Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

AllgemeinLit.Eifel

Gefangen in der Parallelwelt

Ex-„Tatort“-Kommissar Gregor Weber las bei der Lit.Eifel im Heilsteinhaus in Einruhr aus seinem Roman „Stadt der verschwundenen Köche“ – Der Saarländer ist Schriftsteller, Schauspieler, Koch und Soldat

Simmerath-Einruhr – Hungrig sollte man nicht sein, wenn Gregor Weber aus seinem Roman „Stadt der verschwundenen Köche“ liest. Denn wenn Weber einmal anfängt, die knusprige Ente, den Plum-Pudding mit in Cognac eingelegten Pflaumen und die Geflügelsauce mit rotem Port und schwerem Wein zu beschreiben, wie sie riechen, schmecken, zubereitet werden, dann läuft einem das Wasser im Mund zusammen.

Schriftsteller, Schauspieler, Koch und Soldat: Der ehemalige „Tatort“-Kommissar Gregor Weber bei seiner Lit.Eifel-Lesung im wunderbar dekorierten Heilsteinhaus in Einruhr. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress
Schriftsteller, Schauspieler, Koch und Soldat: Der ehemalige „Tatort“-Kommissar Gregor Weber bei seiner Lit.Eifel-Lesung im wunderbar dekorierten Heilsteinhaus in Einruhr. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Überhaupt ist es diese Bildhaftigkeit, die das Buch so faszinierend macht. Bei der Lit.Eifel-Lesung am Mittwochabend im wunderbar heimelig dekorierten Heilsteinhaus in Einruhr musste man nur die Augen schließen und den Worten des Autors folgen – schon war man mittendrin im London im Jahr 347 des High Council, einer Parallelwelt zu der unsrigen.

Wenn Gregor Weber dann auch noch mit verstellter Stimme den Charakteren Leben einhaucht, den grobschlächtigen Lemuel „Lemmy“ McFay mit dunkler, rauer Stimme liest, den tollpatschigen Rory Biggott mit nervösem Timbre und den angsteinflößenden Restaurantchef Raphael „Black Ralph“ Qualtringham bedrohlich flüsternd, merkt man ihm seine Schauspielausbildung an.

Für anderthalb Stunden lang ließen sich die Gäste im Heilsteinhaus in eine Steampunk-Version von London im Jahre 347 des High Council versetzen. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress
Für anderthalb Stunden lang ließen sich die Gäste im Heilsteinhaus in eine Steampunk-Version von London im Jahre 347 des High Council versetzen. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Denn Autor ist Weber erst seit etwa zehn Jahren, sein erstes Buch, das Sachbuch „Kochen ist Krieg“ erschien 2009. Einem großen Publikum ist er hingegen schon seit rund 25 Jahren bekannt, entweder als Stefan, Gerd Dudenhöffers Sohn in den ersten fünf Staffeln von „Familie Heinz Becker“. In dieser Rolle war er auch Christoph Poschen, dem Ortsvorsteher von Einruhr und Erkensruhr erstmals aufgefallen, der Weber begrüßte und sich sofort an die Folgen „Im Taxi“, in der die Familie Becker nach Euskirchen unterwegs war, oder „Alle Jahre wieder“, in der die entscheidende Weihnachtsfrage „Christbaumspitze oder nicht?“ thematisiert wurde. Vielen Menschen ist Weber natürlich auch als Kriminaloberkommissar Stefan Deininger im Saarland-Tatort geläufig. Dort spielte er zunächst an der Seite von Max Palu (Jochen Senf), später von Franz Kappl (Maximilian Brückner).

Christoph Poschen, Ortsvorsteher von Einruhr und Erkensruhr, stellte Gregor Weber, der sich im Hintergrund vorbereitete, vor. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress
Christoph Poschen, Ortsvorsteher von Einruhr und Erkensruhr, stellte Gregor Weber, der sich im Hintergrund vorbereitete, vor. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Der Höhepunkt der Krise

