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AllgemeinRotes Kreuz im Kreis Euskirchen

Beistand in schlimmen Momenten

Mit viel Fingerspitzengefühl die Nachricht vom Tod überbringen – Mitarbeiter des Kriseninterventionsdienstes betreuen Hinterbliebene

Das Kriseninterventionsteam um Leiterin Irmgard Bünder (vorne, 4.v.l.) war im vergangenen Jahr 49 Mal im Einsatz, um Hinterbliebenen die Nachricht vom Tod eines Angehörigen zu überbringen und Menschen in ähnlichen Krisensituationen zu betreuen. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Kreis Euskirchen – Hinterbliebenen die Nachricht vom jähen Tod eines Angehörigen überbringen, ihre Verzweiflung aushalten: Macht das jemand freiwillig? Beim Roten Kreuz im Kreis Euskirchen gibt es 23 Männer und Frauen, die für solche Ausnahmesituationen ausgebildet sind.

„Plötzlich und unerwartet“ – wenn diese Worte in Todesanzeigen stehen, kann man nur vermuten, wie groß der Schock für die Hinterbliebenen war. Wenn die Mitarbeiter des Kriseninterventionsdienstes (KID) an der Haustür stehen und klingeln, wissen sie nicht, was sie erwartet, wenn sie Angehörige des Verstorbenen mit dem Unfassbaren konfrontieren. Mit den unterschiedlichen Reaktionen der Verbliebenen haben sie gelernt umzugehen. „Manche verfallen in Starre, andere schreien hysterisch“, berichtet Volker Heß. Für den ehemaligen Berufssoldat, der „mit 53 nach Hause geschickt wurde“, war der Suizid eines Kameraden die Initialzündung, als Ruheständler dem KID beizutreten. Er ist einer der geschulten Laien, die Betroffenen zur Seite stehen, wenn plötzlich nichts mehr so ist, wie es war.

„Psychosoziale Notfallversorgung“ nennt sich das, was zunächst für die Rettungskräfte selbst rekrutiert wurde. „Dann stellte sich heraus, dass auch Opfer, Hinterbliebene und Augenzeugen der Betreuung bedürfen“, berichtet Prof. Horst Schuh. Der Diplom-Psychologe aus Stotzheim, der als Leiter der Arbeitsgruppe „Posttraumatische Belastungsstörung und Familienbetreuung“ des Reservistenverbandes mit Todesfällen in Afghanistan konfrontiert wurde, gehört von erster Stunde an zum KID. Die Tätigkeit beim KID zählt zu den anspruchsvollsten ehrenamtlichen Diensten und fordert auch von den Mitarbeitern ein hohes persönliches Engagement.

Auch nach vielen Jahren erleben die Teammitglieder noch unbekannte  Situationen. „So wurden wir im vergangenen Jahr zum ersten Mal in zwei Fällen von häuslicher Gewalt hinzugezogen“, berichtet Irmgard Bünder. Die pensionierte Lehrerin engagierte sich früher in der Telefonseelsorge. Doch dieser Krisendienst war ihr zu anonym, lieber wollte sie im direkten Kontakt mit den Menschen arbeiten. Heute leitet sie den KID. Im Rotkreuz-Zentrum in Euskirchen zogen sie und einige Team-Mitglieder nun Bilanz und berichteten von ihrer Arbeit. Insgesamt 49 Mal wurde 2013 die Unterstützung des KID angefragt. Tätig werden die Mitglieder stets im Auftrag der Einsatzleitung, entweder durch Polizei, Rettungsdienst oder Feuerwehr. Ein Dienstplan gewährleistet, dass jeder der 365 Tage im Jahr abgedeckt ist.

Denn dass sich tragisches Unglück auch dann ereignet, wenn man so gar nicht damit rechnet, erlebte Andrea Walraven-Thissen. Die dreifache Mutter aus Hellenthal-Hecken wurde vor vier Wochen ausgerechnet an Heiligabend zu einem von zwei Einsätzen gerufen: eine erfolglose Reanimation und ein Suizidversuch morgens um halb vier. „Da schluckt man schon. Aber wenn ich dann sehe, das ist eine Familie wie unsere, dann weiß ich, warum ich das mache.“ Diese Sichtweise brachte auch ihren Teamkollegen Henning Klein zum KID. Als sein Sohn sich vor neun Jahren das Leben nahm, habe er die Unterstützung des KID als sehr hilfreich empfunden, berichtet der Kuchenheimer. Seitdem ist es ihm nicht nur ein Anliegen, über das Tabuthema Suizid aufzuklären, sondern auch anderen beizustehen. „Die Hand, die hält, das Ohr, das hört  und die Zeit, die nicht zählt“ – diesen Spruch habe er sich während seiner Grundausbildung bei der evangelischen Kirche in Düsseldorf zum persönlichen Motto gewählt. Dabei sei es wichtig zu erkennen, wann man lästig werde. Spätestens, wenn sich Familienmitglieder gegenseitig stützen können, stelle man sich daher die Frage: „Werden wir noch gebraucht, oder werden wir lästig“, so Prof. Schuh. Wenn nötig, begleite man Verbliebene jedoch auch bei der Beerdigung.

Um das bei ihren Einsätzen Erlebte verarbeiten zu können, steht der Austausch untereinander an erster Stelle. „Was wir den Leuten anbieten, praktizieren wir auch bei uns selbst: Wir reden über den Einsatz“, so Irmgard Bünder. Regelmäßige Schulungen finden ebenfalls statt. „Auch der Rückhalt in der Familie oder durch den Lebenspartner ist ein wichtiger Stabilisator“, ergänzt Prof. Horst Schuh. Voraussetzung für die Mitarbeit beim KID sei – neben der entsprechenden Ausbildung – ohnehin eine persönliche Stabilität und auch eine gewisse Lebenserfahrung. Daher müssen Interessierte, die ihre Hilfe anbieten, mindestens 25 Jahre alt sein. Neue Kräfte würden derzeit jedoch nicht benötigt. „Wir sind gut aufgestellt“, so Irmgard Bünder.

Für „gewisse Irritationen“ in den Reihen des KID, so Prof. Horst Schuh, habe unlängst die Einschätzung der Lage bei der Bombenexplosion gesorgt. „Wir waren aufgestellt und einsatzbereit. Allerdings hat die Einsatzleitung der Feuerwehr entschieden, dass das Team nicht gebraucht wird“, wundert sich Irmgard Bünder, die bedauert, dass die acht durch das Rote Kreuz alarmierten Teammitglieder nicht eingesetzt wurden. Generell, so Schuh, sei der KID ein durchaus geschätztes Instrument. „Aber wir können uns vorstellen, noch effektiver eingesetzt zu werden.“

pp/Agentur ProfiPress