Berlin, Euskirchen, New York, Shanghai
Der in Bürvenich aufgewachsene und vor allem in Katmandu und China wirkende und lehrende Künstler Rolf A. Kluenter (61) stellt im Stadtmuseum Euskirchen bis Ende Januar 2018 ein tief beeindruckendes Film-Projekt mit behinderten und prominenten Darstellern aus: „PULS – Stadt, da pocht ein Herz“ – Bei der Vernissage am Freitag platzten Museum und Stadtbibliothek aus allen Nähten –
Euskirchen – Zwei Jahre und 200 Drehtage sind vergangen, nochmal so viele am Schneidecomputer, an Tonwiedergabegeräten und Rekordern. Der Filmaktionskünstler Rolf A. Kluenter hat mit Museumskuratorin Dr. Heike Lützenkirchen diskutiert und umgesetzt, mit seinem Auftraggeber und Freund Rolf K. Emmerich vom Heilpädagogischen Zentrum „Haus Lebenshilfe“ in Bürvenich gerungen und er hat in diesen zwei Jahren zahlreiche prominente und weniger prominente Zeitgenossen aus Euskirchen, Zülpich und Umgebung vor die Kamera gebracht, darunter zahlreiche autistisch, geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen.
Bei der Vernissage seiner Foto-, Ton- und Filminstallation „PULS – Stadt, da pocht ein Herz“ fasste der in Shanghai und Bürvenich lebende und wirkende Beuys-Schüler seine nach dem Laga-Projekt „Kleiner Kosmos Felsenkeller“ zweite große Dreherfahrung mit behinderten Schützlingen des HPZ „Lebenshilfe“ zusammen: „Ich wollte sie zu Schauspielern machen und sie haben mich zum wahren Künstler gemacht!“
„Kunst fällt nicht vom Himmel“
„Es war eine Arbeit auf Augenhöhe“, berichtete der Meisterschüler von Professor Erich Reusch zuerst in einer Exklusivführung für Pressevertreter und dann vor geschätzten mindestens 200 Ausstellungseröffnungsgästen, die das Auditorium des gemeinsamen Lesungssaales von Stadtbibliothek und Stadtmuseum Euskirchen sprengten. Und er meinte nicht nur die Arbeit mit den PULS-Schauspielern aus der Euskirchener Autismus-Ambulanz des HPZ „Lebenshilfe“ an der Vogelrute: „Kunst fällt nicht vom Himmel!“
Neben den Hauptdarstellern Jennifer Adams, Stefan Ahlbach, Danny Lawrenz, Nicole Parsch, Michael Perpeet, Marcel Schlömer und Hans-Peter Zingsheim holte er auch den professionellen Mimen Andreas Albrecht vor die Kamera. Außerdem Personen der regionalen Zeitgeschichte, allen voran Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl, Landrat Günter Rosenke, HPZ-Geschäftsführer Rolf K. Emmerich, Oliver Knuth (EUGEBAU) und HPZ-Aufsichtsrat Joseph C. Rhiem sowie Künstler wie den Rockmusiker und Liedermacher Günter Hochgürtel.
Kluenter drehte mit den genannten und noch einer Menge mehr Akteuren im und um den Euskirchener Bahnhof das Bild einer pulsierenden Stadt, die über ihre Verkehrswege mit der ganzen Welt verbunden ist. Die Züge, die dort eintreffen und abfahren, sind wie das Leben. Mal sitzt man drin, manchmal rauscht alles an einem vorbei.
„Dokumentarstreifen poetisch verbunden“
Angelegt als Dokumentarfilm, so Dr. Heike Lützenkirchen, werde die Videoinstallation in ihrem Verlauf zu einer Mischung aus Schauspiel und Poesie. Sie hat Handlung – sogar einen integrierten Krimi um eine verschwundene Tasche, eine angedeutete Liebesgeschichte, philosophische Anwandlungen über die Zeit. „Das ist ein Gesamtkunstwerk“, schwärmt Kluenter, „das ist Oper, das ist Wagner!“
Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl eröffnete die Ausstellung nach eigener Ansprache, einer Einführung der Kuratorin Heike Lützenkirchen und Grußworten der „Lebenshilfe“-Verantwortlichen Rolf K. Emmerich und Joseph C. Rhiem sowie einem sehr bewegenden Schlussstatement des Künstlers selbst, in dem er Joseph C. Rhiem, der „Lebenshilfe“ und seinem Lehrer Joseph Beuys dankte, dessen Ideal von der „Sozialen Skulptur“ mit dem Euskirchener PULS-Projekt sehr hoch gehalten werde.
Ursprünglich hatte er „sein“ Werk, also die Gemeinschaftsarbeit mit „seinen“ Stars, am Tag der Ausstellungseröffnung der Film- und Fotoinstallation „PULS – Stadt, da pocht ein Herz“ für beendet erklären wollen. Immerhin war er für die Dreharbeiten allein siebenmal aus China angereist, auch ein Kostenfaktor. Doch jetzt verkündete Rolf A. Kluenter: „Ich mache weiter!“ Und später: „Das Werk wird sich weiterentwickeln, vermutlich wird es in dem Sinne niemals »fertig«“
Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl („Wenn Inklusion und Integration dauerhaft gelingen sollen, sind gleiche Chancen und gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft sowie Toleranz, Akzeptanz und Respekt unverzichtbare Voraussetzungen“) nahm die Ausstellung einschließlich aller Monitore und Videoleinwände, Bildtafeln und Darstellungsmittel als Geschenk Kluenters an die Stadt Euskirchen entgegen.
„Sensationelle Schauspieler“
Kluenters Kunstfilm erzählte eine an Metaphern reiche Geschichte um sich kreuzende Verkehrs- und Lebenswege, die sich sehr unterscheidende Mobilität auf hoher See und auf Schienen und Platons Höhlengleichnis. Die Pfade Einheimischer und Gästen der Stadt kreuzen sich entlang der Blindenwege, und sie geraten in Situationen, in denen sie sich gegenseitig helfen.
Durch diese gleichwertige Hilfe kommt es zu einem Perspektivwechsel – die Trennung zwischen den Behinderten und Nichtbehinderten löst sich auf und jeder einzelne wird als individuelle Person wahrgenommen. Der Bahnhof bildet dabei nicht nur die Kulisse, sondern den zentralen Ort der Begegnungen.
Ein Getriebener, mit dem die Bewohner in Kontakt kommen, wird vom Düsseldorfer Autor und Schauspieler Andreas Albrecht gespielt. Auch er berichtete der Presse Positives von der Zusammenarbeit mit den „Lebenshilfe“-Schützlingen: „Das sind sensationelle Schauspieler!“
Die Sonderausstellung im Stadtmuseum (Wilhelmstraße 32 – 34, 53 879 Euskirchen, Tel.: (0 22 51) 650 74 34, museum@euskirchen.de; www.kulturhof.de/museum) ist bis 28. Januar 2018 geöffnet. Es sind mehrere Sonderveranstaltungen wie persönliche Führungen und Gespräche mit dem Künstler geplant – die erste am Sonntag, 15. Oktober, ab 14 Uhr.
Eintritt ein und zwei Euro, Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 15 – 18 Uhr, Do 15 – 19 Uhr, Sa 11 – 15 Uhr, So 11 – 18 Uhr, Begleitprogramm unter www.kulturhof.de/museum, Katalog 10 Euro, mit freundlicher Unterstützung der „Lebenshilfe“ HPZ, EUGEBAU, e-regio, Parkhotel und Urfey Euronix.
pp/Agentur ProfiPress