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Ein veganer Wolf und andere kriminalistische Leckerbissen

Leseabend mit den beiden Eifeler Krimi-Autoren Jacques Berndorf und Ralf Kramp in der Schulaula von Kloster Steinfeld – Gleichermaßen humorvolle wie spannende und tief bewegende Geständnisse

Jacques Berndorf und Ralf Kramp (li.) erfreuten die Gäste in der großen Schulaula mit einem bestens austarierten Mix aus Spannung und Unterhaltung. Foto: Claudia Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress

Kall-Steinfeld – Der Abend im Kloster Steinfeld begann mit einem Geständnis. Oder gleich dreien, wenn man es genau nimmt. „Ich habe heute nicht so viele Zuschauer erwartet“, bekannte Heinrich Latz, Leiter des Hermann-Josef-Kollegs. Eine irrige Annahme, denn Erfolgsautor Jacques Berndorf kreuzt ja bekanntlich schon seit Jahren munter auf der Bestseller-Überholspur. Hinzu kommt, dass der Hillesheimer Krimi-Kollege Ralf Kramp – trotz seines augenscheinlich harmlosen Äußeren und der vorgeblich friedliebenden Grundhaltung – mit raffiniert-gewitzten Plots ganze Eifeler Säle locker in Atem halten kann.

Latz freute sich über den Anblick der gefüllten Stuhlreihen in der Steinfelder Schulaula und ließ das zweite Eingeständnis auf dem Fuße folgen. „Wer liest schon Eifel-Krimis?“, habe er sich, so Latz,  gefragt, als 1989 Berndorfs Debütroman „Eifel-Blues“ gerade erschienen war. Auch hier sollte sich der Schulleiter mächtig irren, denn einige Zeit später waren die Romane in Buchhandlungen von Köln bis München und sogar in Norddeutschland gleich stapelweise ausgelegt. Das dritte Geständnis: „Herr Berndorf, ich habe noch keines ihrer Bücher gelesen“, beichtete Latz.  Aber wie das mit Geständnissen nun so ist: Sie sind nicht immer wahr. „Eines davon stimmt aber. Also suchen Sie sich eines aus und kommen Sie der Wahrheit auf die Spur“, lud der Pädagoge schmunzelnd ein.

Damit das Publikum angesichts dieses „kriminalistischen Rätsels der Extraklasse“ nicht in kollektives Grübeln versinken würde, konterte Ralf Kramp mit einem heiteren Gedicht. Einer gewissermaßen von Begonien gesäumten Ode an einen schnüffelnden Hund, die mit dem Vers „Auch wenn du Frauchen sehr vermisst/Sie muss bleiben, wo sie ist“ heiter-hintersinnig schloss. Überhaupt erinnere Kramp an diesem Abend mal wieder ganz herrlich an den Kabarettisten Hanns-Dieter Hüsch, schwärmte ein Besucher in der Pause: „Man denkt, er ist fertig, dann schiebt er von schräg hinten nochmal einen rein.“

Wie spannend die „Geschichte hinter der Geschichte“ sein kann, erfuhren die rund 120 Bücherfreunde in Steinfeld wenig später, als Berndorf einen bewegenden Einblick in die Genese seines neuen Romans „Eifel-Krieg“ gab. In dem nunmehr 22. Krimi um den Journalisten Siggi Baumeister dreht es sich um die Machenschaften von Neonazis, die sich auf einem Bauernhof in der Eifel niedergelassen haben. Es ist das Buch, das Berndorf am meisten abverlangt hat. Und ein Thema, für das er unter anderem in Sachsen und Thüringen lange recherchiert hat und das ihn selbst kalt erwischte. Denn er entdeckte ein Stück eigene Vergangenheit, mit dem er so nicht gerechnet hatte und für das er nicht gewappnet war.

Geboren 1936 in Duisburg und später mit der Familie umgezogen nach Osnabrück, sei der Zweite Weltkrieg für ihn „kein Ereignis gewesen, das von Enge und Angst geprägt“ war, erzählte er. Im Gegenteil: Als kleiner Junge und später als Volksschüler sei beispielsweise das Sammeln von Rosskastanien für die Lanzer und das Aufspüren von Granatsplittern, die später wieder eingeschmolzen wurden, eine „spannende Sache“ gewesen. Eine Ahnung dessen, was wirklich passiert war, bekam er erst im Jahre 1957 durch eine mutige Lehrerin, die ihre Schüler mit Realitäten  konfrontierte, von denen sie noch nie gehört hatten: sechs Millionen ermordete Juden.