Anschließend ging Weber einen ungewöhnlichen Weg, den er nach seiner anderthalbstündigen Lit-Eifel-Lesung dem Publikum in einer Fragerunde auch erläuterte. Seine Schauspiellaufbahn sei nicht schlecht gelaufen, „aber auch nicht stabil und großartig genug, um eine Familie zu versorgen“. Um die Jahrtausendwende hatte er das Gefühl, nicht glücklich zu sein. „Ich war genervt, es gab immer weniger gute Geschichten und deshalb hat mich immer weniger interessiert“, erzählt Gregor Weber offen. Als er sich mit Mitte 30 auf dem „Höhepunkt meiner Krise“ befand, begann er, sich mit dem Kochen zu beschäftigen. Ein Freund hatte in Berlin ein Restaurant eröffnet, dort arbeitete er als ungelernter Koch. 2006 beendete er seine Lehre beim Sternekoch Kolja Kleeberg – und kam darüber zum Schreiben. „Zack! Kochlehre gemacht, Schriftsteller geworden“, fasst Weber es prägnant zusammen. Dass er zwischendurch als Feldwebel der Reserve in Afghanistan die Pressebetreuung übernahm, darf auch nicht verschwiegen werden.

Einruhrs Ortsvorsteher Christoph Poschen begrüßte die Gäste im Heilsteinhaus. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress
Einruhrs Ortsvorsteher Christoph Poschen begrüßte die Gäste im Heilsteinhaus. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Ums Kochen geht es auch in „Stadt der verschwundenen Köche“. Das Marine-Schiff „Birmingham“ gerät 1915 in ein Unwetter, Schiffskoch Carl Juniper wird samt Rettungsfloß durch einen Strudel gesogen. Er erwacht auf einer Wiese bei London. Allerdings einer veränderten Variante der Stadt. Alles ist strikt durchorganisiert, pausenlos wird gearbeitet, Effizienz steht im Vordergrund, nachdenken sollen die Bürger nicht. Die Menschen leben in Quartieren zusammen, Wohnpartner werden zugewiesen. Selbst Eheleute leben deshalb getrennt. Gegessen werden ausschließlich sogenannten Einheiten in Pillenform. Die Verarbeitung von Pflanzen und Tieren aus Nahrungsgründen ist nicht bekannt.

Im Untergrund gibt es aber sehr wohl Köche – sie gehören rivalisierenden Gangs an. Eher zufällig gerät Carl Juniper in eines dieser versteckten Restaurants – eben jenes von Black Ralph, wo er auch gleich beschäftigt wird. Dieses erste Zusammentreffen zwischen Juniper und dem furchteinflößenden, einäugigen Restaurantbesitzer war nicht nur das längste Kapitel, das Weber an diesem Abend vortrug, es war auch so kurzweilig, dass man als Zuschauer verwundert war, als Weber die Lesung mit den Worten „Wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie das Buch kaufen“ beendete und die Fragerunde einläutete.

Verne und Stevenson als Inspiration

Darin sprach der Saarländer auch über seine Inspiration für das Buch mit seinem ungewöhnlichen Setting in einem Steampunk-Universum, womit Science-Fiction vom Kenntnisstand des späten 19. Jahrhunderts ausgehend genannt wird. „Es gab keinen Initiativmoment, der Verlag war aber für meine Ideen sehr offen“, verriet Weber und gab an, großer Fan von Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ und von Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ zu sein. Mit letzterem habe er schon seine Kinder genervt. „Und ich werde auch meine Enkel damit nerven“, versprach er.

Eine Flasche echten Eifeler Schnaps, auch gegen Gregor Webers Erkältung, überreichte Einruhrs Ortsvorsteher Christoph Weber dem Schriftsteller. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress
Eine Flasche echten Eifeler Schnaps, auch gegen Gregor Webers Erkältung, überreichte Einruhrs Ortsvorsteher Christoph Weber dem Schriftsteller. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Weber berichtete auch, dass er sich wenig vorbereitet. „Ich mache nicht wochenlang Pläne, da fange ich lieber direkt an zu schreiben“, sagte er. Deshalb sei es bei ihm üblich, dass das fertige Buch am Ende auch nicht mehr viel mit dem beim Verlag eingereichten Exposé zu tun habe. „Ich will so ein Exposé ja ohnehin nicht schreiben“, rechtfertigt sich der Autor. Im Gegensatz zu Schriftstellern, die jahrelang an einem Werk sitzen, geht es bei Gregor Weber schnell. Für „Stadt der verschwundenen Köche“ habe er etwa fünf Monate gebraucht – auch aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen. „Ich habe angefangen und dann war ich fertig – völlig fertig“, berichtete Weber mit trockenem Humor.

pp/Agentur ProfiPress