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“Den Himmel vor die Kirche tragen”

“Den Himmel vor die Kirche tragen”
Wie Glaube sich in Krankheit und Leid bewährte – Eine gemeinsame lyrische “Verdichtung” von Eifeldekan Erik Pühringer aus Mechernich und seiner Großcousine Inge Glaser – Buchbesprechung in der neuesten Ausgabe der KirchenZeitung für das Bistum Aachen
Von Manfred Lang
In der Zeit lebensbedrohlicher Krankheit halfen Eifeldekan Erik Pühringer zwei Dinge: Die Erkenntnis, dass Gott bei ihm war und ihn trug (“Mein Emmaus-Erlebnis”), und die gemeinsame Arbeit mit seiner Großcousine, der österreichischen Dichterin Inge Glaser, an dem Lyrikband “Literarische Etüden”. Eine Buchbesprechung aus der jüngsten Ausgabe der KirchenZeitung für das Bistum Aachen:
Das Werk, das Ende 2010 im Wiener Verlag “praesens” erschienen ist und 260 Zwei-Autoren-Gedichte nach dem Vorbild japanischer “Rengas” enthält, entstand im Wesentlichen zwischen März und Juni 2010, als das Leben des damals 44 Jahre jungen Pfarrers und Eifeldekans sich in der Schwebe befand.
Er lag in Bonn im Krankenhaus, bekam Chemotherapie und führte fünfzeilige Gedichte zu Ende und zur Pointe, deren ersten drei Zeilen Inge Glaser im fernen Salzburg vorgegeben hatte. Oder er gab per E-Mail aus der Eifel in die Alpenrepublik drei Zeilen vor, die seine Cousine zu Ende brachte.
Unter einem Renga versteht man ein fünfzeiliges Gedicht, bei welchem die ersten drei Verse von jemand anderem um zwei weitere ergänzt werden. Das Reizvolle und auch Spannende dabei ist, wie die Fortsetzung des vorgegebenen ersten Teiles ausfällt. Überraschende Wendungen bleiben nicht aus. Die genau festgelegte Anzahl der Silben pro Vers wirkt zuweilen wie ein Korsett, das oft eine entsprechende Wortfindung erschwert.
Ringen um Worte, und mit Gott
um das eigene Leben
Erik Pühringer: “Da ist das Ringen um Worte, die auf den Punkt bringen müssen, was Du brauchst.” Das Ringen um Worte und das Ringen mit Gott, wie es das Alte Testament vom Stammvater Jakob schildert, fiel bei Erik Pühringer zusammen mit einer Zeit, in der er um sein Leben kämpfte. Eine Horrorvision? “Nein, eine kostbare Erfahrung, die ich nicht missen möchte!”
Nicht immer, aber oft geht es in den 260 Rengas der Literarischen Etüden um den christlichen Glauben. Die Frage, während der die Dichtung zwischen März und Juni 2010 entstand, war die: Würde dieser Glaube sich in der Krankheit, den möglichen Tod vor Augen, als tragfähig erweisen? “Gottes Menschwerdung/ geschieht nicht in großer Pracht,/ sondern im Stillen,” gab Erik Pühringer den Anfang eines Rengas vor.
Und Inge Glaser fügte hinzu: “Für Herodes unfassbar,/ doch für die drei Weisen nicht”. Eine “Sternstunde”, befand die pensionierte, zweifach promovierte und habilitierte Dichterin, Lehrerin und Professorin in der Lehrerausbildung. Wer das Renga zu Ende bringt, gibt ihm nachher den Untertitel. Rengas haben “Unter-Titel”, keine “Über-Schriften”. Das letzte Renga im Buch trägt den Unter-Titel “Verdichtungen”.
Das ist fast ein Synonym für Erik Pühringers Leid- und Krankheitserfahrung, die er – im Nachhinein – als wertvolle Glaubensbestätigung und Gottesbegegnung erlebte. Denn der Glaube an Christus, vorher bewährte Praxis und seelsorgerisches Handwerk des im Alter von 14 Jahren von der protestantischen zur katholischen Kirche konvertierten Aacheners, der schließlich Priester und Dekan wurde, hat sich in der Krise als “wahr” erwiesen, als wirklich “erfahrbares Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch”.
“Ich hatte mein Emmaus-Erlebnis”, berichtet Erik Pühringer im Interview mit der KirchenZeitung für das Bistum Aachen: “Das ist, wenn einem die Augen aufgehen und man erkennt.” Der heute 45 Jahre alte Regionaldekan der Aachener Bistumsregion Eifel: “Ich habe wie der Apostel Thomas begreifen dürfen, was es heißt, getragen zu sein, und erfahren können, wie etwas seine Bestätigung findet, wenn es aus dem Glauben in das Bewusstsein dringt und zum Wissen wird.”
