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Der damaligen Zeit weit voraus

Der damaligen Zeit weit voraus
300 Gäste feierten das 50-jährige Bestehen des LVR-Freilichtmuseums Kommern – Am kommenden Wochenende, 23./24. Juli, steigt das “Fest im Dorf” mit Blasmusik, Tanzboden, historischen Spielen und deftiger Bauernküche
Mechernich-Kommern – Im Beisein von rund 300 geladenen Festgästen feierte das LVR-Freilichtmuseum Kommern auf den Tag genau 50 Jahre nach seiner offiziellen Eröffnung am 20. Juli 1961 sein goldenes Jubiläum. Dazu überbrachten eine ganze Reihe hochkarätiger Gratulanten Museumsleiter Dr. Josef Mangold ihre Glückwünsche und Anerkennungsworte. “Da könnte man ja fast rot werden”, kommentierte dieser das Lob der Festredner zur Erfolgsgeschichte der Einrichtung auf dem Kahlenbusch bei Kommern, die rund zwölf Millionen Besucher in den fünf Jahrzehnten ihres Bestehens angelockt hat.
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, der als Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland als erster ans Mikrophon trat, erinnerte an den Beginn des Museums. “Zur damaligen Zeit war das etwas ganz Neues, damals war man hier der Zeit weit voraus”, skizzierte er die Gründung eines “benutzerfreundlichen” Museums mit dennoch wissenschaftlichem Anspruch. Die Bevölkerung habe dem Vorhaben von Anfang positiv gegenüber gestanden – so positiv, dass vor 53 Jahren, als die Arbeit aufgenommen wurde, sogar die Glocken geläutet worden seien, wie Wilhelm schilderte. Ob diese drei Jahre später zur offiziellen Eröffnung ebenfalls geläutet hätten, wusste er nicht mehr zu berichten, wohl aber, dass es neben Kraftbrühe, Rinderrouladen und Salat mit viel Mayonnaise auch 1.200 Zigaretten und 500 Zigarren für die Gäste der Eröffnungsfeier gab. “Das waren noch Zeiten, meine Damen und Herren”, schmunzelte Wilhelm. Heute präsentiere sich das Museum als etablierter Bestandteil der rheinischen Kulturlandschaft. “Doch so, wie der Dom eine ewige Baustelle ist, so befindet sich auch das Freilichtmuseum Kommern in der ständigen Weiterentwicklung”, schloss Wilhelm.
In Vertretung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war Prof. Klaus Schäfer, Staatssekretär im NRW-Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, von Düsseldorf in die Eifel gekommen. “Frau Kraft wäre gerne hier gewesen”, versicherte er. Doch die Politik gehe vor: Am drittletzten Plenartag vor der Sommerpause sei es der Ministerpräsidentin leider nicht möglich gewesen, Museumsdirektor Dr. Josef Mangold persönlich zu beglückwünschen. Der Staatssekretär hob den besonderen Stellenwert hervor, den das Freilichtmuseum einnehme in Zeiten, in denen außerschulischer Bildung große Bedeutung beigemessen werde. “Nur drei Direktoren in fünfzig Jahren – das ist ungewöhnlich”, sagte er weiter. Neben Mangold und Dr. Adelhart Zippelius war es von 1981 bis 2007 Dr. Dieter Pesch, der die Geschicke des Museums leitete. Der Dank des Landes Nordrhein-Westfalen gelte vor allem dem Landschaftsverband Rheinland als Träger “eines großartigen Hauses”, aber auch Direktor Dr. Josef Mangold und seinen Mitarbeitern. “Es ist und bleibt ein Highlight”, rühmte der Regierungsvertreter das Museum.
Zu den Ehrengästen an diesem Tag zählten auch Dr. Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbandes sowie LVR-Kulturdezernentin Milena Karabaic. Mit Dr. Adelhard Zippelius freute sich Mangold, seinen Vorgänger aus Anfangstagen begrüßen zu können: Als Gründungsdirektor leitete er bis 1981 das Museum und vollendete am Jubiläumstag auf den Tag genau vor einem Monat sein 95. Lebensjahr. Für Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick als erstem Mann der Stadt Mechernich, auf deren Gebiet sich das Museum befindet, war ebenfalls ein Platz in vorderster Reihe reserviert.
“Samstachs ovends weed jebad, de janze Woch schon drop jewaht” – mit diesem Liedtext der “Bläck Fööss” eröffnete Landrat Günter Rosenke seine Ansprache, um kurz darauf seinem Ausflug in die Hygieneansprüche gar nicht einmal so lange zurückliegender Zeit zu vertiefen: “Wenn et jöck, dann weed et Zick.” Rosenke räumte ein, dass diese “etwas unhygienisch anmutenden” Schilderungen nicht so recht in den feierlichen Rahmen passten. Doch seien sie bestens geeignet, das Bewusstsein zu wecken für Dinge, die im alltäglichen Leben als allzu selbstverständlich genommen würden. “Das war in unserer Großelterngeneration noch ganz anders.” Den Part, den früher Großeltern übernommen hätten, wenn sie von früher erzählten, übernehme nun das Museum. “Es vermittelt uns einen Eindruck davon, wie unsere Vorfahren gelebt und unter welchen Bedingungen sie gelebt haben”, hob der Landrat die “sehr wichtige Funktion” der Einrichtung auf dem Kahlenbusch hervor. “Wir sind nur das, was wir sind, weil unsere Vorfahren uns den Weg bereitet haben”, stellte er klar.
Die Glückwünsche des Verbandes der europäischen Freilichtmuseen überbrachte dessen Präsident Thomas Bloch Ravn.
Es sei ein lebendiges Museum mit Visionen, sagte Dr. Mangold, bevor er die Gäste zu einem ersten Rundgang durch die Jubiläumsausstellung “Verborgene Schätze” einlud. Es seien “wunderbare Stücke”, die nicht ständig präsentiert werden könnten. “Mit dieser Sonderschau wollen wir den Blick schärfen für das Besondere”, so der Museumschef. Die Häuser und Orte im Museum, an denen die “Schätze” zu sehen sind, sind mit vergoldeten Würfeln gekennzeichnet. Der Großteil der Gäste ließ es sich nicht nehmen, diese Objekte wie etwa das Haarbild aus den Haaren eines verstorbenen Kindes oder das Kräuterbuch von 1543 anzusehen. Viele zogen es aber vor, gleich zur Cocktailbar am Verwaltungsgebäude zu schlendern: Dort gab es “keine Kraftbrühe”, wie Mangold zuvor versicherte, sondern Cocktails aus den sechziger Jahren, dazu stilecht gefüllte Eier und belegte Partykräcker.
Am kommenden Wochenende, 23./24. Juli, jeweils von 12 bis 18 Uhr, lädt das LVR-Freilichtmuseum zu einem “Fest im Dorf” ein mit Tanzboden und zünftiger Blasmusik. Bürger aus Mechernich, Straßfeld und Bonn-Kessenich haben dann freien Eintritt – als kleines “Gastgeschenk” und Zugeständnis an gute Nachbarschaft beziehungsweise die Herkunft einiger Museumsobjekte.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

22.07.2011