anstelle von Pappnasen wurden ihnen allerdings täuschend echt aussehende Wunden verpasst. Verätzungen wurden mit dünnen Taschentuchfetzen nachgestellt, alte Kleidungsstücke aufgerissen, um den Blick auf blau-schwarze Haut und blutige Wunden freizugeben. Plastikscherben wurden in aus Wachs geformten Fleischwunden an Händen, Armen und sogar im Gesicht platziert.
„Ich kann nichts sehen, ich wurde am Auge getroffen“, ruft einer der Schüler. „Helfen Sie ihr doch!“ schreit eine andere. Manche sitzen zitternd oder weinend auf ihren Plätzen, taumeln über den Flur, lehnen halb ohnmächtig stöhnend in einer Ecke.
Einige Wunden hatten sogar besondere Spezialeffekte, wie ein Schüler mit gefährlich aussehender Verletzung an der Brust berichtete: „Unter meiner Wunde ist noch eine Blutblase die platzt, sobald sie jemand berührt.“ Ansonsten war auch Laura Zimmermann im Einsatz und verteilte noch etwas Blut mit einer Plastikspritze, etwa wenn die Scherben aus den Wunden gezogen werden.
Auf 15 geschauspielerte Opfer kamen 19 von insgesamt 30 Schulsanitätern des Mechernicher Gymnasiums. So konnte sich jeder um eine Person kümmern. Brandopfer bekamen zur Kühlung eine Rettungsdecke umgelegt, Scherben wurden aus Wunden gezogen und Verbände angelegt.
Neben der Erstversorgung funktionierte aber auch die Organisation reibungslos: Eine Sanitäterin übernahm die Koordination und verteilte die Aufgaben, Notarzt und Rettungsdienst wurden alarmiert, alle Opfer wurden namentlich registriert, jeder der Sanitäter trug Handschuhe.
Rolf Klöcker, Vorsitzende des Rotkreuz-Ortsvereins Mechernich, ist begeistert vom Einsatz der Ersthelfer und der Qualität ihrer Hilfeleistung: „Ich bin stolz auf einen so gut funktionierenden Schulsanitätsdienst. Es ist beeindruckend, dass sich so viele Schüler daran beteiligen, soziale Verantwortung übernehmen und dabei so professionell handeln“.
Auch Christiane Heinrichs, Leiterin des Schulsanitätsdienstes im Gymnasium „Am Turmhof“, ist stolz auf ihre Schüler: „Sie haben sich sehr gut um die verletzten Schüler gekümmert, mit ihnen gesprochen und sie von dem Unfall abgelenkt, obwohl es für sie wirklich eine heftige Situation war.“
Für einen echten Notfall konnten sich die Schüler übrigens mit dem Codewort „real“ bemerkbar machen. Denn bei all dem Kunstblut kann einem ganz schnell mal flau im Magen werden, auch wenn das „Blut“ nach Himbeere schmeckt…
Ab den siebten Klassen können sich die Gymnasiasten zum Schulsanitäter ausbilden lassen. Zu einem Erste-Hilfe-Kurs kommt die Ausbildung durch das Rote Kreuz und die betreuende Lehrerin sowie regelmäßige kleinere Übungen und jährlich eine unangekündigte Großübung in der Schule. „Unsere Achtklässler waren heute zum ersten Mal bei einer Großübung dabei, aber als sie erst einmal an den Patienten dran waren, war ihnen sofort klar, was sie machen mussten“, so Christiane Heinrichs.
Beobachtet wurde die Großübung auch von zwei Lehrern der benachbarten Sekundarschule. „Wir befinden uns ja gerade im Aufbau und möchten auch einen Schulsanitätsdienst gründen“, erklärten sie. Am GAT wollten sie sich dazu noch ein paar Informationen holen und bekamen direkt einen spannenden Einblick in den Einsatz der Schüler.
pp/Agentur ProfiPress