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“Den Sterbevorgang nicht unnötig in die Länge ziehen”

“Den Sterbevorgang nicht unnötig in die Länge ziehen”
“Mechernicher Seminare” beschäftigten sich diesmal mit den Grenzen der Intensivmedizin – Die Ärzte Rudolf Hering und Erhard Klaschik sprachen über “Entscheidungen am Lebensende”

Mechernich – Trotz ständig steigender Publikumszahlen bei den “Mechernicher Seminaren” im örtlichen Kreiskrankenhaus, haute diese Resonanz Dr. Rudolf Hering, den Chefarzt der Mechernicher Abteilung für Anästhesiologie und Schmerztherapie, dann doch fast um: Im St.-Elisabeth-Saal sah er sich jetzt 260 Besuchern gegenüber. Plätze wurden Mangelware.
Dieser Andrang offenbarte vor allem eins: Nämlich, wie brennend die Frage nach lebensverlängernden Maßnahmen beziehungsweise nach einem würdevollen Sterben in der Bevölkerung ist. Es ging nämlich um das Thema “Ist alles Machbare auch sinnvoll? Entscheidungen am Lebensende”. Als Referent hatte man Dr. Erhard Klaschik gewonnen, den ehemaligen Chefarzt der Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin am Malteser-Krankenhaus Bonn und Spezialist für Palliativmedizin. Er war bundesweit der erste Arzt mit einem Lehrstuhl in diesem Fach.
Als Einstimmung zeigte Rudolf Hering das Bild eines Patienten auf der Intensivstation – Schläuche und Kabel scheinen von ihm Besitz ergriffen zu haben. Hering: “In solchen Situationen kommen Fragen auf, zum Beispiel: Sind Grenzen der Intensivmedizin definierbar? Kann man als potenzieller Patient verhindern, in so eine Lage zu gelangen?”
Bis 1995 habe sich kaum jemand mit dem Thema befasst. Kinderärzte seien 1993 die ersten gewesen, die näher auf die Problematik eingingen. Sie fragten sich, was mit “Frühchen” zu tun sei, die mit einem Geburtsgewicht von unter 500 Gramm zur Welt kamen. 1997 nahm die Zahl der Veröffentlichungen zu, die Krankheit Aids spielte dabei eine wichtige Rolle.
Von 600 Intensivpatienten starben 33
“Irgendwann muss man als Arzt zugeben, dass man dem Patienten auch mit modernsten Mitteln nicht mehr helfen kann”, erklärte Rudolf Hering dem reich besetzten Auditorium. 2007 seien im Kreiskrankenhaus Mechernich 600 Patienten auf der Intensivstation behandelt worden, 33 davon seien gestorben. Das Alter dieser Patienten lag jenseits der 70, zwei waren über 90. Verschiedene Einflüsse, auch Gesetz und Religion, wirkten in solchen Extremsituationen auf Patienten und Ärzte ein.
“Eine gesetzliche Regelung ist meines Erachtens eine zweifelhafte Angelegenheit”, so Hering. Von den Religionen gingen ganz unterschiedliche Erwartungen aus. Während zum Beispiel griechisch-orthodoxe Gläubige sehr konservativ seien und einen Therapieabbruch nicht befürworteten, zeigten sich Protestanten, wie etwa in den Niederlanden, sogar für aktive Sterbehilfe sehr offen.
Vier Grundprinzipien
Im Jahr 2005 verfassten die Krankenhausmitarbeiter in Mechernich eine erste Leitlinie. Sie definierten, was aktive, indirekte und passive Sterbehilfe überhaupt beinhalten. Daraus entwickelte sich 2006 ein Handbuch. Eberhard Klaschik stellte in seinem Vortrag die Ethik und die Würde des Patienten an oberste Stelle. Vier Grundprinzipien seien von Ärzten zu beachten: Selbstbestimmung und Wohlergehen des Patienten müssten berücksichtigt werden, die Abwendung von Schaden müsse gewährleistet werden, auch müsse Gerechtigkeit walten.
Grundbedürfnisse wie das Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit, die menschliche Zuwendung und die Körperpflege und das Stillen von Hunger und Durst dürften zu keiner Zeit vernachlässigt werden. Der offensichtliche Sterbevorgang dürfe nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden.

Manfred Lang

10.04.2008