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Gedanken über das Alter

Pfarrer Dr. Michael Stöhr interviewt für den Mechernicher Bürgerbrief Dr. Werner Hartmann an seinem 99. Geburtstag – Von Anti-Aging Produkten hat der Jubilar noch nie gehört – „Bedürftigkeit der Mitmenschen nicht aus dem Blick verlieren“

Mechernich-Berg – Von Anti-Aging Produkten hat der Jubilar noch nie in seinem Leben gehört. Dennoch feierte Dr. Werner Hartmann jetzt seinen 99. Geburtstag. Das Geburtstagskind freute sich nicht nur über die Kuchenstücke, sondern auch auf das Plaudern über Gott und die Welt. Ein Seniorenbesuch offenbart eben auch Lebensgeschichten.

Das erfuhr auch Dr. Michael Stöhr, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf, der Hartmann zum Gratulieren, als Seelsorger, aber auch ausdrücklich mit dessen Erlaubnis als Reporter für die Agentur „ProfiPress“ und den „Bürgerbrief“ besuchen durfte.

Pfarrer Dr. Michael Stöhr interviewt für den Mechernicher Bürgerbrief Dr. Werner Hartmann an seinem 99. Geburtstag. Foto: Privat/pp/AgenturProfiPress

„Wir kennen uns etwa seit dem Jahr 2000. Dr. Werner Hartmann war von Gemünd in das betreute Wohnen nach Mechernich gezogen“, schreibt Stöhr. Gleich nebenan lebte seine langjährige Freundin, die jedoch verstarb. An den Angeboten im Haus und denen der Kirchengemeinde für Senioren nahm Dr. Hartmann gerne teil.

„Mit seinen knapp hundert Lebensjahren gehört er für mich zur sogenannten vierten Generation. In der Statistik steigt die Anzahl von Menschen, die jenseits der 85 Jahre noch geistig rege und mehr oder weniger vital morgens aufstehen, stetig an“, so Stöhr.

Nachfahre einer alten preußischen Militärdynastie

Dr. Hartmann kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Für ihn war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Als junger Mann marschierte er in Paris mit ein, doch auf dem Weg nach Moskau wurde er so schwer an der Schulter verletzt, „zerschossen“, wie er selbst das nennt, so dass er wehruntüchtig wurde. Für ihn war dies ein Wendepunkt in seinem Leben, stammt er doch aus einer alten preußischen Militärdynastie.

Großvater und Urgroßvater dienten unter dem Kaiser, sein Vater war hochrangiger General, auch im Dritten Reich. Das prägte ihn als jungen Mann stark und doch musste er im Rückblick feststellen: „Die Nazis und der Krieg haben mir die besten Jahre meines Lebens geraubt.“

Obwohl Werner Hartmann naturwissenschaftlich geprägt ist – er promovierte in Weihenstephan über Polymere – hat er durchaus ein romantisch-personales Glaubensverständnis. Für ihn waltet der liebe Gott über alles und jeden und er bestimmt, über die Geschicke des Menschen. Glaubenszweifel sind dem Mechernicher fremd.

Trotzdem wird es im Alter meist einsamer. Besucher und Gespräche sind daher bei Senioren herzlich willkommen. Stöhr berichtet: „In den seelsorgerichen Gesprächen, die über den Smalltalk hinausgehen, erzählen die Menschen meist offen über ihre wunden Punkte, ihre inneren Verletzungen, Kränkungen und Enttäuschungen.“

Werner Hartmann hat sich nicht unterkriegen lassen – trotz, eines schweren Sturzes vor einigen Jahren, bei dem seine Gesundheit schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Für ihn war es ein Grund mehr, in das Altenheim zu gehen. Der Mechernicher ist sicher, es ist der liebe Gott im Himmel gewesen, der ihm eine gute Fee in Gestalt einer ehrenamlichen Betreuung zur Seite stellte.

Sinnvolle Aufgaben für ehrenamtliches Engagement

Hilfe sei gefragt, betont Stöhr: „Im sozialen Feld der vierten Generation sehe ich große Chancen und sinnvolle Aufgaben für ehrenamliches Engagement.“ Wie oft klagten ihm Menschen nach der Verrentung ihr Leid, sie wüßten mit sich nichts mehr anzufangen und der Lebenssinn sei ihnen abhanden gekommen.

Umdenken sei angesagt. Der Geistliche ist überzeugt: „Wenn es gelingt, den Blick von der Verwirklichung des Selbst zu lösen und die Bedürftigkeit der Mitmenschen zu sehen, finden sich stets erfüllende Aufgaben.“

Dr. Werner Hartmann sei jedenfalls dankbar für jedes ehrliche Gespräch. „Nicht alle seine Lebensträume sind in Erfüllung gegangen. Doch er freut sich an allem, was er erlebt hat“, so Stöhr.

Laut einem SENS-Forschungsprojekt in Kalifornien sollen Menschen in Zukunft weit über 150 Jahre alt werden können. Eine Welt von Methusalems. Stöhr ist skeptisch: „Was bedeutet es, wenn die soziale Entwicklung im Wahn der ewigen Jugend nicht Schritt halten kann: Hundert Jahre Einsamkeit?“

2019 wird Dr. Hartmann 100 Jahre, wenn Gott es so will, wie er sagt. Er nehme es, wie es kommt. Jetzt freue er sich auf Weihnachten mit den Erinnerungen an seine glückliche Kindheit.

pp/Agentur ProfiPress