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AllgemeinCommunio in Christo

Die Frage nach dem „schönen Tod“

30. Ordensgedenktag der Communio in Christo durch Mutter Marie Therese: Journalist, Philosoph und Buchautor Jürgen Wiebicke über Sterben und Sterbehilfe – Topaktuelle Diskussion vor und mit 300 Gästen, darunter Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Bundestagsabgeordneter Detlef Seif in der Aula des Mechernicher Gymnasiums „Am Turmhof“ – Zuvor Dankmesse mit dem polnischen Erzbischof Waclaw Depo und 30 Geistlichen aus aller Welt

Mechernich – Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte es das „vermutlich anspruchsvollste Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode“ genannt: Vier Stunden lang debattierten die Abgeordneten in Berlin jüngst über die Themen Sterbebegleitung und Sterbehilfe.

Das Thema ist zurzeit in aller Munde. Ohne das zu ahnen, hatte die Communio in Christo in Mechernich den „Kampf um den schönen Tod“ bereits vor einem halben Jahr auf die „Tagesordnung“ ihres 30. Ordensgedenktags gesetzt – und den Journalisten und Philosophen Jürgen Wiebicke („Das philosophische Radio“, WDR 5) als Festredner an den Bleiberg eingeladen.

In der Aula des Mechernicher „Gymnasiums am Turmhof“ las Wiebicke aus seinem aktuellen Buch („Dürfen wir so bleiben, wie wir sind?“) – und zwar aus dem Kapitel „Der Kampf um den schönen Tod“. Dabei gelang es dem Moderator mit der kongenialen „Radio-Stimme“, die 300 Gäste aus aller Welt in seinen Bann zu ziehen.

Im Rahmen der anschließenden Diskussion holte  Jürgen Wiebicke immer wieder auch die Meinung des Publikums ein, unter anderem auch vom Bundestagsabgeordneten Detlef Seif sowie Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (1. und 2. von rechts). Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress
Im Rahmen der anschließenden Diskussion holte Jürgen Wiebicke immer wieder auch die Meinung des Publikums ein, unter anderem auch vom Bundestagsabgeordneten Detlef Seif sowie Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (1. und 2. von rechts). Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

Darunter auch die Veranstalter, Generalsuperior Karl-Heinz Haus, Communio-Geschäftsführer Norbert Arnold, Heimleiterin Ulrike Müller, und Günther Schulz, der Vorsitzende des Communio in Christo e.V., die wieder einmal unter Beweis stellten, dass sich die Communio in Mechernich auf der Höhe der Zeit positioniert.

Und zwar glasklar gegen die aktive Sterbehilfe, wie Norbert Arnold bereits zur Eröffnung des Festaktes sagte. Ebenso deutlich sprach sich der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick aus. Auch der Bundestagsabgeordnete Detlef Seif kam in der von Jürgen Wiebicke exzellent moderierten Diskussion zu Wort.

Der polnische Erzbischof Waclaw Depo sowie rund 30 Geistliche aus Afrika, Asien Europa und Lateinamerika, die zuvor unter dem Motto „Einer trage des Anderen Last“ die Heilige Messe zelebriert hatten, folgten ebenfalls den Ausführungen Wiebickes. Die musikalische Gestaltung übernahm die Kölner Band „Ruhama“.

Diskussion wird sehr emotional geführt

Die Diskussion um aktive Sterbehilfe werde sehr emotional geführt, so Jürgen Wiebicke. Dabei argumentierten sowohl die Befürworter, als auch die Gegner mit der Würde des Menschen: „Die einen sagen, es ist eine ganz persönliche Entscheidung, trotz schwerer Krankheit in Würde sterben zu dürfen.“ Das andere Lager berufe sich darauf, dass das Tötungsverbot für den Menschen bis zum letzten Atemzug gilt.

„Jeder muss selbst Antwort finden auf die drängenden Fragen dieser Zeit, auch zu der Frage nach Hilfe zur Selbsttötung“ so Generalsuperior Karl-Heinz Haus in seiner Begrüßung, „aber… sie  sind viel zu ernst, um sie denen da oben, der Politik, der Regierung, dem EU-Parlament oder auch der Wissenschaft zu überlassen. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress
„Jeder muss selbst Antwort finden auf die drängenden Fragen dieser Zeit, auch zu der Frage nach Hilfe zur Selbsttötung“ so Generalsuperior Karl-Heinz Haus in seiner Begrüßung, „aber… sie sind viel zu ernst, um sie denen da oben, der Politik, der Regierung, dem EU-Parlament oder auch der Wissenschaft zu überlassen. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

Die Gesellschaft habe sich bis zu einem Punkt entwickelt, so Wiebicke, an dem alles zwanghaft „optimiert“ werden müsse – auch der Mensch selbst. „Jetzt ist die Frage, wie weit wir diesen Optimierungsprozess treiben wollen?“, fragte der Autor sich und sein Auditorium. Die aktuelle Debatte zeige, dass der „Optimierungsgedanke“ auch Tod und Sterben erreicht habe.

Jürgen Wiebicke: „Die Intensivmedizin bringt es mit sich, dass das Sterben weniger und weniger ein »geschehen lassen« ist – es geht mehr und mehr darum, Entscheidungen zu treffen.“ Und sei es die Entscheidung zu aktiver Sterbehilfe. . .