„Ich gehörte zu der Generation, die völlig aufgelöst nach Hause kam und gefragt hat: ´Habt ihr das gewusst?‘ und sich der für diese Zeit beinahe typischen Antwort: ‚Nein, keine Ahnung. Wir wissen nichts‘ gegenübersah.“ Berndorf gab sich damit nicht zufrieden, setzt sich auf den Motorroller und fuhr nach Osnabrück, um sich umzuhören und stellte fest, dass es nicht so gewesen sein konnte, wie man ihn glauben machte.

Doch was macht man mit diesen beklemmenden Entdeckungen? Er habe diese schlimme Situation nicht zu Ende ausgefochten, habe nie gesagt: „Ihr habt mich belogen!“, denn er habe seine Eltern geliebt, und nicht zuletzt sei sein Vater ein stiller, gutherziger und sanfter Mensch gewesen, den man nicht so hart hätte angehen dürfen. Doch mit der Arbeit an „Eifel-Krieg“ kamen die Erinnerungen mit einer ungeheuren Wucht zurück. Sie brachten Berndorf an eine Grenze, die man sich „in seinem Alter nicht mehr zumuten durfte“. „Ich steht das nicht durch“, habe er zu seiner Frau gesagt. Beinahe wäre es der erste unvollendete Roman seines Lebens geworden. Dass er trotzdem weitergemacht habe, sei seiner Frau zu verdanken und letztlich wohl auch seiner preußischen (Schreib-)Disziplin, erfuhren die Besucher in Steinfeld.

Behutsam übernahm Kramp nach diesen Momenten der gebannten Atemlosigkeit im Publikum den Part des humorvollen Spannmanns und erfreute die Gäste in einem bestens austarierten Mix aus Spannung und Unterhaltung mit abstrusen kriminalistischen Leckerbissen – von der bislang eher unbekannten, aber einzig „wahren“ Version von „Rotkäppchen“, in der der friedliebend-vegane Wolf von der lüsternen Protagonistin buchstäblich aufs Kreuz gelegt wird – bis hin zu den dubiosen Machenschaften unter den Gräbern des beschaulichen Eifeler Ortes Gillendorf. Phänomenal auch das Hörspiel mit dem vielsagenden Titel „Ripper Double Blade Maximum Sharp“, in denen Kramp alle fünf Rollen selbst übernahm.

Dabei avancierte das vielseitige Küchenmesser mit der 42 Zentimeter langen, antibakteriellen Klinge aus Chromargan und der verstärkten Griffschale zur idealen Argumentationshilfe im Ehestreit. Und da nicht jeder still hält, wenn er erstochen wird, verfügt das Messer zudem über 84 gegeneinander laufende Zähne – da stört im Ernstfall wirklich kein Knochen. Als besonderes Schnäppchen gab es bei Kramps witziger „Verkaufssendung“ noch einen Schwung praktische Portions-Gefrierbeutel, einen „Huschi-Wuschi-Wisch & Weg-Mop“ sowie ein Fläschchen „Klosterfrau“ für die Nerven obendrein.

Berndorf präsentierte noch einen Auszug aus einer brandneuen Kurzgeschichte, und ehe sich die Lesefreunde am Signiertisch zur Schlange formierten, gab es im abschließenden Talk die Gelegenheit, Fragen an die Autoren zu stellen. Eine Gelegenheit, von der die Steinfelder Gäste regen Gebrauch machten. „Unter welcher Telefonnummer kann man das Messer bestellen?“, erkundigte sich eine Dame vergnügt.

Zur Sprache kam hier unter anderem auch die aus Berndorfs Sicht  ärgerliche Geschichte der Verfilmungen: Vor vielen Jahren hatte er bei Dreharbeiten, die ohne sein Wissen stattfanden und von denen er nur per Zufall erfahren hatte, so heftig opponiert, weil der Film mit dem Ausgangswerk „nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun hatte“, dass danach nie wieder jemand auf ihn zugekommen ist. Das nächste Romanprojekt hat er schon wieder in Angriff genommen, verriet Berndorf. Auch Kramps schräger Ermittler Herbie Feldmann kommt zurück. Zunächst mit einer Kurzgeschichte in einer Anthologie des dtv-Verlags, so bald wie möglich aber auch wieder in einem eigenen Roman, versprach Kramp.

pp/Agentur ProfiPress