„Die Welt kommt nach Mechernich“
ARD-Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies, der 1972 in Mechernich Abitur machte, hielt die Laudatio beim Festakt zum 50jährigen Bestehen des Gymnasiums am Turmhof (GAT) – Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, ebenfalls ein „Ehemaliger“, zeichnete ohne Berührungsängste die Weiterentwicklung der Schulstadt Mechernich auf: „Wir entwickeln uns weiter, mit dem Gymnasium an der Spitze, aber auch der Gesamtschule mit Abitur nach 13 Jahren“
Mechernich – „Der Lielischkies kann Tagesschau, dann kann der bestimmt auch beim Festakt »50 Jahre Gymnasium Mechernich« ein paar Sätze geradeaus sagen“, mutmaßte ARD-Moskaukorrespondent Udo Lielischkies über die Motive von Schulleiter Josef van de Gey, ihn als Festredner einzuladen.
Van de Gey hatte den bekannten Fernsehmann vor über einem Jahr gefragt, ob Lielischkies nicht als einer der berühmtesten „Ehemaligen“ des Gymnasiums bei der Feier zum 50jährigen Bestehen am 12. September 2014 die Laudatio auf seine alte Penne halten wolle.
Lielischkies sagte zu, und wurde jetzt, vier Wochen vor dem Termin, am Rande ukrainische Bürgerkriegsschauplätze vom Erinnerungssystem seines Smartphones an „mein seriöses Problem erinnert, das ich nun neben dem bisschen Kriegsberichterstattung auch noch hatte“.
„Einmauern nutzt nichts, wenn es weht, Sie müssen Windmühlen bauen“
Wie sich 300 Festaktbesucher am Freitag überzeugen konnten, hatte der ARD-Studioleiter Moskau die seither verstrichenen Tage gut genutzt, um eine launige Rede vorzubereiten, die keineswegs zur Lobhudelei aufs Gymnasium geriet, sondern zum engagiertes Plädoyer für eine weltoffene, globalisierte Gesellschaft auch in Mechernich.
„Einmauern nützt nichts, wenn der Wind kommt“, riet der 1972er Abiturient dem aktuellen Abiturjahrgang: „Bauen Sie Windmühlen, nutzen Sie Entwicklungen und Trends und stellen Sie Sich nicht taub und nicht dagegen.“ Migration sei kein Feindbild, sondern „ein Heilmittel für unsere überalterten europäischen Gesellschaften“. „Die Welt kommt nach Mechernich, öffnen Sie sich der Welt“, appellierte der zunächst in Köln und dann in Kommern-Süd aufgewachsene Journalist.
„Lernen Sie Sprachen und reisen Sie“, riet Udo Lielischkies seinen Nachfolge-Pennälern am Gymnasium am Turmhof (GAT), wie sich das Progymnasium heute nennt, dessen erste 48 Schüler und deren Eltern 1964 im Kinosaal der Mechernicher Lichtspiele zum Auftakt ihrer Schullaufbahn begrüßt wurden, wie Josef van de Gey die Festgäste erinnerte.
„Mit langen Haaren, Lackledermantel und einer linken Gesinnung“
27 davon machten 1972 Abitur, unter anderem Udo Lielischkies, der „mit schulterlangen Haaren, langem Lackledermantel und linker Gesinnung“ ganz und gar nicht den Idealvorstellungen von Direktor Johannes Kaernbach entsprochen haben dürfte. Gleichwohl ist Lielischkies dem fast 90jährigen, der wie seine Nachfolger Wolfram Königsfeld und Josef van de Gey dem Festakt beiwohnte, „bis auf den heutigen Tag dankbar, dass Sie sich damals so viel Mühe gaben, unserem politischen Feindbild vollständig zu entsprechen“.
Dem Festakt vorangegangen war ein Ökumenischer Gottesdienst mit dem katholischen Pfarrer Karl-Heinz Stoffels, der 1986 am GAT Abitur gemacht hatte, und dem evangelischen Pfarrer Steffen Tiemann, der bereits 1982 die Oberprima des Neusprachlichen Gymnasiums der Stadt Mechernich erfolgreich absolvierte.
Auch an der Orgel saß mit René Rolle ein Ehemaliger, am Fürbittgebet beteiligten sich mit Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und dem Schulpflegschafts-Vorsitzenden Andreas Sack ebenfalls ehemalige Turmhof-Gymnasiasten.
Steffen Tiemann erinnerte in seiner Predigt an die christliche Jugendgruppe, die sich in den siebziger Jahren im Keller des Gymnasiums traf, um gemeinsam die Bibel zu lesen und darüber zu diskutieren, zu singen und zu beten. „Da habe ich Gott gefunden, sozusagen im fundamentalen Bereich“, sagte der Geistliche: „Und oben die anderen wichtigen Dinge fürs Leben gelernt, die darauf aufbauen: Mathe, Englisch und Geschichte.“
Tiemann gab Antworten auf die selbstgestellte Frage: „Was hat eine weltliche Schule wie diese mit Gott zu tun?“. Eine ganze Menge. Denn ohne Gott und ohne Vorbilder, bei denen etwas von Gottes Güte durchschimmere, werde Bildung zur Einbildung oder zur bloßen Ausbildung für das gerade am Arbeitsmarkt vorherrschende Anforderungsprofil, so Tiemann.
