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Ein letzter Blick hinter die Kulissen

Ein letzter Blick hinter die Kulissen
Zahlreiche Besucher kamen am Sonntag ins LVR-Freilichtmuseum Kommern, um Abschied zu nehmen von der “Schönen Neuen Welt” und manche der Exponate, die neun Jahre lang nur durch Glasfenster zu sehen waren, einmal aus der Nähe zu betrachten
Kommern. Ein bisschen Wehmut lag schon in der Luft, als das Tagebuch des Rheinländers Johannes Herbergs am Sonntag im LVR-Freilichtmuseum Kommern gewissermaßen ein letzes Mal aufgeschlagen wurde. Neun Jahre lang hatte das Museum das Leben des Auswanderers, der von seiner abenteuerlichen Reise nach Amerika zwischen den Jahren 1764 und 1766 ein schriftliches Zeugnis hinterließ, in Szene gesetzt und so die unglaublichen Strapazen, denen die Amerika-Auswanderer im 18. Jahrhundert ausgesetzt waren, nicht nur dokumentiert, sondern auch sinnlich erfahrbar gemacht. Die Besucher vollzogen noch einmal den Reiseweg Herbergs und seines Vetters über die Niederlande und England, warteten mit ihnen auf die Atlantik-Überfahrt in einem Londoner Wirtshaus, erlebten die bedrückende Enge in einem der Auswandererschiffe und erreichten schließlich die neue Welt.
Die Finissage, zu der auch zahlreiche Fans der Ausstellung gekommen waren, die diese schon mehrfach besucht hatten, lockte mit zahlreichen Sonderführungen. Museumsleiter Dr. Josef Mangold, Museumsrestaurator und Maskenbildner Peter Weiß sowie zahlreiche Begleiterinnen, die durch die Ausstellung führten, erwarteten die Gäste bereits am Eingang. Dort hatte man an diesem Tag nicht nur Gelegenheit, das Informationsmaterial und die Produkte rund um die Ausstellung besonders günstig zu erwerben, sondern auch an eine der Führungen teilzunehmen, wie sie bislang noch nicht geboten wurde. Denn an diesem letzten Ausstellungstag wurden auch einige der sonst fest verschlossenen Türen geöffnet, und manche Szenerie, die man im letzten Jahrzehnt nur durch kleine Sprossenfenster hatte betrachten können, war jetzt zugänglich.
So fanden sich die Besucher plötzlich selbst inmitten des Hausinterieurs wieder. “Das ist ja wirklich alles echt hier”, wunderte sich einer der Teilnehmer, als er einen Webstuhl betrachtete und am anderen Ende des Raumes eine massive Feuerstelle mit schwerem Gusseisendekor. “Hier war selbst ich noch nie drin”, gab Lotte Grenzer zu, die schon seit Jahren Führungen im LVR-Freilichtmuseum leitet und die am Sonntag auch ihre letzten Besuchergruppen kompetent wie immer durch die Ausstellung führte.
Besonders interessiert waren die Besucher daran, einen Blick in die Druckerei von Christoph Sauer zu werfen. Sauer war der erste deutsche Buchdrucker in Nordamerika. 1743 druckte er dort als Erster die Heilige Schrift. Erst 40 Jahre später erschien die Bibel in Amerika auf Englisch. Die Besucher durften nicht nur eine seiner hölzernen Druckmaschinen ganz aus der Nähe bewundern, sondern auch die Lettern in den Setzkästen und all die erstaunlichen Geräte, deren Nutzen und Anwendung einzig Museumsrestaurator Peter Weiß erklären konnte. Darunter beispielsweise ein Werkzeug, an dessen Ende ein Achat eingelassen war, um damit Blattgold auf Hochglanz zu polieren. Wer wollte, der konnte sogar eine Unabhängigkeitserklärung erstehen, die auf der Druckmaschine im Museum gedruckt worden war.
Das Rheinland und der Erste Weltkrieg
“Wir müssen die Ausstellung jetzt schließen, da es großen Sanierungsbedarf bei den Ausstellungshallen gibt”, berichtete Museumleiter Dr. Josef Mangold. Die Hallen waren in den 70er Jahren nach Plänen des Kölner Architekten Walter von Lom errichtet worden. Mit ihrer Holzskelettbauweise passten sie sich den historischen Bauten in den Museumsbaugruppen an, verglaste Außenwände gewährten überall Blicke in die freie Natur.
Die Ausstellungshallen sollen durch die anstehende Sanierung für die Zukunft gerüstet werden. Mit einer neuen technischen Ausstattung will man bessere Voraussetzungen für eine flexible Ausstellungsgestaltung schaffen. Die Umbaumaßnahmen sollen aber auch den Bedürfnissen einer älter werdenden Klientel Rechnung tragen, Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen schaffen und insgesamt für einen noch angenehmeren Aufenthalt sorgen. Bis 2014 müssen die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sein. Dann soll es auch eine neue Ausstellung geben, die an die Ursachen des Ersten Weltkriegs und seine Auswirkungen auf die rheinische Bevölkerung erinnern will.
Winteröffnungszeit des LVR-Freilichtmuseums Kommern:
täglich 10–16 Uhr (24. u. 31.12.: 10-14 Uhr; 25.12. u. 1.1.: 11-16 Uhr).
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre haben freien Eintritt.
Museumsprogramm unter
www.kommern.lvr.de

Manfred Lang

23.02.2010