Ein Froschteich für den Bürgermeister
Gemeindeoberhaupt Hermann-Josef Esser stellte den Karnevalisten ein Rathaus-Dreigestirn entgegen – Jecke Übermacht war zu groß – Rathaus fiel nach dem dritten Schuss
Kall – Nein, ein zweites Mal wollte Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser diese jecke Meute nicht in sein Rathaus lassen. Die Schäden, die die Karnevalisten im Vorjahr hinterlassen hatten, seien einfach zu hoch gewesen. „Das war eine Riesen-Sauerei! Das ganze Treppenhaus war dreckig und wir mussten den Teppich erneuern lassen“, maulte das Gemeindeoberhaupt, das Jeans und weißes Hemd mit Krawatte trug. Und überhaupt: Hausmeister Wolfgang Kruff habe die Türen abgeschlossen, man komme nur von innen raus. „Der Rathaussturm fällt aus“, sprach Esser – und verschwand.
Doch die Kaller Jecken ließen nicht locker. Immerhin waren Vertreter aller Karnevalsvereine, die meisten mit mehreren Tollitäten, anwesend: Süetenicher Schlipse, die jecke Krohe von Wahle, der KinderKarneval Sistig, die Jecke vom Hahnebömsche aus Scheven, die St.-Nikolaus-Schule, die Löstige Bröder aus dem Kernort mitsamt ihrer schlagkräftigen Musketier-Truppe und der „Möcke-Flitsch“ genannten Kanone sowie natürlich die Möhnen, die an Weiberdonnerstag ihren großen Tag haben.
Waren die Bürger zunächst noch neutrale Beobachter, war es kurze Zeit später mit der Unparteilichkeit vorbei. Denn Bürgermeister Esser beschloss kurzerhand (und angeblich von langer Hand im stillen Kämmerlein geplant), den zahlreichen Tollitäten vor dem Rathaus ein Dreigestirn aus dem Rathaus entgegenzustellen. Angeführt von ihm selbst, wobei er sich nicht als Prinz, sondern als waschechter Froschkönig gebärdete, verstärkt durch Bauer Lothar (Schatten, Esser: „So sieht ein Bauer aus!“) und die holde Jungfrau Andrea (Bauhofleiter André Kaudel, Esser: „Noch schöner als die Jungfrau von Sötenich!“).
Während Bauer Lothar, überrumpelt vom Chef, tanzend diplomatische Annäherungsversuche bei Bauer Simone vom Kaller Dreigestirn versuchte, verscherzte es sich Esser schnell mit seinem Volk. Zunächst bat er noch um Verständnis, schließlich sei er ein verwunschener Prinz, der an Weiberdonnerstag 1000 Bützje bekommen müsse, sonst bleibe er für immer ein Frosch. Diese Mitleidstour zog sogar, schnell hatte er das erste Bützjen erhalten. Das zweite gab ihm Fine Hermanns, die seit 1968 mit den Möhnen das Kaller Rathaus stürmt. Im Austausch überreichte Esser ihr seinen Orden.
Renitenter Froschkönig
Doch dann war es mit der Freundlichkeit vorbei. „Ihr seht zum Teil echt lächerlich aus“, polterte er den Bürgern zu. Mit den Worten „Bis morgen, hier wird jetzt gearbeitet“ stapfte er, begleitet unter Buhrufen des Publikums, mit Bauer und Jungfrau zurück ins Rathaus.
Diesen Affront ließen sich die Jecken natürlich nicht bieten. Musketier-Standartenträger Maxi Brucker schickte seine Gardisten ins Rathaus und lieferte sich, unterstützt von Einflüsterer Helmut Thelen, ein Rededuell mit dem Gemeindeoberhaupt, wobei die beiden auch Ideen für weitere Bauprojekte austauschten, jetzt wo das Haus der Begegnung fertig sei. Esser wolle, spezielle für den Weiberdonnerstag, ein Männerhaus errichten. Brucker machte stattdessen den Vorschlag, Froschkönig Esser möge sich doch einen Froschteich anlegen.
Kanonier Rico Spilles bereitete währenddessen die Möcke-Flitsch vor. Nach drei Schüssen aufs Rathaus führten die Gardisten den nun kleinlauten Bürgermeister, in Ketten gelegt und die weiße Fahne schwenkend, ins Freie. Ein vierter Schuss aufs Rathaus sorgte dafür, dass auch keiner der Bediensteten den Versuch unternahm, den Chef zu befreien.
Im Anschluss wurde dieser heroische Sieg über den grünen Lurch gefeiert. Die Kallbachmücken und die Möhnen tanzten vor Freude. Letztere forderten außerdem die Tollitäten auf, mitzumachen. Der Friedensgipfel folgte umgehend. Der sich geschlagen gegebene Bürgermeister lud alle Jecken zu fröhlichen Verhandlungen in seine nun geöffnete Festung ein.
pp/Agentur ProfiPress