„Viele der über 2500 Abiturienten waren die ersten in ihren Familien“
Das Gymnasium am Turmhof habe nicht nur Gott im Blick behalten, sondern auch seine soziale Aufgabe, fand Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick: Viele der bis heute über 2500 Abiturienten seien die ersten in ihren Familien gewesen, die es zur allgemeinen Hochschulreife brachten.
Das Gymnasium der Stadt Mechernich habe wie kaum ein anderes der Region Bildungsgleichheit und Bildungsgerechtigkeit unter Bevölkerungsgruppen hergestellt, die sich unter den ökonomischen Verhältnissen am Bleiberg jahrhundertelang auseinander entwickelt hatten.
Wenn heute trotz 44 unterschiedlicher Dörfer und Weiler im Stadtgebiet Mechernich ein starkes Wir-Gefühl herrsche, dann in erster Linie wegen seiner homogenen und alle Schulformen umfassenden Schullandschaft mit dem Gymnasium an der Spitze, so Schick.
„Es ist die älteste Schule im Stadtgebiet und sowas wie unsere große Schwester“, sagte Ulrich Lindner-Moog in seinem Grußwort für die Leiter der anderen Mechernicher Schulen, von denen keine so alt sei wie das Gymnasium.
Chantal Gougouzian (Nyons), Dale Timbers (Norwich), Pirjo Jaakamo (Finnland), Irina Duzhik (Russland) und Yuxiang Cao (China), die Sprecher der ausländischen Partnerschulen des GAT, fanden es ebenfalls „kaum der Rede wert“, über 50 Jahre zu reden, seien sie selbst doch gerade mal so alt.
Dem konnte sich Stefan Sieprath, der Vertreter der Kölner Regierungspräsidentin, anschließen, der or zwei Jahren seinen 50. Geburtstag gefeiert hatte, wie er angab: „Und ein Kollege von mir ist heute zum Festakt beim Erzbischöflichen Ursulinengymnasium in Köln, das wird 375 Jahre alt.“
„Da ist noch Luft nach oben“, befand auch Bürgermeister Schick, da sei noch Raum für weitere Schulentwicklung am Mechernicher Bleiberg: „Mit dem heutigen Tag hört die Schulstadt Mechernich ja gottlob nicht auf. Sie wird sich fortentwickeln.“
„Manche strömen schnell zum Abitur, andere lassen sich mehr Zeit“
„Wir schreiten voran, mit dem Gymnasium an der Spitze“, konstatierte Schick, der nicht zu bange war, die neuen Wege beim Festakt des Gymnasiums beim Namen zu nennen, die die Stadtverwaltung gehen will, wenn sie im Schuljahr 2015/16 aus ihrer im vergangenen Jahr gegründeten Sekundarschule eine Gesamtschule mit Abiturmöglichkeit nach 13 Jahren macht.
Dass sich diese neueste Entwicklung der Schullandschaft Mechernichs keineswegs gegen das Gymnasium am Turmhof richte, betonte auch Stefan Sieprath von der Bezirksregierung: „Die einen strömen schnell zum Abitur, die anderen lassen sich lieber etwas mehr Zeit.“ Vom Grundsatz her sei es also zu begrüßen, dass sich das Schulangebot in der Stadt Mechernich noch breiter aufstelle.“
Direktor Josef van de Gey machte einen sichtlich glücklichen Eindruck im Angesicht der vielen guten Worte, die er über seine Schule zu hören bekam. Er drückte nicht nur die Hände vieler Redner, sondern auch eine ganze Reihe von Menschen an sich, die sich beim Festgottesdienst und beim Festakt für gutes Gelingen eingesetzt hatten.
Mit Musik- und Theaterstücken unterbrachen Schüler und Lehrer die zahlreichen Redebeiträge. Andreas Weber (Abi 2012) und Niklas Marx (aktueller GAT-Gymnasiast) brachten virtuose Klaviersoli, Literatur- und Musikkurse spielten mit Klang- und experimentellem Bewegungstheater Horrorvisionen, wie Unterricht einmal war, und wie er einmal sein könnte.
Erst spielten die Schüler eine Klasse, die von ihrer Lehrerin Bücherwissen regelrecht eingebimst bekam. So ging Lernen in der Vergangenheit. Doch wird es künftig besser? Auf der Bühne erschienen Schüler, die roboterhaft wie am Fließband lernten, indem sie von Lehrroboter zu Lehrroboter eilten. Bei jedem erfuhren sie nur eine ganz begrenzte Zahl Vokabeln oder mathematischer Formeln . . .
pp/Agentur ProfiPress