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Ein Mut machender Abend

Ein Buch für die Stadt“: Sumaya Fahrat-Naser las aus ihrer palästinensischen Lebensgeschichte „Thymian und Steine“ – Faszinierender Abend mit poetischen, erschütternden und trotz aller Widrigkeiten lebensbejahenden Facetten – Verhaltene Kritik an der Beistellung eines zweiten Buches für die Stadt

Faszinierte ihre Zuhörerinnen und Zuhörer bei der diesjährigen Aktion „Ein Buch für die Stadt“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“: Sumaya Farhat-Naser. Foto: Peter Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress

Mechernich/Euskirchen – „Ein Buch für die Stadt“ ist in vielen Metropolen dieser Welt eine bekannte literatur- und kulturpolitische Aktion, um Bücher und Lesen gesellschaftlich wieder nach vorne zu befördern. Die auch in der Stadt Mechernich erscheinende Tageszeitung „Kölner Stadt-Anzeiger“ und mit ihm das Rheinland beteiligen sich seit zehn Jahren an der Aktion. Dank der auch für Mechernich zuständigen und von dem Eickser Wolfgang Rau geleiteten  Lokalredaktion ist „Ein Buch für die Stadt“ von Anfang an nicht auf die Domstadt beschränkt geblieben.

„Ein Buch für die Stadt“ war auch in diesem Jubiläumsjahr zur zehnten Wiederholung im Rheinland ein Buch für die Stadt Euskirchen und die anderen zehn Kommunen im Kreisgebiet. Es war einmal mehr auch „Ein Buch für die Stadt“  Mechernich, zumal der in Mechernich lebende, als Diakon wirkende und für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt mit seiner Agentur „ProfiPress“ zuständige Redakteur Manfred Lang einmal mehr die Ko-Moderation des diesmal in der Georgschule stattfindenden literarischen Abends übernommen hatte.

Redaktionsleiter Wolfgang Rau begrüßte ihn und den Bad Münstereifeler Literaturwissenschaftler Dr. Helmut Mörchen als „alte Haudegen in der Moderation dieser Aktion“. Mörchen hatte schon in seiner Zeit als langjähriger Leiter der Kurt-Schumacher-Akademie, und Lang schon in seiner Zeit als Redakteur beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgemacht.

Die beiden Lesekundigen waren diesmal die Gesprächspartner von Sumaya Farhat-Naser, der Verfasserin von „Thymian und Steine“, einer Autobiographie, die dieses Jahr im Mittelpunkt des Leseinteresses von „Ein Buch für die Stadt“ steht. Der Abend war ein in mehrfacher Hinsicht großartiges Erlebnis für die rund 150 Zuhörerinnen und Zuhörer. Das größte Faszinosum dabei war die Autorin selbst, die da aus ihrer „palästinensischen Lebensgeschichte“, so der Untertitel vorlas. Und zwar so faszinierend authentisch und voller Energie, dass der Funke ganz schnell ins Publikum übersprang.

Zuvor kritisierte Dr. Helmut Mörchen den Umstand, dass man der palästinensischen Autorin offenkundig aus Gründen einer überzogen vorsichtigen „Politcal Correctness“ im letzten Augenblick einen zweiten Autor, den Israeli Assaf Gavron, und ein zweites Buch, einen überhaupt nicht mit Sumaya Farhat-Nasers Autobiographie korrespondierenden Krimi, zur Seite gestellt hatte. Mörchen stand am Applaus gemessen nicht alleine mit dieser Meinung da.

Die Kulturjournalistin und Rezensentin Claudia Hoffmann aus Kommern (Stadt Mechernich) schreibt über den Abend im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Nicht nur, aber vor allem Journalisten sollten nicht allzu verschwenderisch mit Superlativen umgehen. Sonst fehlt es an Steigerungsmöglichkeiten, wenn man in die Verlegenheit kommt, wirklich ganz herausragende Dinge beschreiben zu müssen. Eine Gelegenheit in Adjektiven zu schwelgen, ergab sich am Mittwochabend in der Euskirchener Georgschule bei der zehnten lokalen Euskirchener Auflage der Aktion »Ein Buch für die Stadt«.

Dort kam es für gut 150 Gäste des literarischen Abends mit Sumaya Farhat-Naser und ihren Lebenserinnerungen im Buch »Thymian und Steine« zur Begegnung mit einer großen Frau, deren Kraft, Energie und Zuversicht bis in die letzten Winkel des Saales strahlten. Es war ein Abend von einer Lebendigkeit und Intensität, den die Besucher lange nicht vergessen werden.

Sumaya Farhat-Naser ist Palästinenserin, ihre Religion ist das Christentum. Ihre konfessionelle Zuordnung könnte man als fleischgewordene Ökumene bezeichnen: Sumaya Farhat-Naser ist griechisch-orthodox getauft, evangelisch konfirmiert und anglikanisch getraut worden. Sie hat mit dem Prior des katholischen Benediktiner-Kloster Tabgha am See Genezareth eine aus israelischer Sicht nicht legale Versorgung verwundeter palästinensischer Jugendlicher organisiert und die Dormitio-Abtei der Benediktiner in Jerusalem wurde zum Austragungsort ihrer ersten Treffen mit jüdischen und moslemischen Frauenrechtlerinnen. Ihr überkonfessionelles Christentum und ihre Achtung vor anderen Religionen klingen in ihren Worten wie eine große Selbstverständlichkeit: »So gehöre ich zu allem und alle gehören zu mir. Das ist das Schönste.«

1989 erhielt sie »für ihr öffentliches Eintreten für die politische Aussöhnung von Palästinensern und Juden in Gerechtigkeit und Freiheit« die Ehrendoktorwürde der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster. Neben vielen anderen Auszeichnungen, wurde ihr 1995 der Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte, 1997 der Versöhnungspreis „Mount Zion Award“ in Jerusalem, 2000 der Augsburger Friedenspreis und 2011 der AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirchen und Gesellschaft verliehen. 

