Die “Carmina Burana” als “Social Dance”
Die “Carmina Burana” als “Social Dance”
Mechernich – Unter lateinamerikanischen Tänzen kann sich wohl jeder etwas vorstellen. Auch was Standard-Tänze sind, ist kein Geheimnis. Aber was verbirgt sich hinter dem Terminus “Social Dance”? Der Leiter der Mechernicher Hauptschule, Hans Jürgen Dederich, und die Ballett-Pädagogin Birgit Helbig klärten gestern die Presse auf: “Social Dance ist eine Aktion nicht für, sondern mit dem Publikum.”
Dass das Pressegespräch in der Hauptschule stattfand, war kein Zufall. Seit Beginn des Schuljahres proben dort rund 250 Schüler für mehrere Aufführungen, die in etwa einem Jahr in der Firmenicher Zikkurat über die Bühne gehen sollen. Auch die Big-Band des benachbarten Gymnasiums steht bereits in den Startlöchern. Sie soll die Musik beisteuern, wenn Carl Orffs “Carmina Burana” in Szene gesetzt wird. Worauf Dederich schon im Vorfeld stolz ist. “Social Dance”-Projekte seien bis dato allenfalls in Großstädten wie Berlin vor großem Publikum aufgeführt worden. Und zwar überwiegend von Gymnasien oder Realschulen. Dederich: “Wir sind stolz, dass wir als Hauptschule an das Projekt gekommen sind.”
Dahinter steckt allerdings System. Birgit Helbig, die bis vor anderthalb Jahren eine Ballett-Schule in Euskirchen betrieb, hat sich die Mechernicher Hauptschule ganz bewusst ausgesucht. Ihre Begründung für die Auswahl dieser Lehranstalt machte zugleich auch den Sinn des Terminus “social” deutlich: “Viele Eltern von Hauptschülern können ihren Kindern den Zugang zu Kunst und Kultur schon aus finanziellen Gründen nicht ermöglichen.” Möglicherweise bestehende Berührungsängste zu tänzerischen Ausdrucksformen sollen den Jugendlichen nun durch ganz persönliche Erfahrungen genommen werden. Hinter dem Projekt steckt auch ein pädagogischer Ansatz, den Dederich erläuterte: “Dadurch werden Selbstwertgefühl, Disziplin und das soziale Verhalten untereinander gefördert.” Das Projekt könne nur dann Erfolg haben, wenn alle an einem Strang ziehen. So ganz “nebenher” könnten durch die tänzerischen Übungen Außenseiter integriert und die Motorik verbessert werden.
Bis es zu den Aufführungen kommt, sind die Schüler an ihren Probeorten im Schulzentrum, in der Dreifachturnhalle und in der Zikkurat noch Publikum und Protagonisten in Personalunion. Sie tanzen derzeit “für sich selbst”, wie Dederich eingangs der Pressekonferenz erwähnte. Die erwarteten 2400 Besucher in der Zikkurat müssten indes nicht befürchten, in Aktion treten zu müssen. Sie können sich ganz den tänzerischen und musikalischen Genüssen hingeben. Alle Details der Inszenierung stehen noch nicht fest. So viel verriet Birgit Helbig gestern aber schon: “Die mittelalterlichen Gesänge werden in die moderne Zeit transferiert.” Themen wie Gewalt unter Jugendlichen sollen in das Szenario mit eingebunden werden. “Das Stück wird den Interessen von Jugendlichen aller Altersstufen entgegenkommen.”
Zumindest dann, wenn genügend Sponsoren ihre Portmonees öffnen. Dederich: “Die Hauptschule kann das Projekt nicht allein schultern.” Die Kosten für die Kostüme, die Bühnendekoration und die Technik könnten von seiner Lehranstalt nicht aufgebracht werden. Dederich bittet daher Betriebe darum, ihren Obolus beizusteuern. Womit auch ein gewisser Reklameeffekt verbunden sei. Die spendierfreudigen Unternehmen würden in die Vermarkungsstrategie für die Aufführungen integriert, sagte Dederich: “Birgit Helbig arbeitet übrigens kostenlos.”
Manfred Lang
09.11.2005