“Leid und Schmerz werden/ oft zur Kreuzwegstation -/ wer reicht das Schweißtuch?”, gab Inge Glaser fragend den Einstieg vor. Und Erik Pühringer schloss im Renga mit dem Untertitel “Wegbegleitung”: “Und doch bin ich nie allein,/ wenn es nach Golgota geht”. Oder, weniger religiös und doch ein Synonym der Hoffnung und des Leben-Wollens, die Vorgabe Inge Glasers: “Wogendes Kornfeld,/ der Wind spielt mit den Halmen,” treibt sie zur Reife,”. Und Erik Pühringers Pointe des Rengas “Luftzug” lautet: “Um dann auf ihren Stoppeln/ Drachen steigen zu lassen”.
“Ich erkannte: Ich bin
Kreisläufer im Handball”
Das ist wie das Tanzen auf Gräbern, das Brotbrechen über dem Sarg der Schwestern und Brüdern, von denen man im Glauben überzeugt ist, dass sie zu Hause bei Christus im Paradies sind. Und doch kein fatales Sich-Ergeben, sondern Glauben (auch) an das (irdische) Leben und daran festhalten, selbst wenn es aussichtslos erscheint.
Erik Pühringer, der auch Handballer ist, machte während der sechsmal einwöchigen “Chemos” in Bonn eine recht profane Entdeckung von metaphysischem Ausmaß. Der passionierte Handballer: “Ich erkannte auf einmal, was ich war: Kreisläufer. Das ist der unverbesserliche Chaot, der immer am Wurfkreis entlang läuft, schon 30mal gescheitert ist und glaubt, beim 31. Mal kommt er durch. Wie hätte ich da das Ringen um mein Leben aufgeben können?”
Eine lebensbedrohliche Krankheit sei eine Grenzsituation: “Dein Leben wird komplett aus der Bahn geworfen. Du hältst Rückblick: Was ist wichtig? Was wird wichtig sein? Es kommt zu einer Neugewichtung. Was ist überdeckt und überlagert worden? Und dann ist es wie nach einem Erdbeben: Der Putz ist von den Wänden gebröckelt und darunter kommen alte Bilder zum Vorschein.”
Es geschieht Reflexion, auch im Glauben. Herrlich in diesem Zusammenhang und in die Zeit des Kirchenjahres passend ist Erik Pühringers Motiv vom “Himmel”, der vor die Kirche getragen wird. In dem Renga “Fronleichnam” heißt es: “Blütenteppiche,/ Altäre am Wegesrand/ und Lobgesänge -/ aus der Kirche hinaus wird/ nun der Himmel getragen”.
Die Ökumene wird in den “Literarischen Etüden” ebenso ins Wort gebracht wie die Rechtfertigungslehre. “Trennender Glaube/ an einen Jesus Christus/ anstatt Gemeinschaft?/ Ohne einende Liebe/ bleibt Gnade auf der Strecke” heißt es in dem Renga “Konfessionen”. Erik Pühringer im Interview: “Ohne Liebe kann man sich Glaubenssätze gegenseitig wie nasse Waschlappen an den Kopf werfen!”
In dem Gedicht “Lossprechung” eröffnet Inge Glaser: “Das Recht kommt von GOTT,/ es geht niemals vom Volk aus -/ wie man das möchte” . Und Erik Pühringer schließt: “Menschen verurteilen nur,/ Vergebung schenkt ER allein”.
Erik Pühringer hat die tückische Krankheit überwunden, die kritischste Phase, während der die “Literarischen Etüden” entstanden, ist vorbei, aber nicht vergessen. Sie hat Erik Pühringer verändert, der bereits an einem weiteren Lyrikband schreibt, “Predigtgedichte”, diesmal nach konventionellen europäischen Reimschemata und mit den vertrauten Versmaßen ihrer Dichtung.
Dass Inge Glaser und Erik Pühringer neben vielem anderen auch Dichter geworden sind, scheint im Nachhinein unvermeidlich. In beider Adern fließt “Pühringer-Blut”, so der in Aachen geborene und in Mechernich/Eifel lebende Regionaldekan, dessen Familie väterlicherseits aus der Steiermark stammt.
In der Verwandtschaft gab und gibt es mehrere Autoren, nicht nur Inge Glaser und Erik Pühringer. Der bekannteste war Onkel Franz Pühringer (1906 – 1977), Dramatiker, Lyriker, Erzähler, vom Expressionismus beeinflusster Gründer des Kabaretts “Thermophylen” und Leiter der Linzer Puppenspiele, der 1951 mit dem Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde.
pp/Agentur ProfiPress
Inge Glaser & Erik Pühringer – Literarische Etüden: Rengas. 100 Seiten, illustriert mit Zeichnungen von Dietmar Freund, Verlag “praesens” Wien, ISBN 978-3-7069-0647-0, 9,20 Euro

Manfred Lang

22.06.2011