In dem Literaturwissenschaftler Dr. Helmut Mörchen und dem Mechernicher Journalisten und Diakon Manfred Lang fand die palästinensische Friedenskämpferin am Mittwochabend gleichermaßen einfühlsame wie kluge Gesprächspartner und es entspann sich über die Dauer von mehr als zwei Stunden ein angeregter und anregender Dialog. »Ich habe Glück gehabt«, erzählte die Autorin in Erinnerung an jene Zeit, in der sie als junges Mädchen die Internatsschule Talitha Kumi in Bait Dschala (nahe Jerusalem) besuchen durfte, die im 18. Jahrhundert vom Kaiserswerther Diakoniewerk gegründet und von deutschen Diakonissinnen geführt wurde. Es war ihre Tante Hanneh, Mutter von drei Kindern, die es nach schlimmen Ehejahren gewagt hatte, auszubrechen, obwohl es als Schande galt, die der jungen Frau eine Ausbildung an der Mädchenschule ermöglichte und damit die Weichen für ihren späteren Lebensweg gestellt hat.

Der Name »Talitha Kumi« entstammt der Bibel, erklärte Helmut Mörchen. Es sind die Worte, mit denen Jesus die Tochter des Jairus wieder zum Leben erweckt hat und sie bedeuten: „Mädchen, ich sage dir: Steh auf!“. Die Botschaft der Diakonissinnen lautete nebenbei, dass die Ziele eines Frauenlebens nicht einzig Heirat und Kindergebären sind, wie es in der palästinensischen Gesellschaft als selbstverständlich galt. Sie vermittelten den jungen Palästinenserinnen, »ein erfülltes Leben zu führen, mit einer Aufgabe im Dienste, der Botschaft, die in uns steckt«. Dieses Mut machende Programm  trägt Sumaya Farhat-Naser bis heute in ihrem Herzen.        

Doch bis sie das Selbstbewusstsein fand, ihre Botschaft in die Welt zu tragen, sollte es eine Weile dauern. Steine, im negativen wie im positiven Sinne, ziehen als immer wiederkehrende Symbole durch ihre Biografie. Steine, an denen sich die barfuß laufenden Mädchen die Zehen blutig stoßen, Steine, die ihr in den Weg gelegt und die nach ihr geworfen wurden. Steine, die andererseits die im Sommer so lebensnotwendige Feuchtigkeit speichern. Steine, mit denen man Häuser baut. Steine als Symbol für Schutz und Vertrauen. Ähnlich verhält es sich mit dem Thymian. Er steht für Frische, für Hartnäckigkeit und die Fähigkeit, auch auf steinigem Grund zu überleben. Er steht für das tägliche Brot, so reichlich vorhanden, dass man sich „auch in Zeiten der Ausgangssperre nicht zu fürchten braucht“. Thymian, den zu zupfen, die israelische Besatzung den Palästinensern irgendwann untersagte.“

Dass Besondere an diesem Abend war nicht allein die Tatsache, dass eine Autorin ihre Geschichte in wunderbarer Weise lebendig werden ließ, sondern das Zusammenspiel aller Mitwirkenden. Achmed Kreusch umrahmte den Gedankenaustausch mit seiner Bambusflöte »Ney«, einem der ältesten Musikinstrumente der Menschheit. Die Schüler der Euskirchener Georgschule hatten mit viel Liebe ein Buffet mit traditionellen palästinensischen Speisen angerichtet, die von den Besuchern ausgiebig gekostet wurden. Auch nach der Pause berichtete von Tradition und Rollenverhalten, dem langsamen Aus- und Aufbruch, der doch kein Bruch mit der angestammten Umgebung, mit dem Dorf, mit der Familie, mit der eigenen Identität gewesen ist.

Und sie erzählte über 150 gespannt lauschenden Menschen von ihren Projekten, Vorträgen, Seminaren, in denen sie Frauen motiviert, eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts herbeizuführen, und wie in ihr die Erkenntnis gereift ist: »Wir kämpfen aus Liebe zum Leben gegeneinander. Nicht, weil wir uns hassen.« »Seit wann gibt es euch?« wurde sie von israelischen Frauen gefragt. Und sie antwortete: »Wir sind alle so. Wir wissen nur nichts voneinander.«

Die Autorin gelingt es in ihrem Buch »Thymian und Steine« und es gelang ihr auch in der Euskirchener Lesung, in die schlimmsten Geschichten noch einen Hoffnungsblitz aufleuchten zu lassen, wie Dr. Helmut Mörchen treffend bemerkte. Und diese Fähigkeit der vermittelnden, erzählenden Schreib- und Redekunst über das eigene Leben weckt beim Leser und Zuhörer die Erkenntnis, dass man auch angesichts eines übermächtig-virulenten Konflikts nicht zwangsläufig resignieren muss, sondern gemeinsam mit anderen (Frauen) zunächst im Kleinen etwas bewirken muss, damit sich auch im Großen etwas bewegen kann. Sumaya Farhat-Naser lehrte in Euskirchen, dass man die Hoffnung im Einsatz  für Frieden und Gerechtigkeit nicht aufgeben darf. Es war ein Mut machender Abend.“

pp/Agentur ProfiPress