Die Seele berührt
Katia Franke, Gitarrist Fedor Volkov und Mona Dia begeisterten mit Lit.Eifel-Nachmittag an Allerheiligen
Nettersheim – Es war ein wunderbarer Lit.Eifel-Nachmittag in der Kapelle des Herz-Jesu-Klosters in Nettersheim. Die WDR-4-Moderatorin Katia Franke, der Gitarrist Fedor Volkov und die Malerin Mona Dia machten ihn zu einem besonderen Erlebnis: Sie berührten die Seele, bewegten die Herzen, machten Hoffnung, ließen Raum zum Schmunzeln – an Allerheiligen, dem Gedenktag für Verstorbene.
Kein einfaches Sujet hatten sich die Protagonisten ausgesucht. Gemeinhin werden die Fragen nach dem „Wohin“ und „Warum“ höchstens ins stille Kämmerlein gepackt. Die Gratwanderung, in die Tiefe zu gehen, ohne jedoch triefend zu werden, gelang den Protagonisten mit ihren Gedichten, Geschichten und Liedern perfekt. (Mit)Fühlen und nachspüren war angesagt bei der musikalischen Lesung, die gemeinsam vom Literaturhaus Nettersheim und der Lit.Eifel veranstaltet wurde. Der Titel lautete: „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin…!“
Mit Texten etwa von Max Frisch, Barbara Noack und Geschichten aus eigener Feder begab man sich auf Spurensuche nach dem Sinn der Geburt, dem Tod und dem Leben dazwischen. „Ich komm‘ und weiß nicht woher“, stellte Franke fest. Inhalte wie Sterbezimmer, Abschied, die Angst vor dem Tod oder die eigene Vergänglichkeit wurden in den kommenden zweieinhalb Stunden verdaubar und auf hohem Niveau transportiert.
Einen großen Anteil an dem Erfolg des Abends hatte die stimmige und feinsinnige Textauswahl. Die Themenwechsel wurden dabei nie zu einem Wechselbad der Gefühle, sondern eher zum Einnehmen einer neuen Perspektive. Mal war es angenehm lustig, mal nachdenklich stimmend – wie etwa mit dem Couplet von Otto Reuter über die Hatz des Lebens „Mit der Uhr in der Hand“.
Schmunzeln durfte man bei „Anni & Else“, die sich gerne unter die Beerdigungen fremder Leute mischten auf dem Olsdorfer Friedhof („Einer der schönsten Parks Hamburgs, wenn man sich die Toten so wegdenkt“) mischten – und dabei den Leichenschmaus schnorrten. Immerhin schon über 200 Mal.
Trotzdem musste von den Besuchern zwischendurch auch zum Taschentuch gegriffen werden, als Katia Franke eine Liebeshommage an den verstorbenen Vater sang. Mit der „Kuckucksuhr“ brachte sie ihre eigene Opa-Geschichte mit ein – und damit die Erinnerungen an vergangene Kindheitstage. Greifbar auch die Geschichte des Lungenkranken, der nach Luft und dem Leben schnappt.
Das Zusammenspiel zwischen Fedor Volkov und Katia Franke funktionierte grandios – als ob ein unsichtbares Band sie verband. Der ukrainische Gitarrist bereitete mit seinem Instrument einen wahren Klangteppich für die Texte oder Gesangseinlagen der Radio-Moderatorin. Volkov präsentierte sich dabei unprätentiös, zurückhaltend, mal die Saiten feste zupfend, mal leicht untermalend und doch immer leidenschaftlich in den Tönen.
Es wurde nie langweilig. Die Protagonisten zogen mit angenehm wenigen Mitteln die rund 50 Zuhörer in ihren Bann. Mal saß Franke auf den Stufen der „Bühne“, mal saß sie in der Pose einer Geschichtenerzählerin mit einem Buch auf dem Schoß im Sessel. Kurz darauf verteilte sie – passend zur Geschichte – an die Gäste jeweils einen Apfel, der „ewige Jugend verspreche“. Ganz still war es während der Darbietungen. Das Trio kam gänzlich ohne Zwischenansagen aus, die Texte waren gehaltvoll und aussagekräftig genug.
Mit ihren Gedichten, pluralistischen Bildern und abgebildeter Lyrik brachte sich Mona Dia passend ein. Die Zwillingsschwester Frankes zog erst im vergangenen Jahr von Starnberg in die Eifel und arbeitet seitdem im Atelier in Gemünd. Die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin präsentierte gut ein Dutzend ihrer Werke, die sich mit verschiedenen Welten und Sehnsüchten auseinandersetzen. Sie zeigt Facetten einer vielfältigen und durchaus widersprüchlichen Welterfahrung. Bewusst begeht sie dabei Stilbrüche, sodass oberflächlich Unverstandenes plastisch wird.
Dass sie nun gemeinsam auftreten, sei „irgendwie selbstverständlich“, sagt Mona Dia: „Als Kind haben wir unheimlich viel gemeinsam gesungen, musiziert, gemalt und geschrieben. Und wir haben jetzt festgestellt: An so einem Abend können wir uns ergänzen, ohne dass wir darüber sprechen oder uns abstimmen müssen.“
Still lauschten die Gäste der Stimme Katia Frankes zum Abschluss, die zur Melodie von „Tears in Heaven“ von Eric Clapton „In den Himmel“ sang. Sie konnte Tröstliches mit auf den Weg geben: „Der letzte Atemzug bringt uns für immer heim.“
pp/Agentur ProfiPress