Wer eine vorgefertigte Meinung und klare Antworten auf alle aufgeworfenen Fragen erwartet hatte, wurde in der anschließenden Diskussion mit dem Journalisten und Buchautor immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen. Wiebicke zeigte „Leitplanken“ auf, innerhalb derer er die Zuhörer immer wieder aufforderte, eigene Argumente zu erkennen und auch zu hinterfragen.

Erzbischof Waclaw Depo war aus dem polnischen Tschenstochau nach Mechernich gereist, er war Hauptzelebrant beim Dankgottesdienst. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress
Erzbischof Waclaw Depo war aus dem polnischen Tschenstochau nach Mechernich gereist, er war Hauptzelebrant beim Dankgottesdienst. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

Bedenkenswert fand Wiebicke das „Dammbruchargument“ des katholischen Philosophen Robert Spaemann: „Irgendwann kann aus einem Recht wie dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch eine Pflicht werden.“ Dann sei es nur noch ein kleiner Schritt bis zu Selbstvorwürfen und der Frage: „Darf ich meinen Angehörigen eigentlich zur Last fallen?“.

„Früher starben die Menschen zu Hause“

Bürgermeister Hans Peters Schick erinnerte an die gesellschaftlichen Veränderungen, die häufig zur Vereinsamung des Einzelnen geführt hätten: „Oft ist kein familiäres Umfeld mehr vorhanden, in dem leidende und sterbende Menschen Geborgenheit finden. Früher starben die Menschen zu Hause im Kreis der Großfamilie.“

Rund 30 Geistliche aus vier Kontinenten waren an der Dankmesse mit Erzbischof Waclaw Depo als Hauptzelebrant beteiligt. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress
Rund 30 Geistliche aus vier Kontinenten waren an der Dankmesse mit Erzbischof Waclaw Depo als Hauptzelebrant beteiligt. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

Den Bundestagsabgeordneten Detlef Seif befragte Jürgen Wiebicke rhetorisch zum Gewicht seiner Verantwortung: „Ich weiß nicht, ob ich Sie darum beneiden soll, dass Sie zur dieser Frage im Bundestag eine Stimme haben, die zählt – oder ob ich Sie bemitleiden soll?“ Seif berichtete: „Allein in unserer Fraktion gibt es fünf verschiedene Lager. Die Abstimmung wird eine reine Gewissensfrage.“ Faktisch stellte sich der Bundestagsabgeordnete hinter das Anliegen, das die Communio in Christo nicht nur vertritt, sondern in ihren Pflegeeinrichtungen, vor allem im Hospiz, auch praktiziert: „Es geht auch darum, dass wir uns darum kümmern, wie die Situation für Kranke und Sterbende ist, dass sie gut versorgt sind und sich Menschen liebevoll um sie kümmern.“

Die große Sehnsucht nach „Schwarz-Weiß“

Die Atmosphäre war keineswegs kontrovers, die Menschen waren offensichtlich berührt. Jürgen Wiebicke brachte es fertig, sich mit sich selbst zu befassen und nach Antworten zu suchen.

Dass die Communio gerade Jürgen Wiebicke und seine philosophische Herangehensweise eingeladen hatte, sprach nach Meinung vieler Besucher des 30. Ordensgedenktages nicht nur für deren Weltoffenheit, sondern auch für eine ehrliche und offene Auseinandersetzung. Wenn der Autor auch offen mit der christlichen Sicht auf die Frage nach Sterbehilfe sympathisierte, so machte er doch deutlich, wie wenig relevant die Frage nach Gott und die Frage, ob das „Geschenk des Lebens“ auch zurückgewiesen werden darf, in einer zunehmend säkularisierten Welt geworden sind.

Der Journalist, WDR 5-Moderator und Autor Jürgen Wiebicke sprach beim 30. Ordensgedenktag der Communio in Christo zum Thema „Der Kampf um den schönen Tod“. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress
Der Journalist, WDR 5-Moderator und Autor Jürgen Wiebicke sprach beim 30. Ordensgedenktag der Communio in Christo zum Thema „Der Kampf um den schönen Tod“. Foto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

„Ich bin ja persönlich bei Ihnen“, sagte Wiebicke, aber in einer Demokratie gelte es, konsensfähige Argumente zu finden und Gesetze zu schaffen, die für alle Menschen Gültigkeit haben. „Wir haben eine große Sehnsucht nach Schwarz-Weiß“, konstatierte der Philosoph und WDR-Moderator: „Der Tod und das Sterben aber haben viele Schattierungen, viele Unklarheiten, die sich auch niemals alle in einem Gesetz erfassen lassen.“ Jürgen Wiebicke empfahl dem Bundestag, „bei Beibehaltung des Tötungsverbotes alles gesetzlich so zu lassen, wie es ist.“

Am Ende der Diskussion sagte der Journalist und Diakon Manfred Lang, dass es in Mechernich einen klaren Gegenentwurf zur aktiven Sterbehilfe gibt – und zwar im Hospiz „Stella Maris“: „Dort gibt es auch für den, der keine Familie hat, liebevolle Nähe und Hilfe durch andere Menschen, eine palleativ-medizinische Betreuung der Schmerzfreiheit und für den, der es will, auch seelsorgerische Begleitung. Und zwar unabhängig von Religion oder Nationalität.“

pp/Agentur ProfiPress