Gläserne Aufzüge der Burg Heimbach faszinierten Christoph Leuchter
Der Autor und sein Begleiter Harald Claßen boten bei der Lit.Eifel in Heimbach einen tollen Mix aus Literatur und Musik
Heimbach – Am Anfang war diese kleine Szene auf dem Friedhof: Das Mädchen im weißen Kleid mit einer Rose in der Hand, das während einer Beerdigung traumverloren hinter dem Sarg herschaut und plötzlich verschwunden ist… Diese real erlebte Episode wurde für Christoph Leuchter die „Keimzelle“ seines neuen Romans „Amelies Abschiede“. Für die Lit.Eifel las der Autor im Palas der Burg Hengebach nun – in einem Mix aus Literatur und Musik – Szenen aus der „Lügengeschichte“, wie er sein Buch im Untertitel bezeichnet. „Um das Buch zu verstehen, muss man diesen Untertitel mitlesen“, erklärte der Würselener Autor und Musiker dem Publikum. Interpretierend fügte er hinzu: „Auf der Suche nach der Wahrheit wird Amelie belogen und wird selber zur Lügnerin.“
Nach dem Tod ihres Vaters entdeckt Amelie, die Ich-Erzählerin, den Liebesbrief einer fremden Frau an ihren Vater. Wenige Worte auf Papier. Von einer gewissen Helen aus großer Leidenschaft geschrieben und von ihrem Vater Robert sorgsam im Geheimfach seines Sekretärs versteckt. Ein verstörender Schatz: Amelie geht auf Spurensuche, um das Geheimnis ihres verstorbenen Vaters und das ihrer eigenen Herkunft zu ergründen.
Atmosphärisch dicht, mit warmer Stimme trug Leuchter, promovierter Germanist und Dozent für Angewandte Textwissenschaft an der RWTH Aachen, akzentuiert die einzelnen Szenen vor, ließ die Zuhörer Amelies Trauer und Schlaflosigkeit miterleben. Zwischen den einzelnen Textpassagen interpretierte der Musiker Harald Claßen die Szene kongenial mit einfühlsam gespielten Klarinettensoli. Mal schwebten sanft-melancholische Melodien durch den Raum, dann spiegelten hektisch-klagende Musikfetzen den inneren Aufruhr der jungen Frau.
Behäbige Akkordeon-Klänge unterstrichen Amelies Zusammentreffen mit dem Schulfreund ihres Vaters. Auf diese Weise erreichte die Lesung an manchen Stellen fesselnden Hörspielcharakter.
Immer wieder verschwimmen für Amelie Sein und Schein, Wahrheit und Lüge. Und so schildert Christoph Leuchter die Trennung von ihrem Freund René gleich in drei unterschiedlichen Versionen. Doch entspricht die „reale“ Variante wirklich der Wahrheit? Nach dieser Passage setzte sich Christoph Leuchter, der vor seinem Germanistikstudium Klavier und Musikwissenschaft in Köln studierte, an den Flügel und intonierte – passend zur eben gelesenen Romanszene – mit Harald Claßen den selbst geschriebenen Song „Bin fertig mit Dir.“
„Die Musikstücke passen zum Thema“, lobte Peter Sommerwerck-Weber, der eigens aus Essen zur Lesung gekommen war. Als Leuchter-Freund hatte er „Amelies Abschiede“ und das 2012 erschiene Buch „Letzter Akt“ bereits gelesen und erlebte den Autor zum ersten Mal in einer Lesung. Deshalb hörte er ganz genau hin, wie Christoph Leuchter seine Texte stimmlich auslegte. „Interpretation ist alles. Jetzt sehe ich die Handlung viel lebhafter, denn Leuchter setzt Schwerpunkte, die man als Leser nicht setzen würde“, stellte er fest.
Bevor Christoph Leuchter charmant seine Bücher signierte, beantwortete er die Fragen des Publikums. Ja, als Basis für seine Romane brauche er stets eine kleine „Keimzelle“, die die Realität geschenkt habe. „Erst von da aus kann ich loslaufen mit dem Schreiben.“
Als er für seinen ersten Roman keinen Verleger fand, fing er sein zweites Buch an. Natürlich wollten die Zuhörer wissen, wie lange er an diesem Roman gearbeitet habe. „Superlang!“ lautete die spontane Antwort. Am Ende angekommen, habe er geglaubt, es sei nicht gut genug und habe – bis auf die „Keimzelle“ – den ganzen Roman neu geschrieben. So habe es Jahre gedauert, in denen fünf bis sechs verschiedene Versionen von „Amelies Abschiede“ entstanden seien. „Eine ist noch da, das reicht hoffentlich“, meinte er spitzbübisch lächelnd. Es sei ein Riesenglück gewesen, dass der Steidl-Verlag gleich beide bereits fertigen Bücher von ihm verlegt habe. So seien in zwei Jahren zwei Romane auf den Markt gekommen: „Was fleißig aussieht, ist das Produkt des langen Probierens.“
Immer wieder spielte Christoph Leuchter im Laufe des Abends auf die einzigartige Atmosphäre der historischen Burg Hengebach an. Besonders fasziniert war er von den drei gläsernen Aufzügen, die zum Palas der Burg führen. „Wenn Sie demnächst etwas von mir lesen, wo drei Aufzüge vorkommen, wissen Sie, das kommt von hier!“
Auf jeden Fall wird es schon sehr bald ein Wiedersehen mit den beiden Akteuren der Heimbacher Lesung geben: Weil Leuchters Lesung in Verbindung mit seinem virtuosen Klavierspiel und der ebenso meisterlichen musikalischen Begleitung durch Harald Claßen so gut beim Publikum ankam, haben sich die Lit.Eifel-Verantwortlichen entschlossen, die beiden für die Eröffnung der 2. Eifeler Buchmesse am Samstag, 22. November, um 13 Uhr, im Naturzentrum in Nettersheim, zu verpflichten.
pp/Agentur ProfiPress