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Garnison Mechernich in Gefahr

Garnison Mechernich in Gefahr

Möglicherweise droht der Abzug von 750 der noch 1000 Bundeswehr-Arbeitsplätze am Bleiberg – Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick versucht zu retten, was zu retten ist – Sein Appell an Verteidigungsminister Jung: “Mechernich nicht das zweite Mal in 50 Jahren in eine struktur- und arbeitsmarktpolitische Katastrophe stürzen!”

Mechernich – Der Bundeswehrstandort Mechernich ist in Gefahr. Von den verbliebenen 1000 zivilen und militärischen Arbeitsplätzen am Bleiberg gehen 2009 mit dem Weggang der Luftwaffeninstandhaltungsgruppe 23 ohnehin rund 400 Arbeitsplätze für Soldaten und Zivilbeschäftigte verloren. Jetzt wurde der Bürgermeister von Marcel Conrads, einem Beamten des Materialdepots, davon in Kenntnis gesetzt, dass weitere 330 zivile Jobs und 20 Soldatenarbeitsplätze bei der Bundeswehr in Mechernich gefährdet sind.

Der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick hat die Angaben überprüft und umgehend einen eindringlichen Appell an Bundesverteidigungsminister Dr. Franz-Josef Jung gerichtet, den Standort Mechernich aus sozialen und arbeitsmarktpolitischen Gründen unter allen Umständen zu erhalten.

Industriebrache am entmilitarisierten Bleiberg droht

Denn wenn von 1000 Arbeitsplätzen 750 wegfallen, dann ist die ehemalige Garnisonsstadt und Regimentsheimat ihres Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktors Bundeswehr beraubt. Bürgermeister Schick: “Dann haben wir nach der Bergwerksschließung 1958 die zweite arbeitsmarkt- und strukturpolitische Katastrophe in 50 Jahren!” Und möglicherweise erneut eine Industriebrache am entmilitarisierten Bleiberg.

Hintergrund der Aktion von Bürgermeister Schick ist eine Ausschreibung zur Privatisierung logistischer Bundeswehraufgaben. Können zivile Logistikunternehmen das Material für die deutschen Streitkräfte billiger bevorraten und ans Ziel bringen als die Streitkräfte selber? Von der Beantwortung dieser Frage hängt auch die Zukunft des in Mechernich über der Erde (OTA) und unterirdisch in der so genannten Untertageanlage (UTA) agierenden Materialdepots der Bundeswehr ab.

Nach neuesten Informationen wird nämlich bereits zur Stunde nicht mehr nur “untersucht”, ob eine zivile Firma Depot- und Speditionstätigkeiten dieser Einheit übernehmen könnte. Marcel Conrads legte dem Bürgermeister schriftliches Material vor, wonach die Privatisierung bereits Gegenstand eines laufenden Ausschreibungs-Verfahrens ist: in Mechernich, aber auch an anderen bundesdeutschen Depotstandorten.

Statt Mechernich bald Standort am Flughafen?

Im Gegensatz zu allen bisherigen Beteuerungen sei die Logistikfirma, die das Ausschreibungsverfahren gewinnt, auch keineswegs an den Standort Mechernich gebunden, so Bürgermeister Schick: “Sie kann ihre Tätigkeit auch beispielsweise an den Köln-Bonner Flughafen verlegen oder an einen noch größeren Verkehrsknotenpunkt.”

Damit würden die 330 Zivilbeschäftigten des Bundeswehrdepots im günstigsten Fall zu Berufspendlern, so Schick: “Davon kommen jetzt schon viele aus der Südeifel bis Mechernich – ein noch weiterer Weg zur Arbeit und wieder nach Hause wäre ihnen kaum zuzumuten.”

Waren 10.000 Überstunden für die Katzþ?

Marcel Conrads berichtete dem Bürgermeister: “Alle Beschäftigten haben sich über die Jahre krumm gelegt und über 10.000 Überstunden geleistet, um das Depot wirtschaftlich zu machen und zu erhalten.” Mit der Ausschreibung unter den gegebenen Bedingungen würde den Beschäftigten jetzt “der Boden unter den Füßen weggezogen”.

Schick fragt Verteidigungsminister Jung in seinem Brief, den er auch an die Bundes- und Landtagsabgeordneten des Kreises Euskirchen weitergeleitet hat, wie er sich im Übrigen die Zukunft der Untertagelage in Mechernich vorstellt, falls das Depot im Zuge der Privatisierung Mechernich tatsächlich verlassen sollte. Hat die Bundesregierung die Sicherung und Bewachung der weit verzweigten UTA und die damit verbundenen Kosten ausreichend bedacht?

Die Zerlegung eines Bundeswehr-Standortes

Der Mechernicher Bürgermeister macht keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, dass der Verteidigungsminister den Standort Mechernich nach und nach zu zerlegen scheine. Er befürchtet, dass dem Standort Bleiberg mit einem Fortzug des Depots der endgültige Todesstoß versetzt würde. Und Mechernich nach der Bergwerksschließung 1957/58 das zweite Mal in 50 Jahren mit einer riesigen Industriebrache und einem ungelösten Struktur- und Arbeitsmarktproblem sitzen gelassen werde.

Schick zeigt Verständnis für die Suche nach kaufmännischen Lösungen und Privatisierungsmöglichkeiten, appelliert aber gleichzeitig an die gesamtpolitische Verantwortung des Ministers: “Sorgen Sie dafür, dass das Unternehmen, das die Aufgaben des Bundeswehrdepots Mechernich übernimmt, auf die Beibehaltung des Standorts verpflichtet wird.”

2009 hat die Garnisonsstadt Mechernich mit dem Weggang der Luftwaffeninstandhaltungsgruppe 23 und ihrer 400 Soldaten und Zivilbeschäftigten ins niedersächsische Wunstdorf ohnehin einen herben Verlust hinzunehmen. Einen Verlust, angesichts dessen Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick sich bereits in der Vergangenheit heftig bei Bundesverteidigungsminister Jung und NRW-Ministerpräsident Rüttgers beklagt hat.

Stadt Mechernich fordert Ausgleich für Truppenabzug

In seinem Brief an Rüttgers hatte Schick dringend appelliert, das Land NRW solle nun in Mechernich einen infrastrukturellen Ausgleich für den Truppenabzug schaffen, in dem es eine der geplanten neuen Ingenieurs-Fachhochschulen in Mechernich einrichtet.

Marcel Conrads erklärte, er werde Anfang Juni bei einer bundesweiten Tagung in Müritz auch seine Kollegen aus den anderen Materialdepots der Bundeswehr in Pfungstadt, Erding, Müritz-Rechlin, Ochtrup und Wilhelmshaven sowie der Materiallager der Streitkräfte an 13 verschiedenen Standorten in der ganzen Bundesrepublik von der laufenden Ausschreibung und ihren Rahmenbedingungen in Kenntnis setzen. Er hofft, dass sich danach bundesweit Protest regt und sich “Bundestags- und Landtagsabgeordnete aus der ganzen Republik ablehnend beim Bundesverteidigungsminister melden.”

pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

08.06.2008