Aktuelles

Du häs se net mieh all em Chressboom!

Du häs se net mieh all em Chressboom!
Wat sollen dann die Möcks dess Johr op et Chresskengche kreje, Mama?”, fragt der Vater die Mutter und drückt damit seine Ratlosigkeit aus, was man den “Puute”, “Möcks”, “Männ”, “Pänz”, kurzum dem eigenen Nachwuchs, zu Weihnachten schenken soll. Weihnachten gibt es auf Eifeler und Euskirchener Platt als Wort nämlich nicht, Weihnachten ist ripuarisch “Chressdaach”.
Und “Chresskengche” ist nicht nur der neugeborene Christus, das “Christkind”, sondern auch das Geschenk, das man jemandem “op Chressdaach” macht. Mundart-Spezialist Fritz Koenn lässt also den eingangs begonnenen Dialog zwischen Vater und Mutter so weitergehen: “Mir möhte dess Weich no Hellendall john für de Chresskengcher ze jälde.” Das Christkind kann man nicht kaufen, “Chresskengcher” aber sehr wohl.
Hermann-Josef Kesternich führt das “Chresskengche” in seinem Euskirchener Umland-Sprachlexikon “Woat vüe Woat” auch als Bezeichnung für einen weltfremden Menschen. Neben “Chressdaach”
lässt er “Chressfess” für Weihnachten und “Chressnaaht” für den Heiligen Abend gelten. “Chress” heißt auf Platt nicht “Christus”, sondern “Christ”.
“Chress” ist aber auch die Abkürzung des Vornamens Christian. “A Chreste” ist ein häufig in der Eifel zu findender Hausname. Der Weihnachts- oder Tannenbaum heißt im Kreis Euskirchen meist “Chressboom”. Als “Chressbööm” oder “Dännebööm” verwendet werden hierzulande meist Fichten, keine Tannen.
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter . . .” Folgerichtig werden in der Eifel Fichten “Dänne” genannt. Wer sich weigert, beispielsweise Fichten “Dänne” zu nennen, sich also nicht an die Norm hält, sondern augenfällig aus der Reihe tanzt, “hät se net mieh all em Chressboom”. Wer mehr als nur einen über den Durst trinkt, “hät de Chressboom am lüehte” – und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Früher bekamen die katholischen Kinder im Rheinland nicht nur Religionsunterricht in der Schule, sondern mussten auch noch sonntags zwischen Hochamt und Andacht zur “Chrestielier” (christliche Lehre) beim Pastor oder Lehrer. “Chrestemensch” wird ein halbwegs anständiger Charakter genannt. Wer noch eine Spur sanftmütiger ist, “hät e Kaploonsjemöht” oder ist gar ein “Lämmet”. “Chressstoffel” ist die rheinische Form von Christoph, manchmal auch nur “Stoffel”.
Den Titel “Stoffel” wiederum kann sich auch ein einfältiger Mensch zuziehen. Manchmal ist (nicht nur) der “Immi” einfach platt angesichts solcher sprachlicher Feinheiten.
MANFRED LANG

Manfred Lang

08.01.2007