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Eifeler Travertin war in der Nazizeit begehrt

Eifeler Travertin war in der Nazizeit begehrt
An der kulturhistorisch wertvollen Kakushöhle rückten trotz Naturschutzverordnung Arbeiter an, die über 6000 Kubikmeter “Eifel-Marmor” für das Reichsparteitagsgelände abbauten
Mechernich – Die kulturhistorisch wertvolle Kakushöhle im Kartstein bei Dreimühlen erfreut sich jährlich vieler Besucher. “Dass hier 1938 trotz strengem Naturschutz ein reger Steinbruchbetrieb stattfand, ist wenigen bekannt”, berichtete der Mechernicher Heimatforscher Peter-Lorenz Könen jetzt der Presse. Aus dem Kartstein wurde nämlich von 1938 bis etwa 1942 “Eifeler Travertin” abgebaut. Auf Platten geschnitten, diente der “Eifel-Marmor” als Außenfassade für das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.
Könen: “Der Travertin des Kartsteins bei Eiserfey besteht aus einem besonderen Kalkstein. Er bildet das nördlichste Vorkommen dieser Gesteinsart in Europa und ist erst vor etwa 300 000 Jahren entstanden, als dort bereits nachweislich Menschen lebten.” Damit sei der Travertin des Kartsteins um viele hundertmillionen Jahre jünger als die Kalke der Eifeler Kalkmulden. Travertine sind Kalk-Sinter-Gesteine, die nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen entstehen. Strahlend weißes Travertin-Gestein wurde schon seit römischen Zeiten vor allem in Italien zur Errichtung von Monumentalbauten benutzt, wie beispielsweise beim Bau des Petersdoms in Rom.
“Das »Dritte Reich« machte in seiner Repräsentationssucht auch vor dem geschützten Eifeler Travertin nicht Halt”, sagte Könen.
Im April 1938 erschien im Euskirchener Volksblatt der Artikel “Steine der Eifel für Führerbauten”, in dem über den Gesteinsabbau berichtet wurde: “Nachdem sich herausgestellt hat, dass das Gestein nur an zwei Stellen in ganz Deutschland vorkommt, wird es jetzt wegen seiner Seltenheit, Dauerhaftigkeit und Schönheit bei der Errichtung von Führerbauten in den verschiedenen deutschen Gauen verwendet.” Ganze Lastzüge transportierten die schweren Steine aus der Eifel. Der Betrieb des Travertin-Steinbruchs lief anfangs schleppend an, da laut Könen zum Betrieb notwendige Anträge noch nicht unterschrieben waren: Der Bürgermeister von Zingsheim, der Landrat in Schleiden und der Regierungspräsident in Aachen unterzeichneten erst im Oktober 1937. Das erste Handmuster von Travertin ging Ende Oktober 1937 an den “Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg” (ZRN). Die Antwort aus Nürnberg lautete: “Das mir vorgelegte Handmuster des Gesteins der Eifel scheint nach Farbe und Struktur für die Verwendung zu den Hochbauten im Märzfeld geeignet.”
Der Reichsparteitag Nürnberg sollte durch das so genannte “Märzfeld” verschönert werden: Das Gelände hatte eine geplante Größe von 610 mal 955 Meter. Mit dem Eifeler Travertin sollten Macht und Größe der NSDAP hervorgehoben werden, wie Könen sagte: Die Umrandung des Feldes sah in der Planung 24 Türme vor, je 38 Meter hoch. Durch eine 14 Meter hohe Tribünenanlage sollte es Platz für mindestens 150 000 Personen geben. Peter-Lorenz Könen: “Bis 1941 waren elf der 24 geplanten Türme mit einer Grundfläche von 13,5 mal 16 Metern mit Tribünenanlagen fertig gestellt. Die äußere Fassade der Türme und der Innenbereich der Tribünenanlagen sollte mit Eifeler Travertin verschönert werden.”
Die ersten Lieferungen sollten jedoch noch auf sich warten lassen. Der recht kalte und lang andauernde Winter 37/38 verhinderte einen raschen Beginn. Am 6. Januar 1938 stand der Bruchbetrieb unter der Firmenbezeichnung “Eifel-Travertin Steinbruchbetrieb A. Spilker und H. Lancier”. Es waren insgesamt 20 Steinmetzwerkstätten, bis hin zur Lahn, in dem Projekt eingebunden. Am 18.März 1938 verkündete “Spilker und Lancier” eine erste Erfolgsmeldung: “In dieser Woche sind zwei große Waggon-Ladungen Eifelmaterial heraus gegangen: 35 Tonnen an die Firma Haacke in Düsseldorf, die andere an die Firma Backhaus in Wesel.”
Im Mai 1938 tauchte ein weiteres Hindernis auf: Die Naturschutzbehörde hatte entgegen der bereits erteilten Abbaugenehmigung für Travertin im Kreise Schleiden Einspruch gegen den Steinbruch erhoben. Könen: “Der bestehende Naturschutz konnte jedoch durch entsprechende Paragraphen in dem Reichsnaturschutzgesetz von 1935 leicht geändert werden: Bei Reichs-Interesse zählte der Naturschutz nicht.”
Der Abbau dauerte an. 1939 wurde vom ZRN angekündigt, dass die neue Kongresshalle ebenfalls mit Eifel-Travertin verblendet werden sollte. Doch der Dreimühlener Bruch konnte den Gesamtbedarf nicht decken. “So suchte man weitere Travertin-Aufschlüsse in der näheren Umgebung und fand ein weiteres Massiv in der Nähe von Urfey”, sagte der Mechernicher Heimatforscher.
Die letzten Verträge mit dem ZRN seien im Januar 1942 abgeschlossen worden. Doch der Bau der neuen Kongresshalle in Nürnberg wurde 1943 eingestellt. Peter-Lorenz Könen: “Aus den Aktenbeständen ist zu entnehmen, das in dieser Zeit weit über 6000 Kubikmeter Travertin nach Nürnberg geliefert wurden.” Die bestehenden Türme des Märzfeldes wurden bis 1967 gesprengt, das Material sei unter anderem als Lärmschutzwall verwendet worden.
Seine Leidenschaft für die Geschichte Mechernichs hat Peter-Lorenz Könen gewissermaßen von seinem Vater geerbt: Sein Vater ist der Mechernicher Heimatforscher und Autor Anton Könen. Als Peter-Lorenz Könen beruflich in Nürnberg zu tun hatte, forschte er unter anderem im Stadtarchiv der fränkischen Metropole nach Quellen über den Eifeler Travertin.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

25.05.2010